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Kultur

Südstadt Wanderer, Bert Brune.

Freitag, 29. Juni 2012 | Text: Sonja Alexa Schmitz | Bild: Tamara Soliz

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Wir sitzen in der Fonda, haben den Kaffee noch nicht auf dem Tisch, da höre ich bereits die erste kleine Geschichte: „Ich war eben in der Severinskirche. Da gibt es ein Buch, in das man seine Fürbitten und Wünsche reinschreiben kann. Eine kindliche Handschrift schrieb da: „Lieber Gott mach das ich in Wiso eine 3 bekomm!“

Bert Brune, 69 Jahre alt, wird von seinem Verleger  der „Kölner Stadtwanderer“ genannt. Ich finde, nicht das Wandern steht im Vordergrund, sondern das Hinschauen und Hinhören. Jeden Tag fährt er von Rodenkirchen, seinem Wohnort, in die Südstadt, trinkt Kaffee in Susi´s Caffé Bar, in der Bäckerei Merzenich steht er am Stehtisch und schaut und schreibt. Kleine Gedichte, die heißen „Helden der Südstadt“ oder „Die Schüchterne“.

Seinerzeit konnte man den gutmütigen Fritz
Im Merzenich antreffen
Häufig begleitet von Paul
Dem gewesenen Psychologen
Auch Werner stand hier
Und trank seinen Kaffee
Bevor er zum Job fuhr

…nur ich
 so scheint es
habe die Stellung gehalten
 zwischen fremden Leuten stehend verwahre ich ihr Andenken.

Leicht melancholisch wirken seine Gedichte, manchmal auch mit feinem Witz, oder freundlicher Anklage. Roland Reischl, sein Verleger, schreibt im Vorwort zu seinem Buch „Eine Runde um den Block“: „Monologe oder gar Weltverbesserwisserei hat Brune dabei nicht nötig – und doch erzählt er weder gleichgültig und keineswegs ohne Moral.“

 

Seit 30 Jahren be-schreibt Brune nun schon die (Süd-)Stadt. Gebürtig ist er aus Büren bei Paderborn, kam zum Studieren nach Köln (Deutsch und Geschichte) und arbeitete als Lehrer am Gymnasium in Porz. Irgendwann hat er das sichere Einkommen aufgegeben gegen seine Freiheit und seine Freude daran, nur noch zu schreiben, zu malen und ein bisschen Musik zu machen. Er war damals viel in Kneipen (Chlodwigeck und Ubierding). Umgeben von Malern und anderen Künstlern. Sie machten ihm ein anderes Leben vor: Drei Tage irgendeinen Job, die restliche Zeit kann man sich der Muße widmen. “Und eines Tages, als ich im Niehler Hafen jobbte und tief gefrorenen Tintenfisch auspackte, da fiel der Groschen. ,Du dicker toter Fisch‘, sagte ich zu dem Tier, das ich gerade in der Hand hatte, ,du bist duch die Meere geschwommen, warst frei, hast dich wohlgefühlt, hast getan, wozu du Lust hattest. Sicher, einmal erwischt es jeden. Aber bis es soweit ist: leben, sich nicht mit Nebensächlichkeiten abgeben, das tun, was man wirklich möchte…‘ und als ich das gesagt hatte, ließ ich den Fisch einfach fallen. Sein langen Arme begannen sich zu bewegen, so gerührt war er…”

Von 1977 bis 2000 wohnte Bert mit einem Freund in der Maternusstrasse, aber dann wurde die Südstadt zu teuer und nun lebt er mit seiner Frau, die er seit 30 Jahren kennt und vor zwei Jahren heiratete, an der kölschen Riviera.

„das tun, was man wirklich möchte…“ wie „Im Café“, Aquarell von Bert Brune.

 

Am Sonntag, wenn die Caffè Bar geschlossen hat, im Merzenich nicht die schöne Werktagsstimmung der Rentner beim Käsebrötchen-Kaffee herrscht und die Südstadt eher festtäglich verschlafen, statt alltäglich schwirrend ist, dann geht Bert Brune raus in die Natur. „Hatte ich erwähnt, dass wir immer erst sonntags am Frühstückstisch auf die Karte gucken? Dass die Suche nach einem Ausflugsziel ein Höhepunkt der Woche ist? Die Erwartung, ins Grüne zu kommen? Und dann die Freude, wenn man Ecken findet, an denen man noch nie oder lange nicht mehr gewesen war?“  So steht es in „Rheinwärts“, Bert Brunes Buch von Sonntags-Spaziergangs-Geschichten. Vom Kölner Süden bis ins Siebengebirge.
Manchmal organisiert Brune einen Spaziergang in Verbindung mit kleinen Lesungen an verschiedenen Orten. Auf einem großen Spaziergang vor den Toren Kölns, oder innerhalb der Südstadt. Zum Beispiel vom Vringstreff über den Severinskirchplatz zur Bottmühle, zur ehemaligen Werkschule, immer mit bezugnehmenden Texten.

„Man gibt immer sehr viel von sich selbst preis“, klagen wir beide, der Stadtwanderer und ich, wenn es darum geht, Geschichten, die man erlebt, zu veröffentlichen. Bert macht mir Mut: „Was du empfindest, empfinden alle! Du sprichst möglicherweise das aus, was andere auch fühlen, aber nicht benennen können. Und machst vielleicht Mut damit.“ Er selbst hat gerade ein Buch geschrieben, in dem mehr Bert Brune und weniger die Welt um ihn herum zu finden ist. „Die Haut“ heißt es, und drinnen ist viel von der Beziehung zwischen Mann und Frau die Rede, von junger Liebe und alternder Liebe. Damit er seine Nächsten, vor allem seine Frau, schützt, hat er andere Personen erfunden. Aus Bert wird Fred. Er wünscht sich nun einen Verlag dafür zu finden.

„Warum immer nur Südstadt? Du hast doch auch mal in Dellbrück gelebt und in Nippes. Wie kommt es, dass du deine Geschichten immer in der Südstadt suchst? Ist die Südstadt so anders?“ „Ja, vor allem durch die Café-Szene. Das ist hier speziell. Hier sind so viele Orte, die sind wie dein Wohnzimmer. Ich kenne hier Menschen seit vielen Jahren, und ich war noch nie bei denen zuhause, weil wir immer  im Café zusammenkommen.“
Bert rührt in seinem Kaffee, eine einfache Tasse Kaffee.  „Hier kostet er einsneunzig,“  weiß er, „in der Caffè Bar und im Merzenich nur einsfünfzig.“ Das kenne ich gut. Preise vergleichen, aber nicht mit Griesgram, sondern mehr wie ein Hobby, ein Sich-Freuen an guten Dingen, die man für wenig Geld haben kann. „Früher gab es bei Merzenich immer Reisbrötchen. Die waren toll. Ganz schwer, nicht teuer,  und die hielten lange satt.“
Die Südstadt ist teuer. Als Künstler…
Ich denke an unser Gentrifizierungsthema bei „Meine Südstadt“ und frage ihn, wie er das empfindet. Macht die Südstadt nicht mehr so viel Spaß? „Ach nein, so sehe ich das nicht. Damals waren wir eben noch jung, und heute sind andere jung. Wir sind einfach abgelöst worden. Da verfällt man eben gerne in Nostalgie. Aber da wird auch viel verherrlicht. So rosig war das damals nicht. Da waren schwierige Typen unterwegs, viele gescheiterte Existenzen, viel Alkohol.“

 „Wie ist das mit deiner Frau, teilt sie deine Leidenschaft für das Beobachten?“ „Sie hat noch nie was gelesen von mir.“ Meine Augen werden groß. „Aber wir verstehen uns gut,“ versichert er mir, „ich erzähle ihr das, was ich gesehen habe. Dann braucht sie es nicht mehr zu lesen.“

Bert´s Geschichten kann man auch im Blog auf den Seiten des Verlages finden. Meine Lieblingsgeschichte ist die, in der Bert Brune den Fährmann Heiko am Rheinufer trifft. Von ihm lernt er, dass Vögel zwei Gehirne haben, eine Überfahrt drei Euro kostet und das Leben eines Fährmanns einsam, aber beglückend sein kann. Ich lese die erste Geschichte aus „Eine Runde um den Block“ (Alltagsgeschichten aus Köln von 1977 bis heute). „Künstler werden ist nicht schwer“ behauptet Bert da, und erzählt, wie er eines Tages, in seine Bank ging, und der Bankangestellte ihn zurechtweist, weil sein Kontostand einen Minusbetrag von 936 Euro aufweist.
Ich denke an unsere Problematik, des Wieviel-gebe-ich-als-Autor-von-mir-preis?
Und ich finde für mich die Antwort: Wer ehrlich ist kann eigentlich nur gewinnen.
Bert hat in mir einen neuen Fan gewonnen. Er macht (Lebens-) Freude und Lust auf einen eineurofünfzig-Kaffee am Stehtisch und das Sich-Verlieren im wohlgesonnenen Beobachten.

 

Wer einen Lese-Spaziergang mit Bert einmal buchen möchte, der kann gerne bei dem Stadtwanderer anfragen – bertbrune@yahoo.de.

Text: Sonja Alexa Schmitz

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