Spätsommerbücher – BücherwurmsBestes #11
Donnerstag, 22. September 2016 | Text: Gastbeitrag | Bild: Meine Südstadt
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Im September, so informiert uns der „Kleine Kalender“ gibt es den „Lies-ein-Buch-Tag“, und zwar am 6., genauer gesagt. Das ist zwar zeitgleich interessanterweise auch der „Kämpfe-gegen-die-Prokrastination-Tag“, aber das sollte mal nicht weiter irritieren. Schließlich bildet man sich beim Lesen ja fort. Oscar Wilde befand sogar: „Man sollte alles lesen. Mehr als die Hälfte unserer heutigen Bildung verdanken wir dem, was wir nicht lesen sollten.“
Dafür reicht allerdings die Zeit dann ja meist doch nicht, darum gibt es heute einmal wieder Tipps von erfahrenen Bücherwürmern aus dem Veedel.
Fura diem – stiehl den Tag, finden die Tagediebe aus dem Hirschgässchen und bieten zur Zerstreuung wieder einmal viele neue Dinge feil, die das Leben schöner oder lustiger oder beides machen. Gegen die Prokrastination kann man ja immer auch morgen noch kämpfen…
Was noch lange nicht heißt, dass man Bücher ausschließlich konsumieren müsste – manche laden ja auch noch zum Mitmachen ein.
„Papiertiger“ zum Beispiel von Paperwolf. Erst tierisch langer Bastelspass mit Falten, Schneiden und Kleben und schließlich Ergebnisse, die sich sehen lassen können: stylische Fuchs- und Hirschtrophäe sowie Erdmännchen und Bärenfamilie als tolle Designobjekte.
„Papiertiger“von Paperwolf, EMF. 16,99
Das Schmökern ist natürlich ein wichtiger Punkt auf der To-Do-Liste eines ausgemachten Tagediebs. Claudia empfiehlt dafür heute den Roman „Sehr geehrter Herr M.“, das neueste Buch von „Angerichtet“-Autor Herman Koch, das jetzt als Taschenbuch erschienen ist.
„Im Mittelpunkt der Geschichte stehen ein Lehrer, der verschwindet, zwei verliebte Gymnasiasten und ein Schriftsteller. Dazwischen gibt es viele Verdächtigungen, Zweifel und falsche Fährten. Kurzweilig und höchst spannend!“
„Sehr geehrter Herr M.“ von Herman Koch, Kiepenheuer&Witsch. 9,99
Und auch für Kinder ist wieder ein schöner Tipp dabei: „Bienen“, von Piotr Socha.
Ein liebevoll und lustig illustriertes Buch über Bienen, nicht nur für Kinder und auch nicht nur für Bienenfans, in dem man viel über das Leben und die Geschichte der Bienen erfährt, über das Wabenbauen und Pollensammeln, über Stadtbienen, Honig und andere Bienenprodukte, über Bienenfreunde und Bienenfeinde – und darüber wie ein Leben ohne Bienen aussähe. Ein wunderbares Buch für alle neugierigen kleinen und großen Menschen.
„Bienen“ von Piotr Socha und Thomas Weiler (Übersetzung), Gerstenberg. 24,95
Autor: Nora Koldehoff
DER Buchhändler des Veedels mit mehr als 40 Dienstjahren ist Hans Schumandl, Chef der Buchhandlung am Chlodwigplatz. Selbst aktuell im verdienten Urlaub, hatte er schon gemutmaßt, was seine Mitarbeiterin Maya Reinhardt Euch empfehlen würde und zumindest mit einem Buch lag er richtig: Meine geniale Freundin von Elena Ferrante oder dem -oder derjenigen, der/die sich als Elena Ferrante ausgibt, ist einer von Maya Reinhardts Tipps. Man fällt so toll in die Geschichte, fühlt sich so mit dabei in diesem lebendigen neapolitanischen Viertel Rione, wo ein Großteil der Handlung spielt. schwärmt Maya Reinhardt sie habe das Buch gerade erst gelesen und das, obwohl es derzeit einen solchen Feuilleton-Hype darum gebe. Normalerweise versuche ich nämlich immer, etwas jenseits der Bestseller zu entdecken. verrät sie, und erzählt weiter Meine geniale Freundin ist keine literarische Sensation, das nicht, aber es ist wie eine Reise nach Italien und mir gefällt, dass es irgendwie auch ein feministisches Buch ist.
Hierzulande vor ein paar Wochen erst erschienen, gibt es Meine geniale Freundin sowie die vier weiteren Bände dieser Reihe in den USA schön länger, als englischsprachige Taschenbücher übrigens auch in der Buchhandlung am Chlodwigplatz. Erst eine begeisterte Besprechung in der New York Times brachte die deutsche Übersetzung und seitdem überschlagen sich die Kritiken. Elena Ferrante, von der man nur weiß, dass es sich dabei um das Pseudonym einer neapolitanische Autorin handeln soll, beschreibt in diesem Buch die Freundschaft zweier Mädchen und ihre Lebensbedingungen in Neapels Viertel Rione, beginnend in den 50er Jahren sechzig Jahre später, eine der beiden lebt längst in Turin, verschwindet die zweite, die immer die schillerndere Persönlichkeit in dieser von Liebe und Rivalität geprägten Beziehung war, scheinbar spurlos. Der Spurlosigkeit entgegnend, schreibt die stillere der beiden ihre gemeinsame Geschichte auf, und das ist, Maya Reinhardt zufolge fesselnd!.
Meine geniale Freundin von Elena Ferrante, Suhrkamp Vlg, Hardcover. 22,-
Und noch etwas hat Maya Reinhardt zu empfehlen, mit der jungen Autorin Wytske Versteeg eine Vertreterin der Niederlande, dem Gastland der diesjährigen Buchmesse im Oktober. In BOY erzählt Versteeg von einem Ehepaar, das seinen adoptierten Sohn auf tragische Weise verliert: der junge Erwachsene verschwindet zunächst und wird später tot aufgefunden. Die Mutter, eine Psychologin, lässt in ihrer Trauer das ungute Gefühl, etwas an den ungeklärten Todesumständen sei merkwürdig, nicht los und sie beginnt mit Nachforschungen, die Abenteuerliches zutage fördern. Das passt sehr in die aktuellen Debatten um Flüchtlingspolitik und fehlgeschlagene Integration. sagt Maya Reinhardt, denn es stellt sich heraus, dass beim Tod des farbigen Jungen, den sein Vater, ein Entwicklungshelfer, einst aus Afrika mitbrachte, Mobbing eine Rolle gespielt hat. Außerdem gefalle ihr die Sprache, die sehr intensiv und irgendwie auch brutal sei. Das erlebe ich oft bei niederländischen Autoren, so etwas Schonungsloses, sehr Direktes.
„Boy“ von Wytske Versteeg, Klaus Wagenbach Vlg, Paperback, 10,90
Autorin: Judith Levold
Weitere Büchertipps finden Sie hier:
Dir gefällt unsere Arbeit?
meinesuedstadt.de finanziert sich durch Partnerprofile und Werbung. Beide Einnahmequellen sind in den letzten Monaten stark zurückgegangen.
Solltest Du unsere unabhängige Berichterstattung schätzen, kannst Du uns mit einer kleinen Spende unterstützen.
Paypal - danke@meinesuedstadt.de
Artikel kommentieren