Vieles im Fluss op der Vringsstroß – Gespräch mit dem IGS-Vorsitzenden
Mittwoch, 5. August 2020 | Text: Stefan Rahmann | Bild: Stefan Rahmann
Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten
Karl-Heinz Walter ist neuer Vorsitzender der Interessengemeinschaft Severinsviertel (IGS). Er ist geborener Südstädter und arbeitet als Referent für Qualitäts- und Energiemanagement. Daneben betreibt er mit einem Partner einen Weinverkaufswagen und gibt Seminare vor allem. für Betriebsräte. Von 2004 bis 2009 und von 2014 bis jetzt war und ist er Mitglied der SPD-Fraktion im Stadtrat. Er tritt zur Wahl im September nicht mehr an und hat auch alle Ämter in der Partei aufgegeben. Die Interessengemeinschaft (IG) Severinsviertel vertritt die Geschäftsleute der Severinstraße und der kleinen Nebenstraßen. Wir haben Karl-Heinz Walter zu einem Bummel über die Severinstraße getroffen. Start war an der Torburg auf dem Chlodwigplatz.
Herr Walter, was denken Sie als erstes, wenn Sie über den Chlodwigplatz gehen?
Der Bus muss weg. Es kommt immer wieder zu gefährlichen Situationen für Fußgänger und Radfahrer. Außerdem fährt der Bus die Platten kaputt, die auf der Ostseite des Platzes verlegt sind. Es ist absolut zumutbar, dass die Buslinien 106 und 132 vor dem Rewe auf der Bonner Straße enden und die Leute mit der Linie 17 bis zur Severinsbrücke fahren. Das wird übrigens auch so sein, wenn die Nord-Süd-Stadtbahn mal durchfährt. Wer direkt zum Heumarkt oder zum Hauptbahnhof will, kann in den Bus 133 umsteigen.
Und wie kommt man dann zum Heumarkt?
Die Lücke schließen wir mit einem Pendelbus von der Haltestelle Severinstraße an der Severinsbrücke bis zum Heumarkt.
Was halten Sie von der Sanierung des Chlodwigplatzes?
Ich finde sie gelungen. Es gibt eine hohe Aufenthaltsqualität. Hier gefällt es mir viel besser als beispielsweise auf dem Rudolfplatz und erst recht auf dem Friesenplatz. Auch die Rundbänke sind gut. Es ist wichtig, dass man sich auf einem solchen Platz aufhalten kann, ohne dass man etwas konsumieren muss.
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SchokoladenmuseumDas ist allerdings nicht immer unproblematisch.
Nichtsesshafte gehören zum Severinsviertel seit langem dazu. Um die Ecke liegt das Johanneshaus, eine wichtige Einrichtung für das Severinsviertel und die ganze Stadt. Wenn von sechs Bänken eine oder zwei von Nichtsesshaften genutzt werden, ist das nicht das große Problem.
Was halten Sie von der WC-Anlage am Severinswall?
Die findet kein Mensch. Und die Hinweis-Beschilderung ist auch sehr klein. Und viele trauen sich abends nicht mehr in diese dunkle Ecke. Ich hätte mir einen Kiosk auf dem Chlodwigplatz gewünscht mit der Auflage, auch ein WC zu betreiben. Beides, Kiosk und WC, gab es übrigens fast immer auf dem Platz im Lauf seiner Geschichte.
Die Fahrradnadeln auf dem Platz und auf der Severinstraße sind immer besetzt.
Ja, da wünschen wir uns deutlich mehr. Wünschenswert wäre aber auch ein Umdenken der Radfahrer und -fahrerinnen. Die Leute wollen mit ihrem Rad am liebsten bis vor die Ladentheke fahren. Es ist doof, dass vor jedem Geschäft auf der Severinstraße Räder stehen. In Holland gibt es zentrale Fahrradparkplätze, und bis zu den Läden gehen die Leute dann zu Fuß.
(Wir schlendern weiter über die Severinstraße.)
Worin unterscheiden sich die Severinstraße und die Bonner Straße?
Die Severinstraße ist vor allem die Straße des täglichen Bedarfs und der Nahversorgung. Hier finden Sie Metzger, ein Fischgeschäft, einige Bäcker und Obst- und Gemüseläden. Die Bonner Straße dagegen hat mittlerweile sehr viel Gastronomie. Beide Straßen zusammen versorgen immerhin 50.000 Menschen.
Das Verhältnis der IGS zur Aktionsgemeinschaft Bonner Straße/Rund um den Chlodwigplatz (ABC) war in den vergangenen Jahren – vornehm formuliert – nicht das beste. Wird sich das ändern?
Mein Ziel ist es, dazu beizutragen, dass wir uns wieder annähern. Ich bin ja auch Mitglied in der ABC. Beide Gemeinschaften sind wichtig. Aber bei allen gemeinsamen Interessen gibt es auch Unterschiede.
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Kartäuserkirche – Evangelische Gemeinde KölnWelche sind das?
Schauen Sie nur mal auf die Bebauung. Trennlinien zwischen der Alt- und Neustadt-Süd sind die Wälle. Hier stand die Stadtmauer, deren Verlauf man an der Severinstorburg noch gut erkennen kann. Die Architektur der Neustadt, die Ende des 19. und zu Anfang des 20. Jahrhunderts gebaut wurde, ist viel wuchtiger und größer als die im Vringsveedel in der Altstadt. Vergleichen Sie mal die Bebauung des Ubierrings und der Mainzer Straße mit der an der Annostraße oder an der Severinstraße. Und auch das Publikum ist ein anderes. Das wird deutlich, wenn sie zum Beispiel die Gäste vom ,Em Scheffge’ und im ,Mainzer Hof‘ sehen. Ich bin übrigens auch dagegen, das Grundkonzept des Längsten Desch zu verändern, wie es immer mal wieder gefordert wird. Die Leute sollen dort feiern, wie sie wollen und wie sie es seit über 40 Jahren tun. Natürlich muss aber auch der Längste Desch mit der Zeit gehen, und so werden wir in Zukunft noch mehr Angebote für Kinder und Familien machen. Und auch örtliche Initiativen sollen sich vorstellen können.
Wird die Severinstraße irgendwann Fußgängerzone?
Wir können uns da vieles vorstellen. In Abschnitten und zeitweise zum Beispiel. Zwischen Torburg und Severinskirchplatz etwa. Oder woanders, und dann vielleicht von 9 bis 19 Uhr. Da ist vieles im Fluss. Seit der gelungenen Umgestaltung der Straße vor zehn Jahren hat sich wieder vieles verändert.
Sind Sie mit dem Branchenmix auf der Severinstraße zufrieden?
Im Großen und Ganzen ja. Es gibt aber Angebote, die ich vermisse. Einen Haushaltwaren- und einen hochwertigen Schreibwarenladen zum Beispiel. Wir haben uns lange einen Fahrradladen gewünscht. Jetzt haben wir drei. Es gibt einige sehr schöne Cafés. Der Trend ist ja, dass Läden schließen und Gastro-Betriebe da rein gehen. Aber es gibt auch Leute, die hier richtig Geld in die Hand nehmen. Schauen Sie mal beim Hembsch rein. Der hat aus der ehemaligen Kneipe Popocatepetel gegenüber vom ODEON ein sehr schönes Fischgeschäft gemacht, in dem Sie auch essen können.
Was halten Sie von der Idee, die Severinstraße von einer Agentur wie ein Einkaufszentrum managen zu lassen?
Darüber kann man nachdenken. Da käme dann wohl die Immobilienstandortgemeinschaft Severinstraße (ISG) ins Spiel. Darin haben sich die Immobilieneigentümer entlang der Severinstraße zusammengeschlossen. Die zahlen – kurz gesagt – Geld, das verwendet wird, um die Straße attraktiver zu machen. Für die vergangenen drei Jahre standen ca. 300.000 Euro zur Verfügung. Mit dem Geld wurden zum Beispiel die Bäume in den Kübeln, die Bronzeplatten mit der Smartphone-App zur Geschichte des Veedels und die Weihnachtsbeleuchtung finanziert. Wenn die 30 Prozent ihres Budgets für ein Management der Straße ausgäbe, wäre das doch mal ein Wort. Wir arbeiten als IGS eng mit der ISG zusammen und würden uns freuen, wenn es im kommenden Jahr eine Neuauflage gibt.
Es gibt sehr schön sanierte Häuser an der Severinstraße. Es gibt aber einige, deren Bausubstanz eher nach Abriss als nach Sanierung verlangt.
In den top-sanierten Häusern wohnt man dann aber auch mal für 18 Euro auf dem Quadratmeter. Das können sich die wenigsten alteingesessenen Südstädter leisten. Die werden verdrängt. Deshalb ist es wichtig, dass es jetzt die Milieuschutzsatzung gibt. Einige der Häuser in schlechtem Zustand gehören Erben, die zum Beispiel in den USA wohnen. Oder Erbengemeinschaften, die heillos zerstritten sind. Und es gibt Eigentümer, die schlicht kein Geld zum Investieren haben. Ich wünschte mir, dass die Stadt da Hilfestellung gibt und wenn nötig auch Druck ausübt.
Wie geht es weiter mit der Severinstraße?
Die Straße lebt von ihrem Ambiente und ihrem Flair. Viel mehr als andere Straßen ihrer Art. Dass die Straße so eng ist, ist Fluch und Segen. Hier können sie problemlos die Seite wechseln. Versuchen Sie das mal auf der Neusser oder der Dürener. Das macht den Charme der Severinstraße aus. Wenn in einigen Jahren die Nord-Süd-Bahn fertig ist, können Sie am Anfang, in der Mitte und am Ende der Vringsstroß ein- und aussteigen. Dann starten wir durch.
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