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Sport

Torwärtin, Torwartin, Torfrau – das Pokalfinale der Damen

Dienstag, 29. März 2011 | Text: Beate Fechtig | Bild: Lienhard Schulz

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Zum zweiten Mal wurde in Köln das Pokalfinale der Frauen ausgetragen. Frankfurt besiegte Potsdam mit 2:1. Und Fortuna ist Weltmeister. Wir waren (nicht) dabei. Die gute Nachricht zuerst: die Fortuna-Fußballfrauen aus der Südstadt sind Weltmeisterinnen. Jaja. In einer Art Fußball-Rollenspiel wurde im Rahmenprogramm des DFB-Pokalfinales die bald anstehende Frauen-WM quasi „voraus-gespielt.“ Fortuna trat als „Japan“ an und wurde strahlender Sieger. Schlug England, Mexiko und Neuseeland – also Nippes, Fühlingen und Tus Köln rechtsrheinisch – und im Finale auch Spoho Köln alias Australien. Herrlisch.

Das hätten wir gerne live gesehen, genau wie das eigentliche Frauen-Pokalfinale. Aber es gab keine Karten mehr – jedenfalls keine Freikarten. Während bei der Pokal-Premiere  in Köln vor einem Jahr die Südstadt-Freikarten-Weitergabe florierte, blieb das Handy diesmal stumm. Natürlich hätten wir auch Eintritt bezahlt – Frauenfußball ist ja mindestens so gut wie Männerfußball – aber die Sonne schien warm und unsere Jungs hatten eigene Fußballspiele. Aktivsport vor Passivsport. Wir schalteten also wie drei Millionen andere den Fernseher ein und verhalfen der ARD-Übertragung zu einem guten 18,5-Prozent Marktanteil. Wobei wir das Finale per Rekorder zeitversetzt sahen,  sehgewohnt zur Sportschauzeit.

Wie jeden Samstagabend sitzt die Familie also erwartungsfroh auf der Couch. „Wer spielt denn?“, will mein Sohn wissen. „Rot gegen Blau“, klärt Papa auf und liest aus der Zeitung vor: „1.FFC Frankfurt gegen Turbine Potsdam. Das sind die besten deutschen Teams momentan.“ Stimmt. Potsdam ist Deutscher Meister und der einzige Ostklub, der im Fußball nach der Wende überhaupt Titel gewonnen hat, Männerfußball miteingeschlossen. Und Frankfurt ist Pokalsieger. Aber das wussten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Mein Sohn legt sich jetzt hin. „Die Torwärtin ist richtig gut“. „Das heißt Torwartin“, verbessere ich. „Torfrau“. Mein Freund muss immer alles besser wissen. Das Spiel ist ein bisschen öde. Frau Prinz vergibt eine Hundertprozentige, besser gesagt, Anna Sarholz im Potsdamer Tor hält. Die Torwärtin-Torfrau-Sprachregelung wird abermals diskutiert.

„Warum pfeift Bibiana Steinhaus nicht?“, will mein Freund wissen. Steinhaus ist die einzige Schiedsrichterin im Männer-Profifußball – und damit natürlich auch die Beste. Hätte sie gepfiffen und nicht Christina Jaworek, das Finale wäre anders ausgegangen, aber dazu später. Mein Sohn schläft jetzt fast, wird aber wieder wach, als das 1:0 fällt. Nach einem Fehltritt der  Potsdamer  Abwehr schießt Svenja Huth für Frankfurt die Führung. Die Stimmung bei uns Zuschauern ist auf dem Siedepunkt. Wobei wie üblich beim Frauenfußball vor allem die spezielle Unfähigkeit weiblicher Abwehrspieler diskutiert wird. ARD-Kommentator Bernd Schmelzer schließt sich an und moniert den „Katastrophenfehler“. Von wem genau, das kann er nicht sagen, denn dem Ski-Fachmann scheinen die Spielerinnen-Namen nicht geläufig zu sein. Immerhin nennt er keine hier Maria Riesch und Birgit Prinz hat er vorhin auch erkannt. Mehr kann man nicht verlangen. „Ich schlafe jetzt mal, weckt mich zum Männer-Länderspiel“, sagt mein Sohn.

Wir halten ihn noch kurz mit einer Dikussion über die Schuhmode wach, Fußball-Ausrüstung ist ein Top-Thema bei Jungs. „Schau mal“, sagt mein Freund, „die haben Frauen-Fußballschuhe an.“ „Woran sieht man das?“, will ich wissen. „Die sind eben bunter und mit Strasssteinen besetzt und so:“ Mein Sohn hofft jetzt auf Großaufnahmen, um die Schuh-Details besser inspizieren zu können. Ich hoffe auf weitere Tore. Das 1:1 fällt in der 43. Minute, Kollege Schmelzer freut sich unbändig. Gerade der Japanerin Nagasato hat er es so gegönnt – bei all dem Unglück in der Heimat. Zu dieser Gelegenheit möchte ich noch einmal erwähnen, dass die Fortuna-Frauen als Japanerinnen gelabelt im Nebenbei-Programm Weltmeisterinnen wurden – siehe oben.. Schöner kann die Südstadt-Japan-Solidarität nicht sein.

Halbzeit, mein Sohn schläft. Mein Freund möchte über die Zwischen-Analyse hinwegspulen, das kann man beim zeitversetzten Fernsehen, aber ich protestiere. Sehe also die unvermeidliche Nia Künzer im Interview. Künzer hat beim ersten WM -Titelgewinn 2003 der deutschen Frauen im Finale das Golden Goal geschossen – und wird seither von allen Fernsehsendern hofiert. Davor und danach sind mir keine nennenswerten sportlichen Leistungen der Dame bekannt. Aber sie ist sehr schön blond. Lieber hätte ich Nationaltrainerin Silvia Neid, auch blond, gesehen und gehört, aber Frau Neid spricht heute nicht. Drei Monate vor der WM im eigenen Land, einem versprochenen Sommermärchen zwei, verweigert sie zur Primetime ein Fernseh-Interview. Sehr professionell, bitte bei Jogi Löw zum Medientraining anheuern!

Gleich nach dem Wechsel schießt Frankfurt das 2:1. Kerstin Garefrekes staubt ab, Torfrau Sarholz rettet ein bisschen spät – Tor oder nicht? Ich erwarte die übliche Diskussion über die Notwendigkeit eines Chips im Ball, aber weder der Kommentator noch mein Freund sind dazu aufgelegt. Der ARD-Mann findet den Fall klar, mein Freund hat andere Sorgen: „Das Männer-Länderspiel gegen Kasachstan fängt in fünf Minuten an.“ Kasachstan belegt in der EM-Qualifikationsgruppe abgeschlagen den letzten Platz mit null Punkten, Deutschland ist als Tabellenführer quasi qualifiziert. Wir erwarten ein Schocker-Spiel.

Ich eröffne zur Ablenkung vom Zeitproblem eine Torwartin-Torfrau-Diskussion, die mein Arbeitskollege aufgebracht hat. Er meint, dass Frauenfußball deshalb öde sei, weil keine Torfrau bis in die Ecke hüpfen kann. „Aber die hier“, sagt mein Freund und meint Nationaltorfrau Nadine Angerer, „die ist doch richtig gut.“ Im selben Augenblick segelt die Frankfurterin Angerer peinlich  an einer hohen Hereingabe vorbei – Tor für Potsdam. 2:2. Ich sehe meinen Kollegen vor meinem geistigen Augen in Hohngelächter ausbrechen. Das Tor gilt nicht, Schiri-Frau Jaworek hat ein Foul im Fünfmeterraum gesehen. Ich nicht. Nadine Angerer auch nicht: „Dazu schweige ich lieber“, sagt sie nach dem Spiel. Ich finde es jetzt richtig spannend, immerhin spielen insgesamt elf Nationalspielerinnen mit – da schaltet mein Freund um. „Nur mal kurz“, sagt er. Mein Sohn wacht augenblicklich auf, ich fühle eine bleierne Müdigkeit in mir aufsteigen.„Guck mal, Papa“, sagt mein Sohn, „der eine da hat auch die bunten Schuhe an. Das  sind überhaupt keine Frauen-Schuhe“. Er ist halt schlau, der Kleine.
 

„Doch, klar, die sind bei den Frauen einfach schmaler geschnitten, das ist der Unterschied“. Mein Freund weiß immer alles besser. Männer-Deutschland führt schon 1:0 durch ein Klose-Tor –  und jetzt schießt Thomas Müller das 2:0. Das Thema Frauenfußball ist für heute erledigt.

 

Beate Fechtig

Die Autorin ist Journalistin, Autorin des Buches „Frauen und Fussball“ (1995) und lebt seit vielen Jahren in Bayenthal.

Text: Beate Fechtig

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