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Kultur

Sind wir nicht alle irgendwie böse?


Freitag, 13. Oktober 2017 | Text: Alida Pisu | Bild: Christian Herrmann

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Am Wochenende ist was los: die Kölner Kinder- und Jugendtheatergruppe „pulk fiktion“ feiert im „Freies Werkstatt Theater“ ihr 10jähriges Jubiläum. Am Freitag fällt der Startschuss mit der Premiere von „Max und Moritz“. Der Samstag steht mit Performances und Vortrag unter dem Motto „Tag des mit, im und um pulk herum Denkens“.  Sonntag ist ein Workshop und gute Wünsche – Tag. Natürlich wünscht auch „Meine Südstadt“ pulk fiktion alles Gute und sprach mit Regisseurin und Mitbegründerin Hannah Biedermann über Vergangenes und Zukünftiges.

„Meine Südstadt“: Wie kam es zur Gründung der Gruppe?
Hannah Biedermann: Entstanden ist sie dadurch, dass wir – Eva von Schweinitz, Manuela Neudegger und ich – uns aus Bonn vom Theater Marabu her kannten, das ist ein sehr renommiertes Kinder- und Jugendtheater. Da haben wir angefangen, Theater zu spielen und Freude an dieser Art bekommen, für junges Publikum zu arbeiten und Stückentwicklungen zu machen. Dann haben wir angefangen zu studieren und uns in den Semesterferien getroffen und gesagt: „Jetzt machen wir mal ein Stück.“ Es war erst mal nur ein Semesterprojekt und dann lief es ganz gut an. Es gab Festivals, die es zeigen wollten und dann wurden wir auf allen Festivals gefragt: „Und? Was seid Ihr jetzt?“ Wir haben geantwortet: „Da haben wir noch gar nicht drüber nachgedacht. Dann sind wir jetzt eine Gruppe.“ Das zweite Stück „Efraims Töchter“ haben wir explizit für Kinder produziert. Das war mein Diplom-Stück. Es kamen auch schon neue Leute dazu, aus Hildesheim, aus dem Studium „Szenische Künste“. So entwickelte sich das. Wir hatten immer Lust, weiterzumachen und haben uns immer neue Dinge überlegt. Dadurch, dass wir durch das Theater Marabu schon vernetzt waren, sind auch ziemlich schnell Tour-Auftritte entstanden. Wir mussten ein Stück also nicht nach ein paar Aufführungen ad acta legen, sondern haben Geld eingespielt, konnten eine neue Produktion machen. So nahm das seinen Lauf.

Mit welcher Intention arbeiten Sie und welche Themen sind Ihnen wichtig?
Hannah Biedermann: Vor allem habe ich ganz persönlich durch Marabu die Liebe zum Kindertheater als Publikum erfahren. Denn da habe ich gesehen: Theater kann sehr nah dran sein, es kann mich ganz anders bewegen als das, was ich als Jugendliche im Stadttheater erfahren habe. Das ist eher eine Pflichtaufgabe, macht auch Spaß, aber es ist was Intellektuelles. Im Kindertheater habe ich das erste Mal geweint und dachte: „So kann Theater auch sein.“ Auch die Herausforderung, für ein Publikum zu arbeiten, das jünger ist als ich, nicht so tickt wie ich, fand ich spannend. Wie muss ich etwas erzählen, dass es auch für Kinder funktioniert? Dadurch, dass ich in Hildesheim studiert und dort viele performative Künste kennengelernt habe und wir alle eher zeitgenössisches Theater geguckt und gemacht haben, hatten wir eine sehr intermediale Herangehensweise. Es wird nicht unbedingt eine Geschichte erzählt, es ist eher eine Collage und hat eine perfomativere Spielweise. Das war schon auch eine Lust, das für junges Publikum verstärkt auszuprobieren, jenseits der Inhalte. Die Inhalte haben wir eigentlich eher bei uns persönlich gesucht. Was interessiert uns gerade? Und wie erzählen wir das jetzt?

 

„So kann Theater auch sein.“ / Foto: Christian Herrmann

Am Freitag ist die Premiere von „Max und Moritz“ nach Wilhelm Busch. Was reizt Sie an den bösen Buben mit ihren bösen Streichen?
Hannah Biedermann: Meine Lesart ist gar nicht so sehr moralisch. Am Ende wird ja auch noch gezeigt, dass sich das ganze Dorf darüber freut, dass die beiden Jungs getötet und aufgegessen werden und weg sind. Da zeichnet für mich Busch eher eine komplett pessimistische Weltsicht. Die Erwachsenen sind genauso schlimm wie die Kinder. Es ist weniger: „Seht, was euch passiert und danach ist alles wieder gut.“ Sondern: sind wir nicht alle irgendwie böse oder was treibt uns eigentlich zu diesen Fiesheiten? Wir wollten der Lust am Bösen nachgehen, eine gewisse Feier der Schadenfreude zelebrieren. Es ist das zweite Stück mit einer Vorlage. Ansonsten machen wir ja Stückentwicklungen. Wenn wir eine Vorlage machen, sind wir an solchen interessiert, die uns die Freiheit geben, sie in unserer Art und Weise umzudeuten und nicht so eng zu fassen. Diese Möglichkeit bietet „Max und Moritz“. Dann haben wir zwei Frauen in der Gruppe, die zusammen spielen wollten und da gab es die Lust zu fragen: „Was ist, wenn es zwei Frauen sind? Was ist mit der Fiesheit der Frauen oder der Mädchen? Warum ist das unterbeleuchtet? Warum noch verpönter, noch unangemessener, wenn sich ein Mädchen gewalttätig verhält?“ Da sahen wir feministische und politische Fragestellungen hinter diesem Stoff. Das war der Ausgangspunkt. Während der Proben hatten wir viel Spaß, uns selber an die Grenze zu führen. Wie böse können und wollen wir sein? Wie wollen wir unser Publikum behandeln? Einerseits wollen wir sie einladen und freundlich behandeln…

Und nicht etwa verschrecken…
Hannah Biedermann: Genau. Aber gleichzeitig wollen wir böse sein. An dieser Grenze bewegt sich der Abend.

Das Böse übt ja auch eine Faszination aus. Wir bemühen uns, gut zu sein, aber wir gucken – zumindest auf der Bühne – ganz gerne mal denen zu, die so richtig böse sind. Haben Sie das Stück in die heutige Zeit versetzt?
Hannah Biedermann: Die Mittel sind heutig. Es gibt teilweise noch Verse und auch der Kontext der Streiche, dass sie am Schneider Böck oder am Lehrer Lämpel vollzogen werden. Die Figuren, die aus einer alten Zeit kommen, haben wir nicht übertragen. Aber wir haben versucht, in die Jetzt-Situation des Theaters zu gehen.

 

„Der Zuschauer, die Zuschauerin ist gefordert…“/ Foto: Christian Herrmann

Also so etwas wie Cyber-Mobbing mit dem Lehrer?
Hannah Biedermann: Nein, aber es gibt eine Live-Kamera, die mitfilmt. Das hat dann Assoziationen. Etwa mit dem YouTuben. Pranken heißt das ja heute, wenn man filmt, wie man andere Menschen reinlegt. In der Ästhetik gibt es ganz klare Zitate, wo man so was heute findet. Gleichzeitig aber auch eine Liebe zu der alten Sprache, zu den Bildern von Busch. Die werden auch teilweise projiziert. Was unseren Versuch ausmacht, ist, dass wir die Dinge in die Jetzt-Situation bringen. Und der Zuschauer, die Zuschauerin ist gefordert: wie verhalte ich mich zu dem, was ich gerade erlebe? Finde ich das gut? Finde ich das lustig? Mache ich mit, feuere ich an? Ziehe ich mich zurück? Bin ich davon angeekelt? Finde ich das nicht mehr in Ordnung? Das ist das, was wir spannend finden. Das man wirklich in seiner Haltung dazu herausgefordert wird.

Wie sind denn die Reaktionen?    
Hannah Biedermann: Nach der Düsseldorfer Premiere hat Jemand zu mir gesagt, die Performance sei ein Gradmesser für das, was gerade im Publikum oder in der Gesellschaft los ist. Wir würden nicht entscheiden, was gut oder böse ist, sondern wir stellen was hin und je nachdem, wie das Publikum reagiert, sagt dann etwas über das Publikum oder die Gesellschaft.

Wenn man auf die vergangenen zehn Jahre zurückblickt: sie werden immer erfolgreicher und haben schon eine Menge Preise gewonnen! Auch für Ihr letztes Stück „All about nothing“, in dem sie die Kinderarmut thematisieren. Sind Sie stolz auf Ihre Arbeit und die Anerkennung?
Hannah Biedermann: Das sind wir auf jeden Fall. Kinderarmut klingt so unsexy. Wie will man das erzählen, ohne moralisch zu sein oder ohne Betroffenheits-Theater zu machen. Dass es uns scheinbar gelungen ist, das Thema ernst zu nehmen und das Anliegen rüber zu bringen und trotzdem Theater im Sinne von Unterhaltung zu machen, das freut mich. Es bestätigt einen, weiter solche Themen zu suchen. Und die 10-Jahres-Feier kommt auch dadurch zustande, dass wir 2016 den „George Tabori – Förderpreis“ gewonnen haben. Das ist ein bundesweiter Preis für freies Theater, der eine Gruppe oder ihr Werk auszeichnet. Er ist verbunden mit 10.000 Euro. Einen großen Teil des Geldes haben wir in die Feier gesteckt.

Sie beschenken also Ihre Zuschauer?
Hannah Biedermann: Wir machen ja uns selbst auch ein Geschenk damit, dass wir etwas ermöglichen, was uns nachdenken lässt über Theater und das, was wir tun.

Dann wünsche ich Ihnen und Ihren Zuschauerinnen und Zuschauern ganz viel Freude an diesem Geschenk!

 

„Max und Moritz“ nach Wilhelm Busch

Freies Werkstatt Theater, Zugweg 10, 50677 Köln
Weitere Termine: 13. und 15. Oktober, 15. und 16. November 2017
Übersicht über die 10-Jahres-Feier mit sämtlichen Veranstaltungen, finden Sie hier.

 

Text: Alida Pisu

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