Vegan satt werden in der Südstadt
Dienstag, 7. August 2018 | Text: hmkw.de
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Michel ist auf einer Mission. Er will vegan satt werden in der Südstadt. Herausgefordert ist er von nichts Geringerem als – dem Weltklima?
„Das klingt mir ein wenig zu überzogen. Aber als ich gehört habe, dass wir ganze drei Planeten bräuchten, wenn sich jeder so ernähren würde, wie wir Deutschen, das hat mich dann schon zum Nachdenken gebracht. Ich will einfach mal ausprobieren, weniger Fleisch zu essen.“ „Grundsätzlich ist Fleisch mein Gemüse“, sagt er scherzhaft und lacht, „aber nach mir die Sintflut ist kein Motto, durch das sich unsere Gesellschaft definieren sollte.“
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Bambule’s Chilistube – Keine Angst vor SchärfeTatsächlich ist die moderne Landwirtschaft ein großes Problem für Umwelt und Klima. Laut des US-Ministeriums für Landwirtschaft (USDA), ist die globale Landwirtschaft, darunter vor allem die Massentierhaltung und Viehfutterproduktion, verantwortlich für 30 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen. Dazu tragen auch die Entwaldungen bei, die Flächen für die Beweidung der Tiere schaffen. Zusätzlich werden von den Tieren Methan und Lachgas ausgestoßen, was jeweils 25-fach und 298-fachklimaschädlicher ist als Kohlendioxid. „Ich muss aber sagen, dass ich mir vegan sein ziemlich schwierig vorstelle“, meint Michel. „Dann muss man ja ständig die Inhaltsstofflisten studieren oder beim Ausgehen immer nachfragen. Und komplett auf Fleisch zu verzichten, das wäre nichts für mich. Es schmeckt einfach zu gut und gehört irgendwo ja auch zur Esskultur. Zum Beispiel beim Grillen mit meinen Kumpels. Außerdem – wird man von Pflanzen allein überhaupt satt?“
Das will Michel heute im Selbsttest herausfinden. In den Tag startet er, bevor es zum Lunch in die Südstadt geht, mit einer Smoothie-Bowl. „Sieht richtig fancy aus. Das wäre einen Instagram-Post wert, hätte ich Food und Lifestyle in meiner Beschreibung stehen“, meint er augenzwinkernd. „Das war wirklich lecker. Nur die Wurst hat beim Topping gefehlt. Nein, Spaß. Ich bin soweit wirklich satt.“
Auf der Suche nach einem veganen Restaurant stößt Michel online schnell auf das „Signor Verde“ – Kölns älteste vegane Gastronomie. Schon seit 2009 ist das Signor Verde „ALL VEGAN“. „Das klingt doch schon einmal ganz gut. Die müssen ja wissen, wie es geht.“ Das Restaurant entspricht auch von der Inneneinrichtung her nicht dem modernen Hipstertum, das vielleicht ein voreilig Urteilender von Etablissements mit veganer Kulinarik erwarten würde: das mit Kissen gepolsterte Holzmobiliar und die Backsteinwände sind alt – und nicht einfach nur auf alt gemacht. Sie verleihen dem Lokal eine gemütliche, urige Atmosphäre. In die Decke eingelassen sind zwei bunte Glasfenster, die ein angenehmes Licht verstreuen, und an der Theke ist ein sympathisches Maß an Unordnung vorzufinden. Es könnte sich genauso gut um eine traditionell kölsche Kneipe handeln. Statt „Himmel un Ääd“ gibt es hier vegane Suppen, Salaten, Baguettes und Burger bis hin zu Döner – Donnerstag ist traditionell „Dönerstag“. Auch Kaffee (natürlich mit Pflanzenmilch) und Kuchen gibt es.
Fleischloser Burger
Michel entscheidet sich für einen Pilzsalat und einen Burger mit hausgemachtem Patty aus Kichererbsenmehl. „Der Salat ist top, das ist keine Übertreibung. Das Dressing ist auch total lecker. Der Burger schmeckt super – aber man schmeckt natürlich, dass es kein Fleisch ist. Auf jeden Fall ist er ziemlich sättigend, wegen des Burgerpattys.“ Der erste Stop war also schon einmal erfolgreich. Nachdem wir ein wenig in der Südstadt umhergeschlendert sind, ist es auch schon Zeit für Kaffee und Kuchen. „Richtigen Hunger habe ich jetzt auf jeden Fall noch nicht – aber Kuchen geht immer.“ Ganz in der Nähe des Chlodwigplatzes ist das „Ecco“. Es bezeichnet sich selbst als „the place to be – ein Stückchen „vegane, glutenfreie und fleischhaltige Welt.“ Für jeden Südstädter ist also etwas dabei. Die Einrichtung des Eccos ist schlicht und modern. Am Mittagsbuffet gibt es eine große Auswahl an veganen Gerichten. Viele bunte Salatvariationen und sogar veganes Tomate-Mozzarella. Besonders die große überschirmte Terrasse lädt dazu ein, es sich mit Kaffee und Kuchen gemütlich zu machen. Michel wählt einen Hafer-Latte-Macchiato und ein Stück Schokoladenkuchen.
„Super lecker. Ich kann ehrlich gesagt keinen geschmacklichen Unterschied ausmachen. Nach den zwei Stopps bin ich definitiv satt – irgendwie fühle ich mich sogar leichter und weniger müde, als wenn ich einen Burger mit Fleisch gegessen habe.“ In der Südstadt vegan satt zu werden, ist also keine große Herausforderung. „Man muss eben vorab gezielt nach Restaurants mit veganen Speisen suchen. Dann hat man nicht mehr die Qual der Wahl, aber das ist ja manchmal auch entscheidungsfördernd.“ Einmal das World Wide Web zurate gezogen, lassen sich überall schnell Lokale ausfindig machen, die vegane Gerichte anbieten. Ist Michel jetzt nach dem Südstadttrip vollkommen veganisiert?
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Lutherkirche„Ich muss sagen, dass ich überrascht bin, dass ich satt geworden bin. Geschmeckt hat auch alles. Ich denke aber, es würde mir einfacher fallen, auf Milchprodukte zu verzichten, als auf Fleisch. Joghurt und Milch aus Hafer- oder Soja schmecken meiner Meinung nach super. Aber statt Fleisch nur Fleischalternativen wie Tofu zu essen, kann ich mir nicht vorstellen.“ „Mein Vorsatz nach diesem Trip ist auf jeden Fall, alle Produkte mal auszuprobieren und generell weniger Fleisch zu essen, vielleicht um die zwei Mal pro Woche. Das nennt man dann glaube ich Flexitarier.“ Allein aus gesundheitlichen Gründen empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, maximal 300 bis 600 Gramm Wurst und Fleisch pro Woche zu konsumieren. Erst kürzlich gab das Bundesministerium bekannt, dass Deutschland seine Klimaschutzziele, die Reduktion der Treibhausgase, nicht erfüllen kann. Ein paar mehr experimentierfreudige „Micheläquivalente“ täten der Südstadt, Deutschland und dem Weltklima also ganz gut.
Diese Veröffentlichung entstand in Zusammenarbeit der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft und der Redaktion von meinesuedstadt.de. Text & Bild: Elena Lausberg und Annick Esmée Visser.
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