Solidarisch demonstrieren
Dienstag, 25. Januar 2022 | Text: Nora Koldehoff | Bild: Nora Koldehoff
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Es ist kurz vor sieben am Abend, als die beiden Gruppen am Neumarkt aufeinandertreffen, streng voneinander getrennt, jedenfalls größtenteils.
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in.form – Köln SüdstadtGegen die Coronamaßnahmen demonstrieren die Einen und gegen diese angeblichen „Spaziergänge“ die Anderen. „Köln ist aktiv“ ist das Motto der Impfgegner:innen, „Köln ist solidarisch“ das der Gegeninitiative. „Ihr seid doch auch lieber frei in Euren Entscheidungen“ ruft eine Spaziergängerin der anderen Gruppe zu. Die Argumente sind bekannt.
Keine Reaktion auf Hitlergruß
„Köln ist solidarisch“ heißt die neue Initiative, gerade erst zwei Wochen alt, die die Gegendemo veranstaltet. Dass das Thema Impfen auch Unsicherheit mit sich bringt, hält die Gruppe für normal. Der zentrale Grund für den Gegenprotest ist jedoch ein anderer: „Ihr marschiert mit Nazis und Faschisten“ ruft der Sprechchor. Eine allzu steile These ist das wohl nicht, gab es nicht nur bundesweit auf den Corona-Gegendemos immer wieder Zwischenfälle und Gewaltausschreitungen mit rechten Gruppierungen. Auch in Köln fiel erst in der letzten Woche ein Mann auf, der mehrfach den rechten Arm zum „Hitlergruß“ hob und anschließend dabei half, das Banner der Demonstrations-Organisatoren zu tragen. In den Reihen der Mitdemonstrierenden schien das jedoch kein Anlass zu sein, zu reagieren.
Provokationen von rechts
Auch in dieser Woche kommt es zu Provokationen: Zwei Männer haben sich in die Gegendemonstration gestellt, beide tragen keine Masken, aber einer von ihnen hält eine Deutschlandfahne mit Adler. Ein weiterer tritt hinzu, auch dieser ohne Maske und filmt einem Jugendlichen in Nahaufnahme. „Warum machst Du hier mit?“ will er wissen. Der Jugendliche geht nicht darauf ein, stattdessen tritt ein – ebenfalls jugendlicher – Mitorganisator der jungen Initiative hinzu, hält die Hände vor die Kamera, die auch ihn ungefragt ins Gesicht filmt, und fordert die Männer auf, sich auf ihre Seite der Demonstration zu begeben. Eine Weile bleiben die Provokateure hartnäckig und gehen erst, als die Gruppe um den bedrängten Jungen größer wird, auch wenn weiterhin alle die Ruhe bewahren.
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Café Kult – hier ist der Name ProgrammDie erhofften 1000 Gegendemonstranten sind nicht zusammengekommen, dafür ist der Zug der Corona-Maßnahmen-Gegner:innen spürbar länger geworden, als in der Woche zuvor. „Wir haben in dieser Woche etwas zu spät mit der Öffentlichkeitsarbeit angefangen“, räumt Felix ein. Der 17-jährige Schüler engagiert sich auch bei „Fridays for Future“ und gehört zum Organisations-Team von „Köln ist solidarisch“. „Umso wichtiger ist es, dass klar ist: Unsere Demos wird es jetzt regelmäßig geben, immer dann, wenn auch die anderen Demos laufen.“
Solidarisches Verhalten trotz Kritik
Die Coronamaßnahmen per se sind natürlich auch hier nicht alle unumstritten. Weder in den Reihen der Initiative, noch in denen der Mitdemonstrierenden. „Ja sicher finde ich manche Beschlüsse auch mehr als fragwürdig“, sagt Paula. „Manche sogar völlig bescheuert. Trotzdem ist nun mal das Impfen, das Tragen der Masken, Abstandhalten und Rücksicht zu nehmen eben nicht nur eine persönliche Entscheidung für mich. Das sagt einem doch schon der gesunde Menschenverstand. Ich schütze auch Andere. Darum finde ich auch das Motto so treffend. Ich bin solidarisch. Warum aber Du denn nicht?“ Mit der letzten Frage richtet sie den Blick fragend in die Menge der Vorbeiziehenden. „Aber vor allem kann man doch nicht mit Nazis zusammen demonstrieren. Da müsste doch eine Grenze erreicht sein. Am schlimmsten finde ich, wenn man auf der anderen Seite auf einmal Bekannte sieht. Das war sonst bei Demos gegen Rechts nie so.“
Wie zur Antwort kommt ein Sprechchor aus dem „Spaziergänger“-Zug und bezichtigt die Gegendemo, sie seien die Nazis. Paula zuckt mit den Schultern: „Was soll man da noch sagen?“
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ODEON – das SüdstadtkinoAuch der 13jährige Martino gehört zum Team der neuen Initiative und auch er ist bereits bei „Fridays for Future“ aktiv, wie insgesamt ein großer Teil der etwa 20-köpfigen Organisator:innen-Gruppe. „Es ist uns einfach wichtig, dass die Parolen, die hier von den sogenannten Querdenkern zu hören sind, nicht unwidersprochen stehenbleiben“, sagt er. „Unsicherheit ist eine Sache, aber mit Rechten gemeinsam zu demonstrieren, eine ganz andere.“
Unterstützung von anderen Bündnissen
Das sehen nicht nur die jugendlichen Organisatoren so: Unterstützt wird die Initiative von länger etablierten Bündnissen, wie „Köln gegen Rechts“, „Omas gegen Rechts“, „Kein Veedel für Rassismus“ und „Köln stellt sich quer“. Letztere Gruppe ist ohnehin verstimmt darüber, dass das Wort „quer“ durch die selbsternannte Querdenker-Szene so in Verruf geraten ist.
Der Demonstrationszug von „Köln ist solidarisch“ hat die Auflage, sich erst eine halbe Stunde nach dem Weiterzug der „Querdenker“-Demo in Bewegung zu setzen. Weil die Gruppe aber kleiner ist als erwartet und zudem ein durchgängig friedliches Bild zeigt, darf sie etwas früher losgehen. Gelegentlich tauchen auch hier angriffslustige Menschen gerade an den Rändern auf, aber die Polizei ist darauf aus, derartige Konfrontationen direkt zu blockieren.
Auch bei der Schlusskundgebung in unmittelbarer Nähe zur Abschlussrunde der Gegenseite bleibt die Stimmung stabil. „Danke, dass Ihr da wart. Bis nächste Woche“ verabschiedet der Sprecher der Gruppe die Mitdemonstrierenden.
Mailkontakt zur Inititavie „Köln ist solidarisch“: koelnistsolidarisch@riseup.net
Weitere Infos zu Aktionen, Hintergründen und Veranstaltungen:
Instagram: https://www.instagram.com/koeln_ist_solidarisch/
Twitter: https://twitter.com/Kis_Initiative
Telegram: https://t.me/Koeln_ist_Solidarisch
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