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„Sei doch nicht so empfindlich!“

Freitag, 13. November 2015 | Text: Jasmin Klein | Bild: Tamara Soliz

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Caren Klaschka ist ausgebildete Trainerin und Coach. Sie lebt seit 1996 in der Südstadt und coacht seit 2014 auch Hochsensible. Diese treffen sich einmal im Monat für 2-3 Stunden in ihrer Praxis, um sich auszutauschen und aufzutanken. Aber wer sind Hochsensible? Um das zu erfahren, treffen wir uns mit ihr im Café Walter.

Meine Südstadt: Was ist Hochsensibilität?
Caren Klaschka: Ich habe einige Faktoren herausgearbeitet, die ganz gut beleuchten, was unter dem Begriff Hochsensibilität zu verstehen ist: Der Mensch hat eine besondere Art der Reizverarbeitung: er reagiert stärker darauf und nimmt ihn viel tiefer wahr. Durch den weit geringeren Reizfilter ist man schnell über-erregt, denn zu viele Sinneseindrücke werden wahrgenommen. Nicht nur die emotionale, auch die sensorische Empfindsamkeit ist erhöht; man riecht, fühlt, schmeckt vieles intensiver. Dadurch erhöht sich die Ablenkung, die Traurigkeit und Freude, aber auch die Gründlichkeit. Im Gegensatz zu einer Depression oder ADHS fließt eine Hochsensibilität jedoch in alle Lebensbereiche.
Die Ursachen sind noch lange nicht umfassend erforscht. Neurobiologisch nachgewiesen wurde schon eine angeborene Gehirnstruktur. Der Wahrnehmungsfilter ist feiner, und damit ist man sozusagen hochsensibel. Im Unterschied zu anderen Merkmalen ist es hier so: Du bist es oder Du bist es nicht.
Bei Hochsensiblen steht die Fürsorge für andere oft höher als die Selbstfürsorge. Die Empathie steht so hoch, dass sich Hochsensible regelrecht anstrengen müssen, auch für sich selbst gut zu sorgen.
Da die Hochsensibilität, die jeder fünfte Mensch hat, noch so unbekannt ist, glauben Betroffene, dass sie im Vergleich zur Mehrheit falsch sind, da sie diesen krassen Unterschied zu sog. Normalsensiblen täglich empfinden. Langsam rückt das Thema mehr in den öffentlichen Fokus. Die September-Ausgabe des Fachblatts ‚Psychologie Heute’ hatte sie mit dem Titel ‚Feinfühlig’ als Titelthema.

Wie bist Du auf dieses Thema gestoßen?
Das hat sehr viel mit meiner eigenen Geschichte zu tun. Vor einigen Jahren war ich innerlich leer. Mein innerer Tank war nicht nur aufgebraucht, er war quasi gar nicht mehr vorhanden. Diese Leere hat mich anderthalb Jahre aus der Bahn geworfen; ich konnte nicht mehr arbeiten. Durch Zufall las ich einen Zeitungsartikel über Hochsensibilität. Ich kaufte mir das dort empfohlene Buch ‚Zart besaitet’ von Georg Parlow, und alles, was er schrieb, öffnete mir die Augen. Mir wurde klar, dass mein Burnout sehr viel mit meiner Hochsensibilität zu tun hat, von der ich bisher noch gar nichts wusste.

Wie gehst Du mit Deiner Hochsensibilität um?
Ich habe meine eigenen Wege gefunden. Ich gestehe mir zu, mir Rückzüge zu gestatten. Nach einem turbulenten Tag muss ich mich etwas länger zurückziehen, um die ganzen aufgenommenen Reize zu verarbeiten. Wirklich lebensbereichernd für Hochsensible ist es, nicht an den eigenen Fertigkeiten zu schrauben, sondern sich eine neue Lebenshaltung zu bauen. Verhaltenspsychologen empfehlen ACT (Akzeptanz- und Commitmenttherapie), ich nenne es ALA: Annehmen – Loslassen – Achtsamkeit, wie in meinen Seminaren. Hier erlebt man den eigenen Selbstwert, seine Gaben, und wie man sich von falschen Erwartungen Dritter löst

Was machten die Hochsensiblen früher?
Intuition war früher gleichermaßen wichtig wie der Verstand. Die Hochsensiblen wurden als besonders wichtige Menschen in der Gesellschaft wahrgenommen, denn sie arbeiteten als Heiler, Priester, Narren, Wahrsager, Hexen, Künstler oder Erfinder. Aber auch im medizinischen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Bereich bewegten sich viele Hochsensible. Es waren Positionen, in denen es wichtig war, Muster zu entdecken und Intuitives über den Verstand hinaus wahrzunehmen. Wenn man anders hinschaut, können es auch diejenigen gewesen sein, die sich für andere Menschen aufopferten und ihre Empathie auslebten.
Auch das Männerbild, gerade durch die Industrialisierung, hat sich stark verändert. Männer bekennen sich eher selten zur Hochsensibilität, denn sie glauben, das habe in dieser Gesellschaft kein (angemessenes) Ansehen mehr.
Stefan Kunkat hat gerade ein Buch veröffentlicht, in dem ich auch einen Beitrag geschrieben habe: ‚Mein HSP-Coach – Hochsensibel Leben’. Es ist eigentlich sein zweites, aber das erste hat er unter dem Pseudonym Matthias Wiese veröffentlicht, weil es ihm unangenehm war, sich in seinem stark männlich geprägten Berufsfeld als hochsensibel zu outen.

Was macht man, wenn man glaubt, das eigene Kind könnte hochsensibel sein?
Man soll dem Kind auf keinen Fall einen Stempel aufdrücken oder eine Sonderrolle zuschreiben, wie es so schnell bei Hochbegabten passiert. Wenn man es feststellt, soll man versuchen, dem Kind die empfundene Andersartigkeit wie eine Selbstverständlichkeit zu vermitteln. Ihm Raum und Schutz geben und ihm helfen, achtsam mit sich und seinen Bedürfnissen umzugehen. Wenn das durch die Taktung des Alltags schwerfällt, können sich Eltern gerne Rückendeckung holen, z.B. von einem Coach wie mir. Bei mir erfahren sie, wie sie das Kind darin unterstützen, sich seinen eigenen Rückzug zu bauen und seine Selbstwahrnehmung zu schulen. Das hilft immens.

Welche Chance auf ein gutes Leben haben Hochsensible in unserer vom Verstand geprägten Gesellschaft?
Unsere Gesellschaft ist momentan so ausgerichtet, dass wir uns ständig optimieren möchten, denn so, wie wir sind, scheinen wir falsch, so wird uns das suggeriert. Es gibt Dutzende Ratgeber, wie man redegewandter, zielsicherer, reicher und glücklicher wird. Man gewinnt den Eindruck, dass man durch solche Veränderung ein “richtigerer“  Mensch wird. In unserer Gruppe höre ich immer wieder, dass in den Unternehmen alle Chefs die Softskills wollen. Aber oft auch nur  so viel, dass die Absolventen uniformiert in die Firmen reinpassen. Die jungen Menschen müssen aufpassen, dass sie nicht verheizt werden, und sie müssen lernen, gut auf sich selbst achtzugeben.

Mittlerweile wächst aber eine neue Generation heran. Es gibt immer mehr kleine und mittlere Unternehmen, die weniger materiell und eher menschlich geführt werden und sich für einen positiven Wandel in der Gesellschaft einsetzen, das sog. Social Entrepreneurship.

Heute regiert vornehmlich Verstand und Kontrolle für Konkurrenz anstatt Verstand und Intuition für Kooperation. Das Ergebnis: Viele Menschen werden durch das Ungleichgewicht krank. Hochsensible Visionäre könnten für einen Ausgleich sorgen. Denn gesunde Hochsensible haben durch hohe Werte, Inspiration und hohe Empathie das Wohl aller im Blick. Ich halte es da mit dem Dalai Lama: „Dieser Planet braucht keine erfolgreichen Menschen mehr. Der Planet braucht dringend Friedenstifter, Heiler, Erneuerer, Geschichtenerzähler und Liebende aller Art.“

Vielen Dank für das bereichernde Gespräch.

Wenn Sie diesen Text bis zum Ende durchgelesen haben, könnte das ein Zeichen für Ihre Hochsensibilität sein. Denn Hochsensible machen alles gerne sehr gründlich.

 

Mehr im Netz
Homepage Caren Klaschka
Hochsensibel.org

Buchtipps von Caren Klaschka:
Elaine N. Aron: Sind Sie hochsensibel?
Georg Parlow: Zart besaitet – Selbstverständnis, Selbstachtung und Selbsthilfe für hochempfindliche Menschen
 

Text: Jasmin Klein

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