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Gesellschaft

Schoki auf Knopfdruck

Dienstag, 18. April 2017 | Text: Nora Koldehoff | Bild: Tamara Soliz

Geschätzte Lesezeit: 2 Minuten

„Mein Vater hatte einen Traum“, erinnerte sich Annette Imhoff, als sie Ende März 2017 die Änderungen im Schokoladenmuseum vorstellte.
Ihr Vater Hans Imhoff, Schokoladenfabrikant und mehrheitlicher Eigentümer der Stollwerck AG, hatte nämlich vor Jahrzehnten schon die Idee und den Wunsch, in Köln ein Schokoladenmuseum zu gründen, in dem ein Schokoladenbrunnen fortwährend sprudelt. Den hatte er bei der Entdeckung von Maschinen, Verpackungsmaterial und Akten Mitte der Siebziger Jahre , die ursprünglich zum Abtransport in den Schrott gedacht waren, geghabt. Der Plan stieß auf breite Skepsis in Imhoffs Umfeld, und seine Umsetzung nahm viele Jahre in Anspruch, doch seit das Schokoladenmuseum 1993 eröffnet wurde, entwickelte es sich zu einem der meistbesuchten Museen in Deutschland. Es benötigt keine Zuschüsse und wird von seinen Partnern wie den Firmen Lindt-Sprüngli und Hussel unterstützt, nachdem das neue Management der Stollwerck AG die Zusammenarbeit beendet hatte.

Vor einem guten Jahr nun, im Januar 2016 haben Imhoffs Tochter und ihr Mann Christian Unterberg-Imhoff die Leitung des Museums übernommen. Und auch wenn das Museum mehr als gut läuft, haben sie dabei die Gelegenheit ergriffen, einen Blick von außen auf das Museums-Unternehmen zu werfen und Bilanz zu ziehen – nicht nur finanzielle, sondern inhaltliche – und eine Reihe von Neuerungen anzustoßen.

 

Die offensichtlichste, wenn auch oberflächlichste, hängt metergroß an der Fassade: das neue Corporate Designs des Logos. Die Entscheidung, den Namen des Museumsgründers Hans Imhoff aus dem Firmenzeichen herauszunehmen, fiel der neuen Geschäftsführung nach eigenem Bekunden nicht leicht. Doch zu Gunsten von Wiedererkennungswert und Lesbarkeit entschied man sich für ein schlichtes und schokoladenbraunes großes S.

Die anderen Änderungen beschäftigen sich mit der inneren Struktur des Hauses. Nach und nach, und ohne das Haus für längere Zeit zu schließen, sondern nur die regulären Schließzeiten nutzend, wurden Ausstellungsflächen renoviert, neu arrangiert und ergänzt, etwa mit individuell steuerbaren Touchscreens. Die Erlebnisorientierung – inklusive weiterer Schokoladen-Kostproben und einer Besetzungsverstärkung am Herzstück des Museums, dem Schokoladenbrunnen – wird nun noch mehr in den Mittelpunkt gerückt und soll auch noch weiter ausgebaut werden. Eine der neuen Attraktionen ist der von Schokoladenmuseums-Mitarbeiter Hermann Jansen entwickelte Roboter, der im Maschinenpark seit Kurzem den Besuchern ein Täfelchen frischer Schokolade auf Knopfdruck anreicht.

Auch die Zusammensetzung des Museumspublikums hat die neue Leitung beschäftigt: Woher kommen die Besucher, wie bewegen sie sich durch das Haus – und wie kann vermieden werden, dass sich Einzelbesucher und geführte Gruppen in die Quere kommen. Nachdem sich zeigte, dass etwa 90 Prozent der Besucher das Haus auf eigene Faust erkunden, entschied man sich, den autonomen Rundgang nun mit einem eigenen, 15 Stationen umfassenden Leitsystem zu unterstützen – getrennt von den Führungen, die einen anderen Weg nehmen.

 

Enden sollen die Führungen jetzt in einem neu gestalteten Eckzimmer, der Nachbildung eines Kolonialwarenladens. Bislang wurde dieser Ausstellungsbereich dazu genutzt, eine Sammlung historischer Dosen zu zeigen; jetzt ist sie neu inszeniert worden. Dadurch, dass der Raum etwas abseits liegt, abgetrennt werden kann und mit zusätzlichen Bänken ausgestattet ist, bietet er die Gelegenheit, noch einmal in Ruhe auf Details einzugehen und etwaige Fragen der Besucher aufzugreifen. Die ambivalente Geschichte des Kolonialismus und seiner zugrunde liegenden Vorstellung einer angeblichen „rassischen Höherwertigkeit“ der Kolonialherren gegenüber der auch für den Kakaoexport unterdrückten Bevölkerung in den kolonialisierten Ländern wird an dieser Stelle bislang jedoch nicht in den Kontext gesetzt.

Dabei ist das Museum jedoch durchaus darum bemüht, auch negative Seiten der Schokoladenproduktion und ihrer Historie zu benennen. In der 2016 eröffneten Sonderausstellung „Schokoladenrausch im Rheinland“ wurden zum einen der Kolonialismus und Stollwercks Rolle darin zum Thema gemacht, der den „Wilden“ „Zivilisation“ bringen wollte. Zum anderen wurde die Parteinähe des Unternehmens in der NS-Zeit dokumentiert, in der die Firma als nationalsozialistischer Musterbetrieb ausgezeichnet worden war. Beides wird auch in der Dauerausstellung thematisiert, ebenso wie das Thema fairer Handel und Kinderarbeit. „Allerdings“, resümiert Museumspädagoge Thomas Schiffer, „ist das Interesse an diesen Fragen bei den Besuchern nicht unbedingt ein vordergründiges. Wenn es in den Medien ein größeres Thema war, dann stellen wir fest, dass es für eine überschaubare Zeit dazu mehr Nachfragen gibt und den Wunsch, dazu mehr zu erfahren, aber schon bald gerät das auch wieder in Vergessenheit.“
Besonders angesichts des wahrgewordenen Traums von Hans Imhoff – dem fortwährend sprudelnden Schokoladenbrunnen.

 

Text: Nora Koldehoff

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