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Kultur

„Shake’n’Roll Saturday“

Mittwoch, 23. Mai 2012 | Text: Gastbeitrag | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Ein lauer Samstagabend in der Südstadt. Die Kneipen sind voll bis auf die Straßen und gebannt verfolgt man und durchaus auch einige Frauen, das Finale der Champions League. Ich spaziere jedoch gemütlich vorbei an all dem Zittern und Bangen und begebe mich in den Tsunami Club im Ferkulum. Hier in dieser kleinen Gasse , die sich mehr und mehr zu einem Anziehungspunkt für ausgehfreudige Menschen entwickelt, präsentiert heute „Rockin´ Rhonda“  ihren „Shake’n Roll Saturday“. Jeden dritten Samstag im Monat macht sie das, und heute steht der Abend unter dem Motto „Rockabilly Hayride“.

Uff, jetzt muss ich erstmal Luft holen, denn bevor hier der Eindruck entsteht, ich würde das jetzt hier einfach so runter schreiben, müssen ein paar Dinge zur Erläuterung gesagt werden: Ich habe keinen blassen Schimmer, was mich erwartet! Rockabilly ist für mich eine unbekannte Welt. Gut, dass ich Rhonda Kruithof („Rockin´Rhonda“) noch vor der Türe des Tsunamis treffe und sie mir den Kosmos Rockabilly näher bringt.

Sie selbst stammt aus Kanada und ist von Hamburg über Krefeld schließlich nach Köln gekommen. Seit sie 14 war, hatte alles Alte eine magische Anziehungskraft auf sie. Sie zog die Mädchenkleider ihrer Mutter an, staffierte sich in den 2nd-Hand-Läden ihrer Gegend aus und liebte schon damals den Glamour der alten Schwarz/Weiß TV-Serien. Mit dem Erwachsenwerden kam aber natürlich auch die notwendige Rebellion und fortan wandelte sie als Punk über diese Erde. Aber die frühkindliche Prägung durch die überall ausgestrahlte Country Musik hatte ihre Wirkung nicht verfehlt. In Deutschland angekommen, verabschiedete sie den Punk und hieß den Rockabilly willkommen. Musikalisch war das auch konsequent, sang sie doch selbst bereits mit Hingabe Blues im Stil der 20er Jahre. Nun wurde es wilder! Ihre erstes Engagement als Sängerin einer Rockabilly Band ergab sich auf der Damentoilette. Die eine Dame erzählte von einer Band auf der Suche nach einer Sängerin und die andere Damen in diesem Falle Rhonda Kruithof, war die Sängerin auf der Suche nach einer Band.

 

Rockabilly, so lerne ich, ist die Faszination für die „Fifties“. Rockabillys sind Sammler, die versuchen, möglichst viel aus dieser Zeit ins Heute zu transportieren. Es ist eine Subkultur, die von ihren Anhängern konsequent über Kleidung, Einrichtung und natürlich Musik gelebt wird.
Hm, ob denn das nun auch bedeutet, dass das Rollenverständnis dieser Zeit übernommen wird? Also Mutti hinterm Herd, Kinder hüten, und Papi sorgt für alle?

Darauf erhalte ich nur eine kurze Antwort: „Kids? Rock’n’Roll comes first!“ Es gibt sie, die Machos, die sich wohl nach einem solchen schwarz–weiß Rollenverständnis zurück sehnen. Aber wie Rhonda mir versichert, sind die Rockabilly Damen sehr selbstbewusst und es scheint eher ein Spiel, ein Kokettieren mit den weiblichen Attributen zu sein. Das Rollenverständnis ist dann eben doch ein modernes und die Beziehungen werden nicht nach den Vorbildern der fünfziger Jahre gelebt. Wie mir scheint, hat die Szene keine politische Aussage oder will verändern. Es geht ganz simpel um das Er- und Ausleben, dessen, was man „schön“ findet. Eben den Stil und die Musik der Fifties.

 

Und Musik, erfahre ich weiter, ist der eigentliche Dreh- und Angelpunkt. Auch wenn alle in der Szene sich Gedanken um ihren „Look“ machen und bei der Kleidung und bei den Haaren keine Nachlässigkeit zu erkennen ist, geht es nicht um das an der Tanzfläche Rumstehen, in der Fachsprache „Posen“, sondern es geht um das Tanzen.

Rockin´ Rhonda eröffnet als Gastgeberin mit ein paar Songs, begleitet wird sie nur vom Piano, den Abend und selbst bei dieser leisen Einstimmung, wippen die Füße und kreist die ein oder andere Hüfte. Rhonda  bedient das Klischee und bricht es gleichzeitig, eine gewisse Ambivalenz haftet der ganzen Rockabilly Szene an, mit einem Augenzwinkern. In sexy outfit performt sie einen Handschuh-Strip: Vom plüschigen Modell geht es über den Lederhandschuh bis zum Spülhandschuh. Der Abend ist eine Mischung aus Konzert und Party, und Rhonda setzt den Rahmen. Das Wippen der Füße und die kreisenden Hüften werden wilder, als die DJ´s kurz übernehmen und lässt auch nicht nach, als die Band des heutigen Abends, „Sneaky Freak“ aus Belgien, den Konzertteil des Abends eröffnet. Schlagzeug, zwei Gitarren und ein Kontrabass sorgen in den Gewölben des Tsunamis für den richtigen Druck. Auch ich nicht Rock’n’Roller erwische mich beim Kopfwackeln, während die anderen gekonnt die Füße bewegen. Diese Leute können eben all die klassischen Tänze (Jive etc.) – ganz im Gegensatz zu mir, der sich mit Zuckungen zu elektronischer Musik erfreut.

Ja, Rockabilly hat mich beeindruckt! Die Frisuren der Damen mit Blumen im Haar, die Tollen der Männer, all das erzeugt eine eigene Stimmung. Auch ohne Tolle fühle ich mich willkommen. Rhonda liebt die Szene, weil sich hier die Menschen mit ihrem Stil auseinandersetzen. Zu viele würden heute gar nicht mehr über das eigene Erscheinungsbild nachdenken, und das findet sie schade!

 

Und irgendwie hat sie recht, vor allem, weil man hier ein Komplettpaket bekommt – mit Musik, die Spaß macht.

 

Sascha Schiffbauer
Der Autor ist ein echtes Südstadtkind und außerdem Schauspieler, Entertainer und Moderator, lebt hier im Viertel mit seiner Familie und zwei Katzen.

Text: Gastbeitrag

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