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Kultur

Seelsorge auf Sendung – Doku über Domian

Donnerstag, 26. November 2015 | Text: Jasmin Klein | Bild: Tamara Soliz

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Jürgen Domian nimmt seit 20 Jahren jede Nacht von Montag bis Freitag eine Stunde lang im WDR und auf EinsLive Anrufe entgegen. Ob über Liebesbeziehungen zu Hans Georg, den Gummibaum, über die Leidenschaften eines Hooligans oder den Freitod eines Kindes – hier wird über alles gesprochen. Ab Ende 2016 bleibt die Leitung tot, denn Domian will wieder häufiger die Morgensonne sehen, wie er sagt.

Einige Monate lang hat ihn Birgit Schulz mit einem Filmteam begleitet. Das Resultat der Arbeit läuft heute in den deutschen Kinos an. „Domian – Interview mit dem Tod“.

Im Odeon feierte der Film soeben mit zwei Sonderaufführungen Premiere. Der große Saal war fast bis auf den letzten Platz besetzt und die Zuschauer, überwiegend junges Publikum, folgten dem Film konzentriert und lachten an den richtigen Stellen.

Regisseurin Birgit Schulz wollte einen Film über die Sendung DOMIAN machen, und wie sie funktioniert. Was verführt die Menschen dazu, nachts anzurufen und Privates zu erzählen? Je mehr sie sich damit beschäftigte, umso mehr trat das Thema ‚Tod und Trauer’ in den Fokus. Dafür pickte sie sich auch Aspekte aus dem 2012 erschienenen Buch von Jürgen Domian ‚Interview mit dem Tod’ heraus. Im Film werden viele Facetten des Todes aufgezeigt. Anrufer, die in der Sendung DOMIAN mit ihm über den Tod des Partners oder des Kindes sprachen oder gar selbst jemanden getötet hatten, sprechen vor der Kamera noch einmal ausführlicher über das Thema ihres Anrufes. Diesmal blickt man (bis auf zwei Ausnahmen) auch in deren Gesichter, die bei DOMIAN ihm selbst und den Zuhörern verborgen bleiben.

Der Film zeigt, wie Domian und sein Team die allnächtliche Sendung vor- und nachbereiten. Wie er (wie jedes Jahr im Sommer) alleine nach Lappland fährt, um dort Licht und Stille zu finden. Wie wichtig Nachtarbeitern die Sendung ist: „Ich brauche das wie die Luft zum Atmen“, sagt die LKW-Fahrerin, die von Dortmund bis Paderborn die Sendung im Radio hört, „und wenn es was Schlimmes war, dann nehme ich das mit bis Kassel.“

Wie wichtig es ist, das Thema ‚Tod und Trauer’ aufzugreifen und immer wieder zu behandeln, zeigt das anschließende Gespräch mit den Zuschauern im Odeon, als sich Regisseurin Birgit Schulz und Jürgen Domian eine halbe Stunde den Fragen der Besucher stellen. Viele Fragen richten sich an Jürgen Domian, zu seinem Buch und seiner Haltung zum Tod. Zwei Zuschauerinnen loben die Themenauswahl und den Mut, sich dem Tod so zu nähern, denn er sei in unserer Gesellschaft immer noch tabuisiert, obwohl er allgegenwärtig ist und viele beschäftigt. Eine Zuschauerin fragt, was man einem Trauernden raten soll. Domian sagt, man solle nichts raten, sondern einfach nur da sein im Gespräch.

‚Domian – Interview mit dem Tod’ ist kein Popcorn-Movie, aber auch kein trauriger Film. Für Domian-Fans ist der Besuch natürlich obligat, aber Meine Südstadt wollte wissen, warum er auch andere bewegen könnte und wie er entstand. Unsere Fragen hat Jürgen Domian per Mail beantwortet

Meine Südstadt: Wann und wie kam Birgit Schulz auf Sie zu?
Jürgen Domian: Der Kontakt ist durch den Produzenten Gerhard Schmidt entstanden. Er hat uns zusammengeführt.
 
Was sieht man in dem Film, was man als Hardcore-Fan sonst nicht wüsste?
Es werden einige Anrufer, die sich zu den Themen Tod und Trauer bei uns gemeldet hatten, portraitiert. Birgit Schulz hat sie besucht. Zudem  gewährt der Film Einblicke in meinen Alltag und mein Leben – und das Filmteam hat hinter die Kulissen der Sendung DOMIAN geschaut. Im vorigen Jahr dann wurde ich von Birgit Schulz nach Lappland begleitet. Wir haben dort vor der Kamera intensive Gespräche geführt, und es sind grandiose Landschaftsaufnahmen entstanden.
 
Warum ein Kinofilm? Warum keine TV-Doku?
Das Projekt ist ja beides. Sowohl Kinofilm als auch TV-Doku. Im nächsten Jahr läuft der Film in der ARD.
 
Wann wurden Sie in Ihrem Leben zum ersten Mal mit dem Tod konfrontiert?
Den ersten Toten habe ich während des Zivildienstes im Krankenhaus gesehen. Durch die vielen Erzählungen über den Krieg war der Tod allerdings in unserer Familie immer gegenwärtig.
 
Millionen Menschen leiden unter Thanatophobie (Angststörung – Angst vor dem Tod). Welche Tipps geben Sie jemandem, der darunter leidet?
Sich intensiv mit dem Tod zu beschäftigen! Je mehr ich mich mit ihm auseinandergesetzt habe, desto weniger wurde die Angst. Ich stehe heute fester im Leben als früher. Der Tod lässt einen das Leben erst wirklich wertschätzen.
 
Was tun Sie selbst dafür, den Tod hinauszuzögern?
Ich tue meinem Körper und meinem Geist viel Gutes an.
 
Sind Sie Organspender?
Natürlich!
 
Was wird Ihnen am meisten fehlen, wenn die Nachtsendung vorbei ist?
Der Kontakt mit so vielen und so unterschiedlichen Menschen, die ich im normalen Leben nie treffen werde.

Worauf freuen Sie sich am meisten, wenn Ihre Sendung 2017 vorbei ist?
Auf einen normalen Lebensrhythmus ohne Nachtarbeit.
 
Welchen Hund werden Sie dann adoptieren?
Wahrscheinlich einen Berner Sennenhund.
 
Wir danken für das Gespräch.
 

Text: Jasmin Klein

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