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Gesellschaft Kultur

Unter der Brücke

Dienstag, 5. April 2016 | Text: Judith Levold | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 2 Minuten

Fünf Jahre lang hat Dokumentarfilmer Christoph Goldbeck den Obdachlosen Wolfgang Kroggel mit einer kleinen Kamera begleitet – Kroggel „wohnte“ unter einer der meistbefahrenen Autobahnen Deutschlands: direkt unter der Rampe zur Zoobrücke, am Zubringer auf die Amsterdamer Straße.

Christoph Goldbeck erzählt von Wolfgangs Leben im Freien und davon, wie er wurde, was er ist. Oder eher: er lässt ihn selbst erzählen. Goldbecks Rolle verschwamm während der Dreharbeiten zusehends: vom reinen Chronisten wurde er zu Ansprechpartner und „Vertrauensperson“. Er übernachtete mit ihm in der Kälte unter der Brücke und wurde sogar von den Ärzten der Klinik angerufen, in deren Psychiatrie Wolfgang zwischenzeitlich gegangen war. Damit fühlte sich der Filmemacher teilweise überfordert, dennoch hat er es schlussendlich geschafft, für Wolfgang eine Wohnung zu finden, in der dieser es eine Weile aushielt.

Gerade hatte der mit Mitteln der Film- und Medienstiftung NRW geförderte Film Premiere im ODEON Kino (03.04.2016). In der anschließenden Diskussion zwischen ZuschauerInnen und Regisseur sowie Akteuren aus der Obdachlosenhilfe kam viel Zuspruch auf: der Film sei gut aufgebaut, begegne seiner Hauptperson auf Augenhöhe und mit viel Respekt und beeindrucke mit Authentizität und Behutsamkeit. Mit uns hat Christoph Goldbeck den letzten Rest des Premieren-Buffets gegessen, ein Bier getrunken und über seine Erfahrungen beim Filmen mit Wolfgang erzählt.

 


„Wolfgang kommt nach Hause / Filmshot

Meine Südstadt: Was hat Dich bewogen, für einen Dok.-Film ein derart deprimierendes Thema zu wählen?
Cristoph Goldbeck: Mit Unangenehmem setzt man sich ja nicht gerne auseinander. Aber ich dachte, ok, einen Moment später könnte ich da liegen, das kann ganz schnell gehen. Für mich war das auch die Neugier an einem Leben, dass ich gar nicht kenne, wo ich aber sehr nah dran bin: es kann jeden treffen. Und dann gab es auch die Idee, nach Auswegen zu suchen, Hilfestellung zu leisten.

Was war Deine wichtigste Erkenntnis beim Drehen in fünf Jahren?
Also bahnbrechend war, zu erleben, dass alles, was ich dachte, was für mich richtig war, nicht so einfach anwendbar war auf Wolfgang. Also bei den Wohnungsbesichtigungen war das ja sehr deutlich: ich dachte, super, eine Wohnung gefunden. Und er kam aber gar nicht damit klar, konnte sich nicht vorstellen, es darin auszuhalten.

Also ist helfen gar nicht so einfach?
Ja, denn die Idee, wie Du jemandem helfen willst, ist ja Deine, passt aber nicht als Schablone auf den anderen. Das habe ich gelernt: dass man seine Konzepte nicht einfach jemandem überstülpen kann.

Was ist denn, zusammengefasst, Deine Botschaft mit dem Film?
Armut bekämpfen! Ich habe immer überlegt, wo der Ansatz ist, diesen Kreislauf, die Fortschreibung von Armut zu durchbrechen. Weil das ja am Beispiel von Wolfgangs Leben, von seinem Werdegang, so deutlich wird: es ist vor allem die emotionale Armut, kombiniert dann mit der finanziellen, in die Du schnell abrutschen kannst. Bei ihm war es glaube ich der Punkt, wo er nach seiner Kindheit aus dem Heim kommt, da war niemand für ihn da. Aber insgesamt ist mir klar geworden: wir müssen zusammenrücken, gerade jetzt, wo auch mit den vielen Flüchtlingen viel Fremdes zu uns kommt, so wie nach ´45, da mussten die Menschen auch zusammenrücken. Wir müssen ´ne Menge geben und uns um unseren Nachbarn wirklich kümmern.

Im Premierenpublikum haben viele hervorgehoben, wie gut ihnen gefallen habe, dass Du Wolfgang so respektvoll begegnet bist. Wie hat sich das entwickelt, hast Du da ganz bewusst agiert?
Ja, also das war für mich Voraussetzung, sonst hätte ich das nicht gemacht. Ich hab mir gesagt, also ich mache den Film nur, wenn ich fähig bin, meine Fresse zu halten und das, was Wolfgang sagt und tut nicht zu bewerten. Das einfach so stehen zu lassen, das hatte ich mir so auferlegt.

Danke für das Gespräch!

 

„Unter der Brücke“, Regie: Christoph Goldbeck, Darsteller. Wolfgang Kroggel, „Elvis“, Dieter Breuer u.a., Köln 2015
Der Film wird im Mai 2016 nochmals zu sehen sein, im ODEON und in der Filmpalette, bitte beachtet die aktuellen Programmankündigungen der Kinos!
 

Text: Judith Levold

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