Tragödie ohne Ende – Gedenkfeier zum 9. Jahresgedenken an den Archiveinsturz
Montag, 5. März 2018 | Text: Antje Kosubek
Geschätzte Lesezeit: 2 Minuten
Es ist kalt und zugig am Waidmarkt. An manchen Straßenrändern lag sogar noch Schnee. Auf Initiative von „Archivkomplex“ und „Köln kann auch anders“ hatten sich am Samstag Mittag kurz vor 13 Uhr etwa hundert Menschen versammelt, um neun Jahre nach dem Archiv-Einsturz am Waidmarkt der Todesopfer zu gedenken.
Sie seien „Opfer einer Tragödie geworden“ so Oberbürgermeisterin Henriette Reker in ihrer Ansprache. An den Bauzäunen vor der Einsturzstelle hängen zwei Kränze mit weißen Rosen und Banderolen mit den Namen der Todesopfer – Khalil und Kevin. Beim Einsturz des größten deutschen Kommunalarchivs waren am 3. März 2009 zwei Menschen ums Leben gekommen, zudem entstand ein Milliardenschaden.
Wunde erhalten
Der Publizist und Kabarettist Martin Stankowski moderierte die Gedenkveranstaltung. Auf seine Frage hin, was sie sich zukünftig für diesen Ort wünschten, antworteten die Schüler des gegenüber der Einsturzstelle liegenden Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums, Kilian Bachem und Johannes Schimohr, sie wollten die Einsturzstelle als „offene Wunde“ erhalten. Damit diese Katastrophe nicht in Vergessenheit gerate. „Ein mutiger Vorstoß“ so Günter Otten vom „Archiv-Komplex“. Die Initiative nahm den Jahrestag zum Anlass, um einen neuen Impuls zu setzen. Wie viele Kölner Bürgerinnen und Bürger sind ihre Mitglieder enttäuscht von den immer noch andauernden Verzögerungen in der Ursachenklärung und den knapp ein Jahr vor Verjährung erst gestarteten Prozess gegen mehrere Angeklagte in Sachen Einsturzursache. Und dass der U-Bahn-Bau wohl erst 2026 fertig wird. Die Idee der Initiative „Archivkomplex“ ist, mit „K3 – Kunst, Kultur und Kommunikation“ einen bisher ungenutzten, unterirdischen Raum im Bauwerk der KVB, der zugeschüttet werden soll, zu öffnen.
Darüber hinaus soll für das Georgsviertel (obere Severinstraße, Waidmarkt und Georgsplatz) eine räumliche Gestaltung entwickelt werden, die das Gedenken an die dramatischen Ereignisse und den Tod der Menschen einschließt. Ganz nach dem Vorbild aus Düsseldorf „KIT – Kunst im Tunnel“. Dort wurde ein unterirdischen Raum entwickelt, der beim Bau des Düsseldorfers Rheinufertunnels entstand, und nun seit 2007 für Ausstellungen genutzt wird.
Günter Otten: „Wir wollen erinnern, aber auch auf positive Signale und Entwicklungen setzen. Unsere Idee vom Kunstraum K3 soll dazu in eine offene Diskussion gehen. Der Kunstraum könnte in Kooperation mit den benachbarten Schulen oder der Kunsthochschule für Medien bespielt werden. Dazu hatten wir auch schon Gespräche mit den KVB, die der Idee wohlwollend gegenüberstehen. Letztlich wird es immer auch eine Frage der Finanzierung sein.“
Hier geht es um den oberen Raum des Gleiswechselsbauwerkes, das die KVB für die Nord-Süd-U-Bahn bauen. Die U-Bahn-Gleise verlaufen in 25 Metern Tiefe unter der Severinstraße, weit unter dem heute sichtbaren Raum. Dieser Raum hat laut der Initiative Stadtarchiv keine Funktion. Nach den ursprünglichen Planungen sollte er nach Abschluss der Arbeiten „verfüllt“ und die Severinstraße darüber neu asphaltiert werden.
Günter Otten: „Sollte der Raum als Kunstraum genutzt werden, müsste das jetzt in den Planungen zu Ausbau, Zugängen, Belüftung und Licht berücksichtigt werden.“
Pünktliche Andacht
Um Punkt 13.58 Uhr, genau neun Jahre nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchives, ertönten die Glocken der drei benachbarten Kirchen. Alle Anwesenden gedachten mit einer Schweigeminute der Menschen, die bei diesem Unglück ums Leben gekommen waren.
Ein wahrer Gänsehautmoment, als „Trööt op Jöck“ zum Trauermarsch von Frédéric Chopin anstimmte. Zu den offenen Wunden sind noch viele Fragen hinzugekommen.
Derzeit läuft der auf mehr als 100 Verhandlungstermine angesetzte Prozess um den Einsturz des Kölner Stadtarchivs. Vor dem Kölner Landgericht sind fünf Mitarbeiter von Baufirmen und Verkehrsbetrieben wegen fahrlässiger Tötung und Baugefährdung angeklagt. Am 2. März 2019 endet die Zehnjahresfrist für den Fall. Sollte es bis dahin kein erstinstanzliches Urteil geben, wäre die juristische Schuld für den Einsturz verjährt.
Martin Stankowsi verfolgt dagegen noch eine andere These: „Frühestens 18 Jahre nach dem Einsturz wird es hier erst wieder ein „normales“ Leben geben – also 2027.“
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