Aufgeschnappt: Buchvorstellung von ArchivKomplex +++ 38. Dauerlauf im Severinsviertel – Anmeldung bis 22. April 23 +++ Maja Lunde in der Comedia +++
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Bilder aus mehr als drei Jahrzehnten tropischem Sozialismus
Ja, natürlich stimmt es, dass Cuba ein gut strukturiertes Gesundheits- und Bildungssystem hat, und all das gratis. Und ja, es stimmt auch, dass das Land seit 4 Jahrzehnten unter dem Embargo der USA leidet. Aber erklärt das alle Missstände im Land? Nein, denn es stimmt eben auch, dass viele Probleme des Landes hausgemacht sind. Die Cubaner sprechen daher von zwei Embargos, dem vom Washington verfügten und dem internen, weil die eigene Regierung sich unter anderem so schwer damit tut, die Produktivkräfte der Privatwirtschaft endlich zu entfesseln. Cuba, …Si, pero no….ein Land voller Widersprüche.
Seit über 30 Jahren dokumentiere ich die cubanische Revolution mit meiner Kamera, aber diese Fotos der Revolution des Fidel Castro entstanden in 6 grundsätzlich verschiedenen Ländern.
Das erste Cuba, das ich kennenlernte, war das Cuba Ende der Achtziger Jahre. Es war die Zeit vor der großen Implosion der Sowjetunion, die Cuba seit den 60ern kräftig subventionierte, und in Cuba hatten Löhne und Gehälter noch einen Wert, man konnte sich ein Essen in einem guten Restaurant leisten, und auf das Bezugsscheinheft, die Libreta, gab es günstig Lebensmittel, Kleidung, Zigarren und sogar Rum.
Dann lernte ich das zweite Cuba kennen, Anfang der 90er. Die Schockwellen des auseinanderfallenden Kommunismus in Europa brachen über Cuba ein, bis zu 18 Stunden Stromabschaltungen wurden zum fast unerträglichen Alltag und Fidel Castro rief die Periodo Especial aus, die „Sonderperiode“, nichts ging mehr.
In einem verzweifelten Versuch, zu retten, was zu retten war, verkündete Castro 1993 persönlich dann seinem Volk die bittere Maßnahme, die das dritte Cuba einleiten sollten: die Freigabe des bis dahin verbotenen und verhassten US Dollars, was aber trotz allem nicht genug war, um den massenhaften Exodus von 1994 zu verhindern, bei dem über 35.000 Cubaner auf selbstgebauten Flössen die Insel verließen. Schließlich jedoch zeigte die „Dollarisierung“ der cubanischen Wirtschaft und die Öffnung für westlichen Tourismus Wirkung, und Ende der 90er stabilisierte sich das Land wieder, die Stromabschaltungen waren Vergangenheit, und Cuba wurde wiederum ein völlig anderes Land, das vierte.
Das fünfte Cuba ist die Zeitenwende des Rückzugs des Revolutionsführers, des Comandante en Jefe. Während einer Rede 2006 erkrankt Fidel schwer, muss kurz darauf alle Regierungsgeschäfte an seinen Bruder Raul delegieren, der dann 2008 endgültig auch neuer Präsident Cubas wird. Dieser leitet still revolutionäres ein, man spricht mit Washington, die Botschaften werden wieder eröffnet, und 2016 besucht Barack Obama als erster US Präsident Cuba. Kurz danach spielten die Rolling Stones gratis vor Hunderttausenden in Havanna, Hollywood drehte eine neue Folge von Fast & Furious und Lagerfeld stellte seine neue Chanel Kollektion vor.
Doch gerade, als alle dachten, dass Cuba nun endlich ein normales Land wird, mit vernünftigen Beziehungen zum großen Nachbarn im Norden, kam Trump, überflutete die Insel mit neuen Embargo Restriktionen, dann auch noch Corona, und das Ausbleiben des so lebenswichtigen Tourismus war nur eine der gravierenden Folgen. 2018 wurde dann mit Miguel Diaz Canel das erste Staatsoberhaupt gewählt, das nicht den Namen Castro trägt. Er verfügte eine gewaltige Währungsreform, doch das Land leidet extrem unter den Folgen der beiden Embargos und Corona, und niemand weiß, wie es weitergehen soll, die Krise nimmt erneut historische Maße an, Hunderttausende haben in den letzten Monaten das Land verlassen. Quo Vadis Cuba, wohin des Weges? Wir befinden uns im sechsten Cuba.
-Sven Creutzmann-
Ausstellungsdauer: 28.8.-9.10.2022