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Kultur

Schöne Aussichten…

Sonntag, 14. Juli 2013 | Text: Aslı Güleryüz | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

erhält man zur Zeit in der Ausstellungshalle des Rhenania. Dort stellen noch bis zum 25. Juli die Preisträger des zweiten Rhenania-Kunstpreises ihre Installation „Belvedere2“ aus. Belvedere bedeutet so viel wie „schöne Aussicht“.

Und genau damit beschäftigen sich die drei Künstler Anne Karen Hentschel, Simon Horn und Rita Lass. Dies ist jedoch keine herkömmliche Ausstellung: Am Tag der Finissage werden die in Teile zerlegten Ausstellungsobjekte höchstbietend versteigert – es sei denn, jemand möchte eines der Kunstwerke als Ganzes kaufen.

In welcher Beziehung stehen die Ausstellungsmöbel, der Ausstellungsraum, das Kunstwerk und der Betrachter? Das ist die zentrale Frage der drei Künstler. So war as auch bei ihrer Teilnahme am zweiten Rhenania-Kunstpreis: Die Künstler durften im Atelier von Ulla Ströhmann ausstellen. Sie bekamen Fotos vom Atelier zugeschickt und entwickelten anhand derer ihre Ausstellung. Was soll der Betrachter sehen?

Sie entwickelten eine Aussichtsplattform und installierten Guckkästen darauf. Sie lenkten mit den Guckkästen bewusst den Blick der Betrachter auf ausgewählte Punkte im Atelier. Das Atelier war kein leerer Raum sondern aufgeräumt zwar, aber mit Möbelstücken und Arbeitsspuren ausgestattet. Zum Beispiel fokussierten sie den Blick auf Farbdosen, Rümpelregal, Raumecken und die Nummer 5 des ehemaligen Hafenkrans vor dem Fenster. Das passte alles zu dem Thema des Festivals ‚Wunderkammer’. Die Arbeit „Belvedere“ beeindruckte beim Stromfestival 2012 und die Jury verlieh den drei Künstlern den Rhenania Kunstpreis.

 

Treffpunkt Halle

Bildhauerin Anne Karen Hentschel ist in Köln geboren und in Bremen aufgewachsen. Für ihr Studium der Bildhauerei wählt sie die Hochschule für Kunst und Design in Halle an der Saale, Burg Giebichenstein. Simon Horn ist in Ludwigsburg geboren und entscheidet sich nach der Ausbildung zum Schreiner ebenfalls für die Burg Giebichenstein, um dort Bildhauerei und Keramik zu studieren. Nach ihrer Ausbildung zur Buchbinderin studiert auch Rita Lass an der Burg in Halle. Sie erhält 2010 ihr Diplom für Buchkunst.

Die Vielseitigkeit des Studiums hatte die drei an die Hochschule geführt. Anne Karen Hentschel beschreibt ihre Entscheidung für Halle so: „An der Burg gibt es innerhalb der Bildhauerei den Schwerpunkt Plastik. Das Grundstudium besteht aus Kursen verschiedenster Fachbereiche wie Philosophie, gestalterische Ästhetik,
Schriftgestaltung. Und vor allem das Naturstudium war sehr hilfreich. Man sitzt in der Natur und zeichnet, was man sieht. Man schult das genaue Hingucken und begreift Formen ganz anders“. Alle drei leben und arbeiten weiterhin in Halle.

Genaues Hingucken

Das genaue Hingucken hat ihnen auch bei der Ausstellung „Belvedere2“ geholfen. Der Rhenania-Kunstpreis, den das Trio 2012 gewonnen hat, besteht darin, dass sie in der Kunsthalle ausstellen dürfen. Die Halle selbst und die Umgebung erforschten die drei für die neue Ausstellung. Anne Karen Hentschel erklärt ihre Vorgehensweise: „Diese Arbeit haben wir hier vor Ort entwickelt. Wir haben uns den Raum angeschaut und uns Fragen gestellt. Wo ist der Fluchtpunkt? Wo ist der Ausgangspunkt? Was ist die Aussicht? Wir sind auf die Halbinsel gegangen und haben uns dort genau umgeschaut.“ Rita Lass ergänzt: „Wir sind auf der Halbinsel herumgefahren und haben uns die Architektur dort angesehen.“

Dabei ist den drei Künstlern etwas Spannendes aufgefallen, das Rita Lass in die Installation einfließen ließ. Sie erklärt es so: „Der Architekt des Gebäudes hat bei der Installation der Rollos den Bewohnern scheinbar vorgegeben, wie beweglich die Rollos sind. Uns ist aufgefallen, dass sie immer nur in zwei Positionen fahrbar sind.
Entweder man fährt sie bis auf 1/3 der Fensterfassade herunter oderbis auf 2/3. Das untere Drittel bleibt immer frei. Man kann die Rollos nicht bis zum Boden herunterfahren. Die Architektur greift auf die Struktur der Fassade ein. Ich habe dann auf die Fassade gegenüber reagiert und die Fenster in der Ausstellungshalle Rhenania abgeklebt und weiß besprüht. Anschließend habe ich das Klebeband entfernt und es entstand ein fokussierter Blick auf das Gebäude auf der Halbinsel. Der Rahmen beeinflusst denBlick nach draußen.“ Sie lacht und fügt hinzu: „Wenn die Ausstellung vorbei ist, muss ich die Fenster natürlich putzen“.

Der Boden in der Ausstellungshalle ist mit weißen Linien beklebt. Sie spiegeln die schwarzen Metallrohre wider, die die Kabel an der Decke verkleiden. Lass erklärt weiter: „Die Linien, die im Raum vorhanden sind, verschmelzen mit hinzugefügten Linien. Wir haben uns für Weiß entschieden, da der Raum auch weiß gestrichen ist“. Simon Horn fügt hinzu: „Wir wollten die Architektur des Raumes herausstellen. Und die Architektur der Umgebung. Die Aussichtsplattform haben wir der Grundform des Bayenturms nachempfunden. Wir haben vorher verabredet, dass jeder von uns eine bereits existierende Arbeit mitnehmen und in die Ausstellung integrieren darf. Ich habe eine Form aus Gips mitgebracht. Ich habe eine Wanne mit Ton gefüllt und darin gegraben. Dadurch ist ein Hohlraum entstanden, den ich mit Gips gefüllt habe. Die entstandeneForm habe ich mitgebracht. Sie ist der Ausdruck der Frage, was passiert mit der heutigen Architektur? Was bleibt übrig?“. Es ist eine sehr ortsbezogene Ausstellung entstanden, in der auch die Kranhäuser nachempfunden worden sind. Die Kranhäuser sind sowohl in der Ausstellungshalle als auch außen an der Rheinseite des Gebäudes installiert.

Anne Karen Hentschel hat ein paar Schwimmerinnen mitgebracht. Etwa 20 weiße Figuren aus Acrylharz liegen auf dem Boden der Kunsthalle. Sie haben ihre Arme in eindeutiger Schwimmpose nach oben gestreckt: „Ich habe mich mit der Figur und der Bewegung beschäftigt,“ erläutert sie „Wie bewegt sich der Mensch durch den Raum. Ich wollte einen Strom durch den Raum kreieren. Wie verhalte ich mich zu dem Strom? Schwimme ich mit ihm oder gegen ihn?“ Die Figuren liegen Parallel zur Rheinuferstraße und zum Rhein: „Die Figuren liegen also parallel zum Verkehrsfluss und zum Rheinstrom. Ich reagiere mit der Choreographie der Bewegung auf den Raum, den ich vorfinde“ erklärt Hentschel.

Die drei Künstler sind also aus Halle angereist, um hier aus dem Nichts eine Installation zu entwickeln. Beim Akquirieren der Materialien mussten sie da durchaus kreativ sein. „Wir wollten die Materialien so günstig wie möglich beschaffen. Der Rhenania-Kunstpreis bestand in der Möglichkeit, eine Ausstellung zuentwickeln. Wir haben aber keinerlei Mittel dafür bekommen,“ erklärt Anne Karen Hentschel. „Da haben wir die GVG Gewerbeabfallsortierung und Verwertung in Köln angerufen. Die haben uns unbehandelten Holzabfall kostenlos zur Verfügung gestellt. Wir mussten uns nur einen Transporter mieten und es abholen. Für die Ausstellung haben wir das Holz mit weißer Kalkfarbe bestrichen,“ fügt Rita Lass hinzu.

Die Kosten für die Ausstellung vorzufinanzieren, ist nicht so einfach und ohne weiteres zu stemmen. Die Künstler des Rhenania haben bei der Unterkunft tatenreich zur Seite gestanden. Doch Reisekosten, Verpflegung, Materialien etc. müssen gedeckt werden. Und der Wunsch nach einer Publikation, die die Ausstellung dokumentiert, ist groß.

Um das alles finanzieren zu können, haben die drei Künstler sich etwas überlegt: „Wir bieten eine öffentliche Führung an und es wird am Tag der Finissage, dem 25. Juli eine Auktion geben. Wir werden ein paar Tage vorher damit anfangen, die Ausstellungsobjekte zu modifizieren. Sie werden zersägt. Auch das Kranhaus. Es sei denn, jemand möchte das ganze Objekt kaufen,“ erklärt Rita Lass. Interessenten sollten sich allerdings bis zum 21. Juli bei den Künstlern melden – bevor die Säge kommt. Schöne Aussichten für die Kunst.

 

Belvedere2
Kunsthaus Rhenania
12. bis 25. Juli 2013
Öffnungszeiten Freitag bis Montag 16 – 20 Uhr

Öffentliche Führung und Künstlergespräch
Sonntag, 21. Juli, 16 Uhr

Finissage mit Kunstauktion
Donnerstag, 25. Juli, 19 Uhr
 

Text: Aslı Güleryüz

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