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Kolumne Lükes Liebes Leben

Speiseöl im Reisekoffer

Montag, 30. Mai 2022 | Text: Reinhard Lüke

Geschätzte Lesezeit: 2 Minuten

Ich weiß jetzt nicht genau, ob es in Palermo seitens der Stadt so etwas wie ein Gestaltungshandbuch gibt. Wenn ja, kann es nicht allzu dick sein, oder es hält sich einfach keiner an die Vorgaben. Kontrolliert und sanktioniert wird da offenbar auch nix. Gastronomen stellen draußen ihre Tische dahin, wo ihrer Meinung nach Platz ist – und es ist nahezu überall Platz.

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Passanten zwängen sich klaglos durch die engen Durchlässe und Eltern mit Kinderwagen müssen halt sehen, wie sie durchkommen. Und was Mobiliar und die Farbgebung von Sonnenschirmen und Sitzkissen angeht, darf sich da jeder Wirt ganz nach Gusto austoben. Das ist nicht immer schön, aber die Stadt hat offensichtlich andere Probleme. Und als Tourist liebt man das süditalienische Chaos ja ohnehin. So wie das permanente Vespa-Geknatter, das man daheim auch nicht unbedingt haben möchte.

Weltstadt Köln

In Köln hingegen herrscht Ordnung. Zumindest ästhetisch. Festgelegt im dicken Gestaltungshandbuch der Stadt. Darin finden sich beispielsweise exakte Vorschriften für die Farbgebung von Litfaßsäulen, Stromkästen und Bauzäunen. Die offizielle Bezeichnung für den Anstrich lautet „RAL 7024“. Wohinter sich ein mattes Anthrazit verbirgt. Ähnlich sexy ist „DB 703“, dunkelgrau, mit Eisenschimmer für Ampelmasten, Verkehrsschilder, Fahrradständer und Poller. Damit lässt sich leben. Aber in dem dicken Buch gibt’s auch sehr konkrete Vorschriften für die Gestaltung der Außengastronomie. Demnach sollen Markisen, Sonnenschirme und Sitzkissen tunlichst in dezenten Tönen gehalten sein, um einen einheitlichen Gesamteindruck zu gewährleisten. Und neuerdings müssen die Wirte die selbst geschaffenen Begrünungen ihrer Außengastros wieder entsorgen. Weil Blumen nun mal selten in dezenten Tönen und schon gar nicht grau-anthrazit blühen? Möglich. Letztlich soll es um den ästhetischen Gesamteindruck gehen.

Ich kenne gewiss nicht jeden Quadratmeter in Köln, aber mir fällt in all der baulichen Tristesse partout keine Straße ein, die man durch Blumen verunstalten könnte. Oder gibt´s irgendwo sowas wie einen malerischen Boulevard oder eine andere Prachtstraße, die ich bislang noch nicht entdeckt habe? Als Weltkulturerbe haben wir – anders als Palermo – nur den Dom zu bieten. Und bei all dem unbedingten Gestaltungswillen, Köln als europäische Metropole zu präsentieren, steigt man dann als Reisender irgendwann aus dem Zug und steht auf dem frisch renovierten Breslauer Platz zwischen Blauem Sack, Polizei-Containern und Kommerzhotel. Mehr Weltstadt-Panorama geht nicht.

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Wieder in Köln stelle ich fest, dass die Ölkrise immer noch andauert. Seltsamerweise ist jetzt auch Olivenöl knapp. In Palermo gab´s überall auch Sonnenblumenöl zu Normalpreisen. Werden die Läden da besser beliefert? Unwahrscheinlich. Vermutlich ist den Italienern einfach das Hamstern fremd. Nicht ausgeschlossen, dass ein paar Urlauber diesmal mit ein paar Flaschen Öl statt Grappa oder Limoncello im Koffer die Heimreise angetreten haben.

Urlaub am Güterverkehrszentrum Süd

Aber jetzt ist das Ausland je erstmal tabu. Mit Hilfe des 9-Euro-Tickets wird nun exzessiv Heimatkunde betrieben. Ich denke, ich fange mal klein an und bereise das Kölner Stadtgebiet. Immerhin haben die KVB ja 12 Stadtbahn- und 62 Buslinien im Programm. Und an den meisten Endhaltestellen bin ich noch nie gewesen. Also werde ich mir mal so exotische Orte wie Feldkassel, das Güterverkehrszentrum Süd, Bachem, das Bertha-Benz-Karree, Ostheim oder das Görlinger Zentrum anschauen. Vermutlich mit der Erkenntnis, dass man da auch echt nicht gewesen sein muss. Aber egal.

Und irgendwann nutze ich auch die Gelegenheit, an der Haltestelle „Autobahn“ einen Zwischenstopp einzulegen. Die fasziniert mich seit Jahren, wenn ich mit der 9 in den Königsforst fahre. Ob da Menschen in der Nähe wohnen, ist von der Bahn aus nicht zu sehen, aber ich werde es in Erfahrung bringen. Mit der Straßenbahn von Dortmund nach Duisburg (soll mit ein paar Umstiegen möglich sein) möchte ich mir auch noch gönnen. Der Rest von Deutschland kann warten. Und zur Beruhigung aller Insulaner, die wegen des zu erwartenden Massenandrangs jetzt schon Panik schieben: Ich werde nicht nach Sylt fahren.

 

Text: Reinhard Lüke

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