Aufgeschnappt: Buchvorstellung von ArchivKomplex +++ 38. Dauerlauf im Severinsviertel – Anmeldung bis 22. April 23 +++ Maja Lunde in der Comedia +++
Buchpremiere von Yannic Han Biao Federers zweitem Roman Tao (Suhrkamp)! Darin erzählt er von der Spurensuche Taos nach Vater und Großvater, entlang postkolonialer Verwerfungen, in der deutschen Provinz wie im zerrissenen Hongkong von heute. Tao beginnt zu schreiben, um die eigene Geschichte zu ordnen. Im Gespräch mit Tilman Strasser stellt Yannic Han Biao Federer die Frage, wie gemeinsame Erinnerung erzählt werden kann, wem sie gehört – und was sie verspricht.
Tao nannte Miriam mich nur, wenn wir allein waren und nackt oder kurz vor Küssen, die nicht beiläufig waren, sondern bedeutsam und ernst, sonst sagte sie Tobi, wie alle anderen auch, die wenigsten wissen, dass ich eigentlich Tao heiße.
Mitunter erzählen Namen Geschichten – um den Namen des Protagonisten von Yannic Han Biao Federers neuem Roman rankt sich eine Geschichte über Flucht, Verlust und Entfremdung.
Tobi heißt eigentlich Tao, doch seinen chinesischen Namen kennen die wenigsten – nur Miriam nennt ihn manchmal so. Als sie Tao verlässt, reist er mit dem Auto quer durch Europa, um der Trauer über die Trennung zu entkommen. Die Flucht setzt Erinnerungen frei – nicht nur an die gemeinsamen Jahre mit Miriam, sondern auch an den Tod seines Vaters, der vor Jahren in Hongkong verschwand, wo er wiederum der Geschichte des eigenen Vaters nachspürte. Beginnend bei Taos Großvater, der einst von Menschenhändlern nach Indonesien verschleppt worden war, über seinen Vater, den die Diskriminierung der chinesischen Minderheit zur Flucht nach Deutschland zwang, bis hin zu Tao ziehen sich die Wirren eines mehrgenerationellen Traumas. Nun liegt es an Tao, sich auf die Spur seiner Vorfahren zu begeben und schreibend seine eigene Geschichte und die seiner Familie zu ergründen.
Tao erzählt beinahe lakonisch vom Scheitern einer Beziehung und von der Biographie einer Familie, die von Entfremdung und Entwurzelung geprägt ist. Dabei reflektiert Yannic Han Biao Federer zugleich über Identität und Flucht, stellt aktuelle Fragen nach dem Zusammenhang von Erinnerung, Erfahrung und Erzählung: Wem gehört Erfahrung und wie kann man sie sprachlich weitergeben, ohne sie ihrem Eigentümer zu entreißen? Kann das Erzählen die Erinnerung vor dem endgültigen Vergessenwerden bewahren – oder verwandelt es sie in Fiktion?