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Glaube

Spektakulärer Brief von St. Severin – Deutliche Kritik an Bistumsleitung

Dienstag, 19. Januar 2021 | Text: Stefan Rahmann | Bild: Stefan Rahmann

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Heute halten wir uns mal zurück und lassen andere sprechen. Der Pfarrgemeinderat, der Kirchenvorstand und das Seelsorgeteam von St. Severin haben einen offenen Brief geschrieben. Und der hat es in sich. Wir dokumentieren ihn hier ungekürzt.

Liebe Gemeindemitglieder, liebe Menschen im Severinsviertel und in der Südstadt,

„Wir können unmöglich schweigen über das, was wir gesehen und gehört haben“, heißt es in der Apostelgeschichte (Apg 4,20). Seit vielen Wochen sind zwei Themen im gesamten Erzbistum Köln und auch in unserem Veedel ständig präsent: der hilflose und skandalöse Umgang mit den Opfern sexualisierter Gewalt durch katholische Geistliche sowie der sogenannte „Pastorale Zukunftsweg“. Am Ende dieses Umstrukturierungs-Programms des Bistums sollen die Auflösung der jetzigen Pfarreien und die Errichtung einer einzigen Großpfarrei für die gesamte Kölner Innenstadt stehen.

Bleierne Schwere

Über der gesamten Kirche von Köln liegt eine geradezu bleierne Schwere, verstärkt durch die ohnehin schwierige Situation aufgrund der Corona-Pandemie. Uns begegnen täglich vielfältige Kritik und mehr noch Unverständnis, Wut, Enttäuschung, Trauer, Verärgerung sowie Resignation. Lohnt sich ein seelsorgliches, caritatives, ehrenamtliches Engagement in dieser Kirche überhaupt noch? Ist es sinnvoll und vertretbar, wenn unser Bemühen durch die Vorgänge im Bistum konterkariert wird und so an Glaubwürdigkeit verliert? Die Menschen wenden sich trotz unserer engagierten Arbeit vor Ort in Scharen ab. Dafür können wir nur verzweifeltes Verständnis aufbringen. Auch wir haben Vertrauen in unsere Kirchenleitung als moralische Instanz verloren und distanzieren uns von allen Versuchen, keine Verantwortung für Not wendendes Handeln zu übernehmen.

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Beide Themen – Aufarbeitung des Missbrauchsskandals und der „Pastorale Zukunftsweg“ – verknüpfen sich an entscheidender Stelle: Sie haben die ohnehin schon vorhandene Vertrauenskrise zu einem verheerenden Ausmaß gesteigert, wie es in der langen Geschichte der Kirche von Köln unvergleichlich ist. Von dem Vertrauen zwischen Bischof und dem Volk Gottes, ohne das Kirche auch bei uns nicht leben kann, spüren wir gar nichts mehr. Wie viele andere fragen wir uns, ob und wie ein Weg aus der Krise mit den derzeit handelnden Personen überhaupt noch möglich ist. Wir sind mit unserer Kirche eng verbunden, deshalb schauen wir mit Sorge in die Zukunft und befürchten irreparablen Schaden.

Einer der Höhepunkte des Gemeindelebens ist die Schreinprozession.

Botschaft des Evangeliums ist gut und richtig

Warum engagieren wir uns trotz aller eigenen Zweifel und Verunsicherung weiter? Wir versuchen in St. Severin eine Kultur des Respekts, der gegenseitigen Wertschätzung sowie der Achtung voreinander zu leben. Dies scheint uns immer möglich und gerade jetzt wichtig. Denn bei allen aktuellen Entwicklungen und so sehr beschädigt die Kirche auch ist: Die Botschaft des Evangeliums ist gut und richtig, und in diesem Sinne hat auch Jesus seine Wertschätzung für alle Menschen zum Ausdruck gebracht. Daran wollen wir uns orientieren! Auch wenn jemand aus der Kirche austritt, bleibt in unserer Kirchengemeinde jeder willkommen – unabhängig von Konfession oder Religion, Haltung zur Kirche, sexueller Orientierung oder irgendeinem anderen Merkmal.

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Wir missbilligen aufs Schärfste die Art und Weise, wie man an entscheidenden Stellen des Erzbistums Köln bis heute immer wieder mit Opfern von institutioneller Macht und sexualisierter Gewalt durch Kleriker umgeht und die Interessen der Kirche als Institution über die der Menschen stellt. Unsere Solidarität gilt den Betroffenen und Opfern von sexualisierter Gewalt, die durch unsere Kirche Unrecht erfahren haben, in Bedrängnis geraten sind sowie unter emotionalen, psychischen und physischen Folgen leiden. Wir erleben, dass sie im gesamten Prozess der Aufarbeitung immer wieder aus dem Blick geraten und instrumentalisiert werden.

Christliche Gemeinschaft lebt authentisch von unten

Das hohe Engagement vor Ort droht mit den Plänen zur strukturellen Veränderung im Erzbistum pulverisiert zu werden. Wir befürchten deutliche Verschlechterungen des pastoralen und caritativen Angebotes für unser Veedel. Unsere Gemeinde St. Severin ist Heimat, die es zu bewahren gilt. Kirche als christliche Gemeinschaft lebt authentisch von unten und davon, dass viele sich mit ihren Gaben und Fähigkeiten einbringen. Dazu laden wir trotz allem und gerade jetzt ein.“ Köln, im Januar 2021

Johannes Quirl ist seit 26 Jahren Pfarrer an St. Severin.

An alle Südstädterinnen und Südstädter

Adressiert ist der Brief ausdrücklich an alle Gemeindemitglieder und die Menschen im Severinsviertel und der Südstadt. „Wir haben den Brief natürlich vorab bei der Bistumsleitung in den Briefkasten geworfen“, berichtet Johannes Quirl, seit 26 über Jahren Pfarrer von St. Severin. Eine Reaktion sei bislang ausgeblieben. Quirl sieht es gelassen: „Vielleicht kommt noch was, vielleicht aber auch nicht.“ Ihm ist wichtig, dass seine Gemeinde ein Zeichen gesetzt hat. „Wir werden doch täglich auf die Dinge angesprochen.“ Er spüre den Verlust des Vertrauens. Über Austrittszahlen könne er nicht sprechen. „Die kommen verzögert. Im Moment sind ja beim Amtsgericht bis Ende März alle Austrittstermine vergeben. „Die kommen nicht nach.“ Quirl ist wichtig, dass alle Gremien der Gemeinde bei den Formulierungen an einem Strang gezogen haben: „Der Brief ist wichtig, richtig und kommt zur rechten Zeit.“

Text: Stefan Rahmann

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