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Politik Verkehr

Villa Lenders soll abgerissen werden

Sonntag, 10. Juni 2012 | Text: Wassily Nemitz | Bild: Tamara Soliz

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Es ist eine der hässlichsten Kreuzungen Bayenthals: Nahezu ununterbrochener Verkehr, zahlreiche große LKW und an den Straßenecken Betonbauten, die schon seit Jahrzehnten zumindest äußerlich nicht mehr gepflegt worden zu sein scheinen. Aus der Einöde an der Ecke Bonner Straße / Schönhauser Straße sticht nur ein Gebäude hervor: Die so genannte „Villa Lenders“ – noch zumindest. Denn wenn es nach dem Willen der Stadt geht, wird das Gebäude aus den 1870er Jahren noch in diesem Jahr abgerissen.

?Grund für die Pläne ist die dritte Baustufe der Nord-Süd-Stadtbahn: Sie soll nach Eröffnung des ersten und zweiten Bauabschnitts, die sich derzeit im Bau befinden, von der Markstraße bis zur Haltestelle „Arnoldshöhe“ am Verteilerkreis Süd führen. Die Bahnen verlassen den Tunnel bereits hinter dem Bonner Wall und sollen ab der schon im Rohbau fertig gestellten Station „Marktstraße“ oberirdisch entlang der Bonner Straße fahren.

?Da die Bahntrasse Teile des bisherigen Straßenraums einnehmen wird, muss der Autoverkehr anderweitig geführt werden. Anders als bisher werden anstatt vier nach Beendigung der Arbeiten nur noch zwei Fahrspuren auf der Bonner Straße zur Verfügung stehen. Erste Überlegungen, die bisherige Fahrbahnbreite zu belassen, wurden verworfen: Es hätten ungefähr siebzig Häuser abgebrochen werden müssen.? Jetzt sind es „nur“ noch zehn Gebäude, die dem Bau der neuen Stadtbahnstrecke weichen sollen. Darunter ist die „Villa Lenders“ an der Kreuzung Bonner Straße / Schönhauser Straße / Marktstraße. Nach Angaben von Gerd Neweling, dem Leiter des städtischen Amtes für Brücken- und Stadtbahnbau, ist der Abriss nach derzeitigem Planungsstand unabwendbar: „Wir benötigen die Fläche zur Anlage einer Mischspur“, erklärte er im Gespräch mit „Meine Südstadt“. Hinter diesem Begriff verbirgt sich in dem Fall eine Fahrspur, die für geradeaus und rechts auf die Schönhauser Straße abbiegende Fahrzeuge genutzt werden kann. Seiner Auffassung nach handelt es sich um eine Abwägungssache, die in der weiteren „Detailplanung“ entschieden werden müsse. Derzeit sehe er aber keine Alternative zum Abriss.

?Journalisten und Interessierte drängen sich im Flur der Villa Lenders, eingeladen vom „Rheinischen Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz“.

 

Anders sieht das der „Rheinische Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz“: Die Gruppierung hat die Villa Lenders zum „Denkmal des Monats“ erklärt. Auf einer Veranstaltung in dem unter Denkmalschutz stehenden Gebäude Ende letzter Woche erklärte Claus Hasenkamp, Vorstandsmitglied des Kölner Regionalverbands: „Das Gebäude ist von hohem denkmalpflegerischem Wert“. Der Meinung seines Vereins zufolge kann die Villa durch eine leichte Verschwenkung der Stadtbahntrasse gerettet werden, ohne bei der „Mischspur“ Kompromisse zu machen. Bei einem Verzicht auf eine solche Verschwenkung könne das Haus durch die Verkürzung der Spur erhalten bleiben.

?Die Villa Lenders wurde im Zuge einer Zwangsversteigerung nach Angaben von anwesenden Mitgliedern der Bezirksvertretung Rodenkirchen zum Preis von 370.000 Euro erworben – nur um es abreißen zu können.?

Der Mieter des Hauses, die Teppichhandlung Parsi, bot bei der Versteigerung ebenfalls mit. Inhaber Yosef Parsi berichtete im Gespräch mit „Meine Südstadt“, er habe von vorneherein keine Chance gehabt: „Es war klar, dass die Stadt das Gebäude kaufen würde – egal zu welchem Preis.“

?Parsi zog 1998 in das Gebäude ein. Er investierte viel Zeit in die Sanierung: „Ich habe zwei Jahre lang alles nach und nach repariert“, sagte er.? Der Mietvertrag mit ihm sei ihm aus statischen Gründen gekündigt worden – für ihn nur ein vorgeschobener Grund. Angeblich hätten die im Haus gelagerten Teppiche die Standsicherheit gefährdet. Ende Juli zieht er aus und wird in ein von der Stadt vermitteltes Ersatzgeschäft an der Aachener Straße ziehen.??

 

Die Geschichte der Villa Lenders reicht bis in die Mitte des 19.Jahrhunderts zurück: Alexander Hess, ebenfalls Mitglied beim rheinischen Verein, erläuterte die Historie des Gebäudes: An seiner Stelle stand zunächst ein von der Familie Leenders, einer Leinenhändler-Familie, betriebener Gutshof. In den 1860er oder 1870er Jahren kaufte die Familie Mann, von denen sich der Name des späteren Stadtteils „Mannsfeld“ herleitet, das Gut und baute die Villa als Ergänzung zu einem Herrenhaus, das jedoch zwischenzeitlich abgerissen wurde. Die Familie Mann ließ ebenfalls die heutige Schönhauser Straße unter dem Namen „Boulevard Bismarck“ als Privatstraße anlegen. Der heutige Name „Villa Lenders“ ist also irreführend, weil es zu Zeiten der Familie Lenders eine solche Villa nie gegeben hat.?

In den 1890er Jahren erfolgte ein Umbau hin zu einem Mehrfamilienhaus, außerdem waren in dem Gebäude Annahmestellen von Stadtsparkasse und einer Versicherung untergebracht.??

 

Aufgrund der wechselvollen Geschichte und den Besonderheiten des Hauses (so ist das Treppenhaus besonders hervorzuheben) fordert nicht nur der „Rheinische Verein“ den Erhalt des Gebäudes, sondern auch der ehemalige Stadtkonservator Ulrich Krings: „Solch eine Bauform ist sehr selten geworden“, erklärte er. Seiner Meinung nach sind die Zeiten, in denen zugunsten des Straßenverkehrs abgerissen wird, lange vorbei.??

 

Anders sieht das der Bauherr der Stadtbahn, das Amt für Brücken- und Stadtbahnbau. Leiter Gerd Neweling schrieb in einer Stellungnahme: „Die verkehrstechnischen Erfordernisse an dieser Stelle stehen einem kompletten Erhalt der Villa Lenders leider entgegen.“

?Sollte der Abriss beschlossene Sache werden –  zu entscheiden über die Gesamtplanung haben die Bezirksvertretung und letzten Endes der Stadtrat – müsste das Gebäude Newelings Angaben zu Folge bis Ende 2015 abgerissen sein. Je eher, desto besser – das ist seine Haltung.. Für die Zwischenzeit soll das Grundstück planiert und eingezäunt werden. Alexander Balint, Fraktionsgeschäftsführer von Bündnis 90 / Die Grünen in der Bezirksvertretung Rodenkirchen, möchte solche Szenarien gerne verhindern – seiner Meinung nach bedarf es eines städtebaulichen Wettbewerbs für die allgemein als hässlich angesehene Kreuzung.

 

??Neben der „Villa Lenders“ sollen der dritten Baustufe der Nord-Süd-Stadtbahn neun weitere Gebäude zum Opfer fallen, darunter eines aus der Gründerzeit.?

Gundula Jaskowsky, Inhaberin eines der zur Disposition stehenden Gebäude, ist empört: „Meine komplette Existenz wird zerstört!“, erklärte sie im Gespräch mit „Meine Südstadt“. Sie habe lediglich einen weit unter Marktwert liegenden Preis von der Stadt angeboten bekommen, behauptete sie. Sollte das Haus nicht erhalten werden, möchte sie gegen die Planungen klagen.

Text: Wassily Nemitz

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