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Sport

Utopien

Montag, 18. Oktober 2010 | Text: Roger Lenhard | Bild: Ernesto Solis

Geschätzte Lesezeit: eine Minute

Eine halbe Stunde vor Spielbeginn. Noch wenige angespannte Schritte bis zu dem Punkt an dem das Stadioninnere sichtbar wird. Dann ist es soweit. Die Schwelle ist erreicht, an der sich das weite Rund dem Auge offenbart. Das Herz geht auf beim Anblick des gut gefüllten Stadions. Die Spieler der Mannschaften laufen zum Aufwärmen ein. An den Leibchen ist erkennbar, wer zur ersten Elf gehört. Kurz und knapp wird dieses und jenes zum anstehenden Spiel ausgetauscht. Jung und alt, Menschen in Kutten oder bequemer Alltagskleidung. Manche, insbesondere die wohlverdient berenteten Malocher der Zechen und Schwerindustrie, haben sich stolz (alter Arbeiterstolz) in Schale geschmissen. Die Spannung nimmt zu. Noch eine letzte Runde Bier oder ist die Zeit schon zu knapp? Noch wenige Minuten. Das Schalker Vereinslied erklingt, dann das Steigerlied. Die Mannschaften laufen ein. Platzwahl. Anpfiff. Alle Sinne konzentrieren sich nun auf das Spielgeschehen. Es gibt kaum etwas Schöneres. Diese Stadionatmosphäre hat mich als Kind und als Jugendlicher in den Bann gezogen. Und sie bannt mich heute noch, obwohl die Besuche seltener geworden sind und der Fußball sich vom männlichen Prollsport zum Liebling aller entwickelt hat.

 

Es gab jedoch noch eine andere Empfindung, die sich damals wie heute nicht verändert hat: Das Entsetzen und die Angst , wenn Leuchraketen in die Zuschauer abgefeuert wurden oder sich nach dem Spiel Teile der Fans formierten, um sich wilde Schlägereien zu liefern. Das Problem des Hooliganismus ist in die unteren Spielklassen abgesickert, doch mitlerweile werden auch Spieler, Trainer und Vereinslenker immer häufiger Opfer von Pöbeleien und Nötigung. Unter dem Deckmäntelchen des Fanengagemants wird von Ultras Druck auf Zuschauer und Vereinsangestellte ausgeübt bis hin zur Gewaltandrohung oder sogar direkter Gewalt. Viele Vereine nehmen das lange Zeit in Kauf, weil die Fanchoreographien und die Gesangsanimationen im Fersehen beeindrucken. Die Fans im Stadion müssen sich dazu willfährig dem Diktat dieser selbsternannten Dirigenten unterordnen. Ohne mich.

 

Am vergangenen Freitag wurde ein Bollerstein auf den vollbesetzten Vereinsbus von Borussia Dortmund geworfen. Eine Scheibe zerbrach. Menschen wurden nicht verletzt. Das geht gar nicht. Alle Fans, so groß die Rivalität auch sein mag, müssen sich in dem Punkt einig sein: Keine Gewalt! Das ist ein moralisches Muss. Ein moralisches Soll ist es, den- oder diejenigen nicht zu decken. Zwei Dinge sind wichtig: Fußball muss für alle bezahlbar sein (oder ist dieser Punkt bereits  überschritten?) und alle müssen Fußball im Stadion angstfrei erleben können. Es gibt die Utopie von Stadien ohne Zäune. Wir sollten Sie nicht aufgeben. Und es gibt die Rivalität zwischen den Vereinen, die wir auch nicht aufgeben sollten. „Scheiß Dortmund“ – aber bitte keine Gewalt.

 

Glück auf!

Text: Roger Lenhard

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