Universelle Harmonie
Dienstag, 22. August 2023 | Text: Elke Tonscheidt
Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten
Wer würde vermuten, dass einer der bekanntesten Barockgeiger seiner Generation mitten in der Südstadt wohnt? Zusammen mit seiner Frau, der wundervollen Mónica Waisman, gründete Florian Deuter 2003 das Ensemble Harmonie Universelle.
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Severinstorburg – Tor zum VringsveedelDritte Mitbewohnerin ist „Diva“ Sophie, die norwegische Waldkatze. Das Trio lebt seit 19 Jahren im Zugweg, mit Blick auf Innenhof und Spielplatz – und fühlen sich dort pudelwohl.
Vieles gibt es aus einem erfolgreichen Musikerleben zu berichten. Sind es gleich zwei Top-Musiker, die ihr Leben gemeinsam bestreiten, ist die Fülle perfekt.
Zwei Südstädter und die Normandie
Der Anlass, aus dem ich in Mónicas und Florians „prallvolle Küche“ ihrer Künstler*innenwohnung eingeladen wurde, ist ein großer: 20 Jahre besteht das als grandios beschriebene Ensemble nun. Schon zum 10jährigen Bestehen ist das Lob der Presse überschwänglich. Gefeiert wird 2013 in der Südstadt „die wir sehr lieben“, sagt Mónica, die uns Tee gekocht hat. Ihre Herzlichkeit bestimmt den Raum. Die Barockgeigerin wuchs in Argentinien auf, kam nach ihrem Violinstudium in Ohio/USA über ihre Station am Königlichen Konservatorium in Den Haag und einem Aufenthalt in Paris nach Köln. Zusammen mit Florian, den sie in der Normandie kennengelernt hatte.
Der in Mülheim a.d. Ruhr Geborene hört 1986 in der Kölner Philharmonie ein Konzert, verliebt sich in die Barockgeige. Nach der Aufführung fragt er im Ensemble, was er tun muss, um mitzuspielen, so stark ist sein – und es klappt: Florian wird Mitglied im Musica Antiqua Köln, prägt das Ensemble über viele Jahre.
Bis ein neuer Wunsch wächst: Etwas Eigenes auf die Beine zu stellen und – mit Harmonie Universelle – die Kammermusik und Orchesterliteratur des 17. und 18. Jahrhunderts neu zu entdecken. Da ist Mónica bereits an seiner Seite.
Köln als Stadt der Alten Musik
Mónica und Florian haben, das wusste schon Kölns früherer Oberbürgermeister Jürgen Roters, „maßgeblich zum Ruf Kölns als Stadt der Alten Musik beigetragen“. Zehn Jahre später erst recht. Doch ist das sympathische Paar auf dem Teppich der Tatsachen geblieben, was ich sofort spüre, als ich den langen Flur ihrer Altbauwohnung entlanggehe.
Das gesamte Haus – ein Musikerhaus. „Man trifft sich im Hausflur – und quatscht schonmal gern ne Viertelstunde“, lacht Mónica und Florian ergänzt freudig: „Ich habe noch nie solche tollen Nachbarn gehabt.“ Sogar zurück ins Haus zieht es manche, wissen die zwei und müssen immer noch lächeln darüber, wie sie einst die Wohnung bekommen haben.
„Den Vermieter ein bisschen beeindruckt“
„Wir haben den Vermieter ein bisschen beeindruckt“, erinnert sich Florian, denn als dieser fragt, wer sie denn seien, zeigt er auf einen Zeitungsartikel, den er auf dem Tisch des Vermieters liegen sieht. Mit den Worten: „Das sind wir!“ Abends zuvor hatten er und Mónica live bei der WDR-Nachtmusik gespielt, der Stadt-Anzeiger hatte berichtet. Weitere Bewerbungsunterlagen waren da nicht mehr notwendig…
Beide Musiker haben ein bewegtes Leben hinter sich. „Es war ein Schock“, sagt Mónica, „als ich nach Oberlin ans College ging“. In der Kleinstadt bei Cleveland erlebt die Argentinierin fünf eiskalte Winter, bis sie nach Den Haag wechselt. Der erneute Sprung ins kalte Wasser setzt sich fort: „40 Tage ohne Sonne haben wir gezählt damals“, erzählt sie. „Für eine Argentinierin mehr als deprimierend.“ Aber Mónicas Liebe zur Barockgeige zählt, sie hält durch – kann jedoch später ihre Jahre in Paris und dann Köln ganz anders genießen. „Ich liebe Köln“, sagt sie überzeugt, „auch wenn ich als Lateinamerikanerin anders bin.“
Und Florian? Fühlt sich in Köln ebenfalls durch und durch wohl, „so relaxed“ wie hier sei es anderswo selten. Seine 1. WG bezieht der heute 57jährige „auf‘m Eigelstein“, die 1. Wohnung findet er am Türmchenswall, Nähe Ebertplatz. Die Zeit in Ligurien und Gent hat er als „krasse Reiserei“ in Erinnerung, da ist Florian schon Konzertmeister in gleich drei Ensembles. Später freut er sich über mehr Ruhe in Hürth, bis er wieder aufbricht: Den Haag, Paris, Köln. Auf dem Weg lernt er Mónica kennen „über die Musik in der Normandie“, wohin es den Konzertmeister des französischen Orchesters Les Musiciens du Louvre zieht.
Corona: Auf die Probe gestellt und viel gekocht
Ihre Zeit in Köln genießen Florian und Mónica sehr. Selbst in der oft trostlosen Coronazeit, die gerade Künstler*innen auf eine besonders harte Probe stellt, haben die zwei das Beste aus ihrem Leben gemacht. „Leider“, gibt Florian zu und beugt sich am Küchentisch ein wenig nach hinten, „habe ich seeehr viel gekocht… und gegessen“. Neue Kleidung brauchen männliche Musiker aber meist nicht zu kaufen, stellt er fest: „Wir lassen einfach das Sakko auf!“
Möchten die beiden mir noch etwas sagen zum Abschluss unseres so freundlichen Gesprächs?
Ja, sie sind dankbar darüber, wie stark das Land NRW und die Stadt Köln sie unterstützt haben. „Die haben wirklich viel gemacht“, weiß Florian. Gerade die Mitfinanzierung vom Land war und bleibt auch in den nächsten drei Jahren entscheidend.
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Mainzer Hof – Traditionskneipe für Jung & AltZum Abschied zitiert er noch den ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker – und das, obwohl sich beide als eher unpolitische Menschen outen. Aber was von Weizsäcker da damals gesagt habe, sei so richtig und wichtig. Es lohnt sich, die ganze Rede nachzulesen, doch schon dieses Statement ist für Florian elementar:
„Kultur ist kein Luxus, den wir uns entweder leisten oder nach Belieben auch streichen können, sondern der geistige Boden, der unsere innere Überlebensfähigkeit sichert.“ (Richard von Weizsäcker)
Wer eins der Jubiläumskonzerte von Mónica Waisman und Florian Deuter hören möchte:
Harmonie Universelle geben davon gleich drei anlässlich ihres 20jährigen Bestehens: am 27. August in Köln in der Basilika St. Ursula, vorher in Wuppertal und Mülheim a.d.Ruhr.
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