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Kultur

TintenTrinker suchen Papier(geld)

Montag, 13. November 2017 | Text: Stefan Rahmann | Bild: Stefan Rahmann

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Crowdfunding? Kenne ich, wird mancher sagen. Da sucht jemand Geld für die soundsovielte Etage seines Wolkenkuckucksheims. Ist ja auch oft so. Ganz anders ist die Kampagne, die hier in Rede steht. Kurz gesagt geht es um Folgendes: Man soll Bücher des TintenTrinker Verlags kaufen, die es bereits gibt. Mit dem Erlös wird Verlegerin Julie Cazier Buchprojekte im kommenden Jahr vorfinanzieren.

Ich bin mit Julie im „Verlag“ verabredet. Wenn man weiß, wo das ist, ist es ganz einfach. Alteburger Straße und dann vorm Massimo links in den Hinterhof. Julie teilt sich mit anderen eine Büro-Etage im Erdgeschoss. Einige TintenTrinker-Bücher sind in einem Ständer ausgestellt. Auf den ersten Blick ist klar: Der große Auftritt geht anders, Geld verdienen spielt in diesem Unternehmen nur eine Rolle unter vielen.

 

2014 hat Julie den Verlag gegründet. „Ich möchte die Leser gewinnen durch wunderbare Bilder mit dem Flair moderner, französischer Illustrationskunst, philosophischen Texten, jugendgerechtr Aufbereitung, historischen Stoffen und allem, was ein gutes Kinderbuch ausmacht“, fasst Julie den Anspruch an ihr Verlagsprogramm zusammen. Dass dieser Anspruch erfüllt wird, ist sofort erkennbar.

 

Bereits das erste Buch aus dem TintenTrinker Verlag – „Tagebuch 14/18“ – wurde für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2015 nominiert. Auch über die Grenzen hinaus fiel das Buch auf. Der Preis der deutsch-französischen Kultur- und Kreativwirtschaft in Paris war die Folge. Das Buch erschien 100 Jahre nach Beginn des Ersten Weltkrieges und erzählt die wahren Geschichten von Walter, Nessi, Lucien und René, zwei jungen Deutschen und zwei jungen Franzosen, die den Krieg von 1914 bis 1918 an unterschiedlichen Orten erleben.

 

Die Reihe der historischen „graphic novels“ im TintenTrinker Verlag wird 2017, fünfhundert Jahre nach der Reformation, um ein Buch erweitert: „Gotteskrieger“ lautet der Titel. Das Buch erzählt die Geschichte der Wiedertäufer in Münster, die sich in Folge der Reformation in den 30er Jahren des 16. Jahrhunderts gründeten. Text und genauso die Illustrationen schildern eindrücklich, wie eine ursprünglich friedliche, religiöse Bewegung Schritt für Schritt ein Terror-Regime aufbaut. Beide „graphic novels“ wenden sich an Jugendlich und Erwachsene.

 

Darüber hinaus hat der kleine Südstadt-Verlag französische Kinder-Bilderbücher in deutscher Übersetzung im Programm. Den Preis der deutsch-französischen Kultur- und Kreativwirtschaft erhielten die TintenTrinker zusammen mit dem französischen Schwesterverlag „Éditions Le buveur d’encre“, den praktischerweise Julies Bruder leitet. Das vereinfacht die Verhandlungen über die Lizenzen. „Was illustrierte Bücher für Kinder angeht, ist Frankreich in jeder Beziehung Vorreiter“, sagt Julie, die als Französin seit 30 Jahren in Deutschland lebt: „Man traut den Kindern in Frankreich einfach mehr zu. In Frankreich sind Kindergärten Bildungseinrichtungen. Hier bei uns sind es Betreungseinrichtungen. Insgesamt spielt das Buch in Frankreich eine viel größere Rolle als in Deutschland. Jeder Kindergarten zum Beispiel hat eine Bibliothek.“ Dieser Kultur des anspruchsvolleren Kinderbuchs möchte die Südstadt-Verlegerin in Deutschland auf die Sprünge helfen.

Aber Julie hat ein Problem: „Bei aller Anerkennung unserer bisherigen Arbeit ist es nicht möglich, aus dem laufenden Programm zukünftige Projekte zu finanzieren. Denn während die hohen Produktionskosten sofort anfallen, dauert der Abverkauf der Bücher deutlich länger. Somit ist unser Kapital gebunden: das Geld liegt im Lager in Form bereits gedruckter Bücher.“ Genaue Zahlen bleiben hier außen vor, aber die berühmte alte Frau müsste für die sechsstellige Summe im unteren mittleren Bereich lange stricken. Oder Julie: Bücher verkaufen. Tut sie auch. Auf Kunstmärkten, in Museums-Shops, im Internet. Ja, und auch in Buchläden.

 

Während sie zu etlichen kleinen Geschäften gute Beziehungen pflegt, ist der Kontakt zu den Großen der Branche schwierig. „Die wollen immer nur Neuheiten. Nach einem Jahr ist für die ein Buch alt. Es sei denn, es handelt sich um Klassiker wie die Raupe nimmersatt.“ Und vom Verkaufspreis bleiben dann gerne auch mal 30 bis 40 Prozent in Händlerhänden. Darüber hinaus gibt es für kleine Verlage keinerlei Unterstützung von staatlicher Seite. Auch das ist in Frankreich anders. Und während etwa die deutsche Filmwirtschaft mit staatlichem Geld nicht ganz schlecht gepampert wird, müssen die kleinen Verlage selber sehen, wo sie bleiben. „Nur in den Sonntagsreden der Politiker werden wir Kreativen als unterstützenswert bejubelt. Montags kommt dann aber bei uns kein Geld an“, kritisiert Julie.

Nun also Crowdfunding. Ideen für neue Bücher gibt es reichlich. Ob sie umgesetzt werden, hängt nicht zuletzt davon ab, wieviele Bücher im Rahmen der Kampagne abgesetzt werden. Man hat die Wahl zwischen sehr unterschiedlichen „Danke-Schön-Paketen“. „Jedes Buch, das ihr kauft und lest ist ein kleiner, aber essentieller Beitrag für den Erhalt des TintenTrinker Verlags und somit auch einer unabhängigen und vielfältigen Verlagslandschaft“, wirbt Julie auch um die, die gerade über der Geschenkeliste für Weihnachten brüten.

 

 

Mehr im Netz

Verlag www.tintentrinker.com

Crowdfunding Kampagne

Bücher von Krieg und Frieden über das Buch „Tagebuch 14/18“

Text: Stefan Rahmann

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