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Politik Wahlen

„Straßenwahlkampf, Hausbesuche & Straßenstrich“

Donnerstag, 26. April 2012 | Text: Aslı Güleryüz | Bild: Karsten Schöne/ Barbara Siewer

Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten

Andrea Verpoorten ist die CDU-Frau im Rennen um den größten Wahlkreis Kölns. Gleichzeitig ist sie die „Titelverteidigerin“: 2010 schnappte sie der damaligen Landtagsabgeordneten Ingrid Hack (SPD) das Mandat vor der Nase weg – mit gerade mal rund 1000 Stimmen Vorsprung. „Meine Südstadt“ hat sie im aktuellen NRW-Wahlkampf begleitet.

Vor knapp zwei Jahren gab es dieses Bild: Andrea Verpoorten lächelt vom Wahlplakat. Der Hintergrund ist hellgrau, ihre Kleidung grau und weiß. Der Slogan lautet: „Klasse für Köln“. Heute stehe ich vor einem ihrer Wahlplakate. Andrea Verpoorten lächelt vom Wahlplakat. Der Hintergrund ist hellgrau, ihre Kleidung weiß. Der Slogan lautet: „Aus Liebe zu Köln“. Also „Klasse mit Herz“ ist die Message…

Ihre Ziele

Reicht das? „Aus Liebe zu Köln“? Reicht Emotionalität? Was will Frau Verpoorten sonst noch für Köln? Ich gehe auf ihre Web-Seite und schaue mir die Rubrik „Meine Ziele“ an. Umwelt und Energie stehen an erster Stelle. Umwelt soll lebensfähig sein und Energie sicher. Und Energie soll umweltfreundlich sein. Mehr Inhalt gibt es an dieser Stelle nicht. Etwas dünn, finde ich.
Das nächste „Ziel“ heißt Wirtschaft und soll prosperierend sein. Wie genau Frau Verpoorten dieses Ziel erreichen möchte, wird nicht genauer dargestellt. Dann sollen die Finanzen solide sein. Und das Bildungswesen hochwertig. Das sind schöne Phrasen und Adjektive, die aber noch genauer ausformuliert werden müssen. Wie soll das funktionieren? Das ist leider nicht schlüssig. Ich werde Frau Verpoorten direkt auf den fehlenden Inhalt ansprechen. „Ja,“ sagt Frau Verpoorten „die Web-Seite muss dringend überarbeitet werden. “Schade, dass dies in zwei Jahren nicht geschehen ist. Mein Kollege Stephan Martin Meyer hat vor zwei Jahren nämlich ähnliche Feststellungen gemacht und sich mehr Inhalt an dieser Stelle gewünscht.

Straßenwahlkampf

Ich bin mit Frau Verpoorten am Infostand der CDU in Bayenthal verabredet. Ich werde von zwei Ehrenamtlern freundlich begrüßt und habe die Gelegenheit, mir das Info-Material anzusehen. Hier fordert sie, die Schuldenbremse zu ziehen: „Verantwortung statt Verschuldung“ ist die Devise. Ich lese: „Die Schuldenpolitik der derzeitigen SPD-geführten NRW-Landesregierung ist vor allem im Blick auf die Zukunft der Kinder zutiefst unmoralisch!“ Auf dem Flyer ist das Wahlplakat abgedruckt. Auf der Rückseite ärgert sich Andrea Verpoorten darüber, dass in den letzten zwei Jahren ständig Gebühren und Steuern stiegen, die Stadt sich aber weiter verschuldete. Eine Zunahme der Verschuldung gab es auch unter allen bisherigen CDU-Regierungen, denke ich.

Das Wetter schlägt um. Die Gewalten sind uns nicht wohl gesonnen, es regnet, stürmt und hagelt sogar. Die zwei Ehrenamtler und ich kämpfen verzweifelt gegen das Unwetter an. Und schon helfe ich mit, den CDU-Schirm vom Davonfliegen abzuhalten und wir drei halten ihn fest.  Eine äußerst ungewohnte Rolle für mich. Ein Auto hält direkt vor uns, und Andrea Verpoorten steigt aus, geht auf den Stand zu und hilft mit. Da sie die Größte von uns allen ist, kann sie den Schirm am effektivsten halten. Kaum legen sich der Hagel, Wind und weggeflatterte Flyer, macht sie sich an die Arbeit. Sie geht auf Passanten zu und spricht sie direkt an: „Guten Tag, ich bin Andrea Verpoorten. Darf ich Sie an die Wahlen am 13. Mai erinnern?“. Manchmal entstehen kurze Gespräche mit den Passanten und Andrea Verpoorten vergisst auch nicht, jedem Informationsmaterial anzubieten. Sie hat bereits vier andere Info-Stände besucht, als sie in Bayenthal ankommt. Als nächste Station wird der Severinskirchplatz angefahren. Dort steht der CDU-Stand in guter Nachbarschaft zu FDP und Linke. Die SPD-Jugendorganisation, die Falken, feiern ein Kinderfest, und die Konkurrentin Nummer eins, Ingrid Hack (SPD) ist auch anwesend – es entsteht ein kurzes, angeregtes Gespräch.
Dann weiter mit der Arbeit: Die Wähler werden direkt angesprochen, Werbegeschenke verteilt und natürlich wieder: Schirm festhalten!

Lernen von Shell

In einem nahe gelegenen Café wärmen wir uns auf und vertiefen das Gespräch. Verpoorten erinnert: „Den Grünen muss man zu Gute halten, dass sie uns in den 80er Jahren das Thema Umwelt bewusst gemacht haben. Und heute zeigen uns die Piraten, wie wichtig Transparenz ist.“ Und dann erzählt sie von sich. Dass sie immer gerne nah am Bürger ist. Dass sie deshalb schon 2010 Hausbesuche gemacht habe und auch dieses Mal wieder 3.000 Haushalte in ihrem Wahlkreis besuchen will.  Sie klingelt wahllos bei den Bürgern, verteilt Informationsmaterial und einen Fragebogen. “ Ich möchte wissen, was die Bürger bewegt“, sagt sie, denn sie sei „eine überzeugte Kämpferin für den Kölner Süden“.

Ein Politiker kann nur das ändern, worüber er etwas weiß, findet Frau Verpoorten. Beispiel Godorfer Hafen. Dort wird das Verfahren jetzt wieder aufgerollt, es geht um eine Pipeline. Zuerst war eine überirdische Pipeline geplant. Shell hat die ansässigen Bürger befragt. Die haben sich gegen die überirdische Pipeline ausgesprochen. Nun soll die Pipeline unterirdisch unter dem Rhein gebaut werden. „Die Verfahrensweise von Shell halte ich für vorbildlich im Sinne der Bürgerbeteiligung“, sagt sie.
Andrea Verpoorten bei Hausbesuche in der Kölner Südstadt.

Medienpolitik und Straßenstrich

Was hat Andrea Verpoorten für unseren Wahlbezirk getan, seitdem sie im Landtag sitzt? Sie hat sich zum Beispiel für die Belange der Frauen vom Straßenstrich Brühler Landstraße eingesetzt. Sie war eine der maßgeblichen Kräfte, die die Erweiterung des Sperrbezirks und die Einrichtung von Arbeitswohnwagen für die Prostituierten durchgesetzt haben. „Die Frauen müssen geschützt werden und in Ruhe arbeiten können“, argumentiert sie, die CDU-Frau. Andrea Verpoorten wurde erst kürzlich von der CDU-Landtagsfraktion zur medienpolitischen Sprecherin ernannt. Seitdem hat sie mit der Überarbeitung des Rundfunkstaatsvertrags zu tun.

Mehr Gymnasien, mehr Kitaplätze

Wie sind ihre Standpunkte zu den großen Landesthemen? Beispiel Kinderbetreuung. Mit 16.000 U-3-Plätzen ist sie nicht zufrieden. Die Stadt Köln agiere mit falschen Zahlen, behauptet sie. Das merke man im Kölner Süden auch an der Situation in Kindergärten und an den Schulen: „Das ist ein Zuzugsgebiet hier, und in der Regel sind beide Elternteile ganztags berufstätig. Wir brauchen mehr Betreuungsplätze“, fordert sie. Vom von der CSU geforderten Betreuungsgeld für Eltern, die ihre Kinder nicht in die KiTa geben wollen, hält sie wenig. „Ich diskutiere das Betreuungsgeld so lange nicht, bis genügend Betreuungsplätze geschaffen worden sind“, so ihre Position.

Was sagt Frau Verpoorten zu der Einführung des beitragsfreien 3. Kindergartenjahres und zur Abschaffung der Studiengebühren? Beides wurde von der SPD durchgesetzt. Werden diese Erleichterungen für unseren Geldbeutel wieder zurückgenommen, wenn die CDU gewinnt? „Nein. Die Landes-CDU hat das beitragsfreie 3. Kindergartenjahr in ihr Programm aufgenommen. Ich unterstütze das und setze mich dafür ein.“ Die Studiengebühren werden nicht wieder eingeführt, versichert sie, obwohl sie 2011 gegen die Abschaffung abgestimmt hat. (Siehe Info-Box zu ihrem Abstimmverhalten) „Ich bin glücklich, dass wir gemeinsam mit der Landesrergierung einen Schulkonsens erreichen konnten und damit die Einheitsschule vom Tisch ist. So besteht endlich Rechtssicherheit, Verlässlichkeit und Wahlfreiheit für Schüler und Eltern. Das entspricht auch meinem Freiheitsverständnis.

Ein klares Ja zum Gymnasium ist aber schon zu hören. In der Rondorfer Gegend und in Rodenkirchen fordern die Eltern noch Gymnasien, sagt sie. „Ich reagiere auf die Forderungen der Eltern“. Den Plänen der Stadt, auf den Gelände der Dombrauerei-Brache in Köln-Bayenthal eine Gesamtschule zu errichten, steht sie allerdings nicht ablehnend gegenüber: „Ich würde mich freuen, wenn neben Wohnraum und Büros auch eine weiterführende Schule ihren Platz auf dem Gelände der ehemaligen Dom-Brauerei finden würde. Wir boomen ja hier.“

Wie sieht es mit Inklusion aus? „Inklusion ist wichtig. Und ich unterstütze, wo ich kann. Eine Elterninitiative in Rodenkirchen will zum Beispiel eine inklusive weiterführende Schule gründen, hat aber noch kein Gelände dafür.“  Andrea Verpoorten: „Ich habe ihnen versichert, zu helfen, wo ich kann.“ Auch die integrative Grundschule Ernst-Moritz-Arndt (EMA) in Rodenkirchen kennt Verpoorten. Ich spreche sie auf die integrative Waldorfschule in der Südstadt an. Nie gehört. Eindeutig ist Rodenkirchen ihr Kosmos, denke ich.

Sie will, dass Meschenich besser ans Verkehrsnetz angebunden ist, und damit meint sie den öffentlichen Nahverkehr. Für die Südstadt und Bayenthal hat sie allerdings auch ein paar Ideen. Geht es nach Andrea Verpoorten, dann soll die Rheinuferstraße untertunnelt werden. Der Grüngürtel soll erweitert werden, und auf dem Gelände des Großmarkts soll die Bundesgartenschau stattfinden. Bei alledem will sie mehr Fördergelder nach Köln fließen lassen: „Nicht immer nur ins Ruhrgebiet, Frau Kraft!“

Info-Box
Abstimmungsverhalten von Andrea Verpoorten, CDU

Haushalt 2012 – Nein (14.03.2012)
Diätenerhöhung – Ja (08.02.2012)
Unterstützung der kommunalen Haushaltskonsolidierung – Nein (08.12.2011)
Restrukturierungsplan WestLB – Nein (30.06.2011)
Abschaffung der Studiengebühren – Nein (24.02.2011)

Fragen von Bürgern an sie persönlich über www.abgeordnetenwatch.de beantwortet sie selten direkt. Oft gibt es gar keine Antwort oder eine Einladung zu einem persönlichen Gespräch in ihr Büro in Rodenkirchen.

 

 

Weitere Link zum Thema Rheinufer Straße:

 „Ein Tunnel für das Rheinufer?“

Weitere Artikel aus der Serie „Landtagswahl NRW 2012“

Landtagskandidaten im Interview

Fluch der Karibik oder Alternative für Köln? Die Piraten!

TAZ in der Südstadt

„Bildung, Bildung, Bildung“: Wie Ingrid Hack gegen Andrea Verpoorten gewinnen will.

 

 

Text: Aslı Güleryüz

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