Sitzen, schneien, liefern lassen
Montag, 4. Februar 2019 | Text: Reinhard Lüke
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Fast hätte ich das Prunkstück glatt übersehen. Auf der Severinstraße steht jetzt eine Bank, auf der man sich gemütlich niederlassen kann. Feine Sache, das. Sieht man von dem knatschgrünen Werbebänkchen vor Alnatura einmal ab, gab es schließlich zwischen Clodwigplatz und St. Johann Baptist keine Sitzgelegenheit ohne Verzehrzwang. Die Gehwege auf beiden Seiten sind ja selbst ohne all die Kundenstopper genannten Werbe-Aufsteller wat eng. Nun hat die Stadt aber dankenswerterweise doch ein paar Quadratmeter Fläche für ein Bänkchen ausgemacht, das zum Verweilen lädt. Das aus Metall gefertigte Stück hat zwar keine Rückenlehne, macht aber einen grundsoliden Eindruck und ist fest im Boden verankert. Und wer sich da niederlässt, ist nah dran am Geschehen. Vor allem nah am Straßenverkehr. Die Bank steht nämlich auf der Severinstraße stadteinwärts auf der linken Seite rund 20 Meter vorm Odeon zwischen zwei Parkplätzen und dem gläsernen Lift-Turm zum U-Bahnhof Kartäuserwall, gut einen Meter vom Fahrbahnrand entfernt. Das sind wahrlich tolle Aussichten. Wem das mit dem Straßenverkehr zu viel wird, der kann das Möbel dank fehlender Lehne natürlich auch andersherum nutzen und die Betonwand der ehemaligen Klosterkirche bestaunen. Möchte zu gern wissen, wie viele Ortsbegehungstermine seitens des zuständigen Amtes für die Wahl dieses genialen Standortes für eine Ruhebank nötig waren. Sollten die Damen und Herren noch nach weiteren Locations für solche Oasen an der Severinstraße fahnden: Vor kik wäre auch noch Platz. Hätte man als Nutzer die Qual der Wahl zwischen dem Blick aufs Schaufenster oder die pittoreske Fassade der Sparkasse. Aber womöglich liege ich mal wieder völlig falsch und die neue Bank ist gar keine Sitzgelegenheit, sondern ein erhöhter Stehplatz für vier bis fünf Personen am Rosenmontagszug. Dann sollte man sich umgehend schlau machen, wo es die dafür erforderlichen Karten gibt.
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Stadtrad – Service, FahrradAkuter Versorgungsnotstand
Zum Irrsinn der Internet-Bestellerei und seinen verheerenden Folgen für den Einzelhandel ist ja eigentlich alles gesagt. Und dass zunehmend mehr Zeitgenossen sich per Fahrradkurier ganze Menüs in Warmhalteboxen ins Haus liefern lassen, statt ein Restaurant aufzusuchen, ist auch unübersehbar. Was mich wundert, aber nicht weiter von Belang ist, da die fleißigen Pedaleure die Mahlzeiten immerhin noch in der örtlichen Gastronomie abholen. Aber wer dann doch lieber selbst den Kochlöffel schwingen möchte, kann sich ja auch die Zutaten ins Haus liefern lassen. Beispielsweise von Rewe. Auch davon wird scheint´s reichlich Gebrauch gemacht. Jedenfalls saß ich unlängst vorm Ludari auf der Severinstraße bei meinem nachmittäglichen Espresso, als so ein Kleinlaster vom Rewe-Bringservice auf der anderen Straßenseite anhielt. Dem entstieg ein farbenfroh Uniformierter, öffnete die hintere Tür seines Autos, holte ungefähr zehn nicht sonderlich prall gefüllte Papiertüten raus und machte sich damit auf den Weg Richtung Torburg. Knapp zehn Minuten später hatte er seine Lieferungen offenbar unters Volk gebracht, entnahm dann seinem Laster noch einmal ungefähr dieselbe Menge an Taschen und machte sich mit ihnen in Gegenrichtung auf den Weg.
Nur noch Gebrechliche im Viertel
Wenn ich jetzt mal unterstelle, dass vielleicht fünf der Empfänger dieser Versorgungseinheiten bettlägerig waren oder sonst irgendwelche Gründe hatten, die Wohnung nicht verlassen zu können, bleiben immer noch 15 Zeitgenossen übrig, die sich in der Severinstraße und Umgebung an einem sonnigen Nachmittag aus schlichter Trägheit oder was auch immer ihre Einkäufe ins Haus liefern ließen. Und das obwohl das Aufsuchen einer der vier Supermärkte an der Straße, darunter ein Rewe, kaum mehr Zeit in Anspruch genommen hätte als ein gepflegter Stuhlgang. Ich weiß jetzt nicht, in welchem Zentrallager in der Pampa Rewe die Bestellungen in Tüten packt, um sie dann in die Innenstadt zu karren, ich finde es einfach nur komplett gaga. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Der Tag meiner Beobachtung des Lieferwahns lag ein paar Tage vor der Schließung der Filiale wegen Renovierungsarbeiten für einen satten Monat. Dass der Netto nebenan jetzt auch noch für eine Woche dicht hatte, spricht nicht für gutes Timing, ist aber noch immer kein Grund, den Versorgungsnotstand im Viertel auszurufen.
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SchokoladenmuseumSchneebilder. Sicher ist sicher
Bei mir hat es letzten Donnerstag übrigens auch geschneit. Ich hab´ es nur noch keinem mitgeteilt. Womit ich offenbar schon wieder zu einer Randgruppe gehöre, ich gewöhn´ mich langsam dran. Jedenfalls ging an diesem Tag kaum ein Mensch an meinem Fenster vorbei, ohne die überzuckerten Bäume An der Eiche mit seinem Handy abzulichten. Und kaum lagen die ersten Flocken am Boden, quollen auch schon die Netzwerke über mit Schneebildern aus Köln und den üblichen Kommentaren. „Der Dom im Schnee! Irre!!!“ Meine Güte, Schnee mag in unserer Stadt eher selten sein, aber Köln ist nicht die Sahara. Oder sollten all die euphorisierten Knipser womöglich davon ausgegangen sein, dass dieses Naturschauspiel im Zuge der Klimaerwärmung letztmalig stattgefunden hat? Kaum. War wohl wieder nur der zeitgemäßen Überzeugung geschuldet, dass man nicht dabei war, wenn man es nicht fotografiert hat.
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