Schwuler Atheist in der Hörnchensmesse
Montag, 3. Mai 2021 | Text: Reinhard Lüke | Bild: Oliver Köhler
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Mitte März ließ die römische Glaubenskongregation durch den Papst mal wieder erklären, gleichgeschlechtlichen Paaren den Segen zu verweigern, da solche Verbindungen nicht dem göttlichen Willen entsprächen. Und der kölsche Kardinal Woelki lobte inmitten seines Rumgeeieres um die Missbrauchsskandale das Votum als „eine Stärkung des katholischen Ehe- und Familienverständnisses“. Was mir eigentlich gänzlich schnuppe war. Ich bin nicht schwul und meine Tage als Mitglied der katholischen Kirche liegen nun auch schon ein paar Jahrzehnte zurück.
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Naturmetzgerei HennesAber irgendwie habe ich mich dann doch gefragt, was Homosexuelle noch immer in einem Verein hält, dessen Leitung ihnen ständig erklärt, sie seien eigentlich unerwünscht, weil von Gott so nicht vorgesehen. Nun kenne ich zwar zahlreiche Schwule und Lesben, aber die haben alle mit der Kirche nichts am Hut. Also habe ich mich mal unter den Katholiken in der Südstadt, die ich aus anderen Kontexten kenne, umgehört und gefragt, wer mir als Betroffener zu dem Punkt Homosexualität und Kirche vielleicht was erzählen könnte.
So begegnete ich Roland Paschmann. Ja, er besuche regelmäßig die Hörnchensmesse in St. Severin, sei aber kein Christ sondern schon mit 17 aus der Kirche ausgetreten, erklärte er mir am Telefon. Damit war er eigentlich nicht der Mensch, den ich suchte. Aber als er mir dann erzählte, er habe vor ein paar Jahren den ehemaligen Papst verklagt und sei überdies jahrelang das Tanzmariechen der Rosa Funken gewesen, wollte ich ihn kennenlernen. Roland lebt mit seinem Mann, mit dem er seit 30 Jahren zusammen und seit 2016 standesamtlich verpartnert ist, in der Südstadt und hat von seinem Wohnzimmer aus einen Panoramablick auf den Chlodwigplatz.
Den Papst verklagt
Also, wie war jetzt mit der Klage gegen den ehemaligen Papst Benedikt XVI.? „Joseph Aloisius Ratzinger hat nach seiner Emeritierung in einem Buch 2019 mal wieder gegen Schwule und Lesben gewettert, wie er das schon während all seiner Lehrjahre als Theologie-Professor getan hat. Deshalb habe ich beim Amtsgericht gegen ihn Klage wegen Volksverhetzung eingereicht, die aber als „nicht ausreichend begründet“ abgewiesen wurde.“ Kann es einem als Nicht-Katholik nicht total egal sein, was ein Ex-Papst von Schwulen und Lesben hält? „Mir persönlich ja. Aber das Wort dieses Mannes hat ja für viele Gläubige in der ganzen Welt noch immer großes Gewicht. Und deshalb haben seine Aussagen für viele Homosexuelle in der Dritten Welt, Brasilien oder auch in Polen verheerende Konsequenzen.“
Auf ein Kölsch mit Josef
Aber was in aller Welt hat den ungläubigen Kartografen, der lange beim heutigen Landesamt für Umwelt, Natur und Verbraucherschutz gearbeitet hat und der nach einem Herzinfarkt in Rente ist, zur Kirchengemeinde St. Severin gebracht? Letztlich war es ein Zufall. Sein Mann, der eigentlich auch nicht religiös ist, habe immer gern die Christmette besucht. Der feierlichen Stimmung und der besonderen Atmosphäre wegen.
Gott und die Welt
Dabei habe er ihn vor Jahren einmal begleitet und dann habe ein nicht mehr ganz junger Priester eine Predigt gehalten, die ihn zutiefst beeindruckt habe. Ohne Manuskript und frei von allem Gedöns. Der Mann am Altar hieß (und heißt noch immer) Josef Embgenbroich und war bis 2019 noch als Subsidiar in der Gemeinde. Nach der Christmette ist Roland damals zu ihm gegangen und hat sich bedankt. Der Josef, wie Roland ihn im Gespräch nennt, hat ihn dann eingeladen, doch unter der Woche mal abends zur Hörnchensmesse zu kommen. Die heißt so, weil sie regelmäßig mit einer kleinen Prozession endet, die an einem alten Büffelhorn vorbei führt, das als Reliquie gilt. „Ich bin dann mal dahin“, erinnert sich Roland, „und war anschließend mit dem Josef noch ein Kölsch trinken, wobei wir über Gott und die Welt, eigentlich mehr über die Welt, geredet haben. Daraus ist dann eine nette Gewohnheit und eine Freundschaft geworden.“
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TorburgUnd war seine Homosexualität da kein Thema? „Überhaupt nie. Auch bei den anderen Gemeindemitgliedern, die ich nach und nach kennengelernt habe, habe ich jemals auch nur die geringsten Vorbehalte gespürt. Sonst wäre ich auch sofort weg gewesen.“ Schließlich hätten ja auch die Pink Poms alljährlich im Karneval die Jugendsitzung von St. Severin aufgemischt. Da habe es nie irgendwelche Berührungsängste gegeben. Und dann war der ehemalige Leistungssportler Roland Paschmann auch noch über mehrere Jahre als Funkenmariechen der schwulen Karnevalstruppe „Die Rosa Funken“ im Einsatz.
Heute gehört der homosexuelle Atheist irgendwie zur Gemeinde St. Severin dazu, besucht dienstags die Hörnchensmesse, ist beim Weihnachtsbaum-Verkauf dabei, steht bei Pfarrfesten am Grill und trägt regelmäßig den Pfarrbrief aus. Obwohl seine Lebensform angeblich von Gott so nicht gewollt ist.
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