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Auf ein Kölsch mit...

Völlig entspannt an der Schere

Donnerstag, 19. Januar 2012 | Text: Kathrin Rindfleisch | Bild: Karsten Schöne

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

„Klingeln musst Du bei den Mosterts!“ An der mit Alupäckchen im Haar öffnenden Dame des Hauses erkenne ich, dass ich richtig bin. Es geht durch einen Flur mit eigener Kindergarderobe in einen gemütlich chaotischen Wohnbereich mit offener Küche. Hier wird gelebt. Mit Kindern und jeder Menge Kegeln. Augenblicklich fühle ich mich wohl, und an eigenem Leibe erlebe ich, was ich später von Holger über das Schöne an seiner Arbeit erfahre: das Eintreten in fremde Welten, der Wechsel der verschiedenen Haushalte und Familien hält den Tag schön lebendig.?

 

Für die Farbe in seinem Arbeitsalltag sorgen sicher die unterschiedlichen Arbeitsbedingungen, die er in seinen Hausbesuchern vorfindet. Als ich auf die Terrasse trete und auf dem Rasen den „Fliegenden Friseur“ Holger Klima mit einer Blüte hinter dem Ohr und den 9-jährigen Anton auf einem Tripp-Trapp sitzend die Haare schneiden sehe, wird klar, dass er die Highlights (um in der Sprache seiner Zunft zu bleiben) selbst mit ins Spiel bringt.

 

Die Südstadt ist voll von Menschen, die Erzählenswertes tun, Interessantes erleben und spannende Geschichten hervorbringen. Einer von ihnen ist Holger Klima, der als „Der fliegende Friseur“ mit seinem gelben Roller unterwegs ist und die Köpfe der Stadt stylt. Sein Einsatzgebiet reicht weit über die Südstadt hinaus  über Zollstock bis nach Bayenthal und im Norden über Niehl bis nach Ossendorf und Fühlingen. Manchmal sind es regelrechte Fernreisen, die er unternimmt, denn auch auf der Schäl Sick kennt man den fliegenden Südstädter und weiß seinen Homeservice zwischen Bügelwäsche und Abendbrot zu schätzen. Und das besonders, wenn’s gleich ein paar Köpfe sind, die zurecht gestutzt werden müssen…

?…womit wir wieder bei unserer Familie im Garten sind: dem kleinen Anton, der gerade auf dem Rasen sommerlich zurechtgestutzt wird, seiner Mutter mit dem Alu im Haar und dem 5-jährigen Bruder Peter, der glücklich, da schon fertig, vom Klettergestell aus beobachtet, wie lange sein großer Bruder still sitzen kann. Bei ihm ging´s vorhin so viel schneller. Die Mama mag´s nicht allzu kurz. Ihm ist es gleich, Hauptsache spielen kann er schnell wieder. Peters Bruder Anton setzt da schon ganz andere Maßstäbe: „Fast alle meine Freunde haben lange Haare. Aber mein Opa hat gesagt, im Sommer sind kurze Haare viel praktischer und nicht so warm.“ Mama verzieht das Gesicht, Anton lässt ruhig an sich werkeln, und Werkler Holger grinst entspannt. ?

 

Apropos entspannt: das scheinen hier wirklich alle zu sein, und bei Knabbergebäck und Wasser erfahre ich dann auch, warum. Vor ungefähr acht Jahren durch gleichaltrige Kinder im Volksgarten kennengelernt, wird Mutter Catharina recht schnell eine zufriedene Stammkundin des schon damals fliegenden Holgers. Der knapp zweijährige Anton und sein Freund Carlo wurden in dieser Mutter-Wellness-Auszeit regelmäßig von der Tagesmutter betreut. Bis zu dem Tag, von dem an der fliegende Holger Mutter Catharina nicht länger nur frisurentechnisch glücklich machte, sondern wohl auch manch Nervenzusammenbruch vereiteln konnte. Anton und Freund Carlo, die in der Zwischenzeit auch im Garten der Mosterts eingetroffen sind und zusammen mit Peter und Catharina beobachtet, wie Antons Haare den Familienrasen düngen, waren bei einem Termin ungewöhnlich still.

 

Nach anfänglicher Freude über die seltene Ruhe im Haus, folgte die Skepsis. Und die trieb Mutter Catharina, damals schon mit Alu im Haar, die Treppe rauf ins Bad. Das Bild, das sich ihr dort bot, brachte sie zu der Entscheidung: Friseur im Haus? Von nun an nur noch als Familientermin! Die Jungs hatten sämtliche Wasserhähne aufgedreht und mal eben den ersten Stock des Einfamilienhauses komplett unter Wasser gesetzt. Und da ja bekanntlich alles, selbst das unglücklichste Geschehnis, nicht ohne Bedeutung ist, weiß sie noch Jahre danach diese Entscheidung zu schätzen.

 

Einmal, Holger weilte zu dieser Zeit nicht in Köln, war sie mit den mittlerweile zwei Jungs in einem Friseursalon. Mit zwar frischem Haarschnitt, aber auch stressbedingten Schweißausbrüchen („Jetzt nicht auf den Drehstuhl!“), betete sie um Holgers Rückkehr. Das Gebet wurde erhört, und seitdem läuft jeder Friseurbesuch so entspannt ab wie dieser. Scheint ja auch logisch, eine noch so gut sortierte Kinderspielecke im Salon kann niemals mithalten mit der Vertrautheit im eigenen Zuhause.

 

Und beim Vertrauen ist dann auch wieder das Gegenseitige gefragt. So genießt Catharina, „dass Holger es so macht, wie es mir gefällt“ und bleibt im Gegenzug ungerührt, wenn er seine Sprüche bringt. „Farbe auswaschen? Brauchst nur schütteln, dann fallen die Haare gleich mit aus. Das ist Cut & Colour!“ Holger wiederum fühlt sich in einem Haushalt am wohlsten, indem nicht extra für ihn sauber gemacht und aufgeräumt wurde. Wenn er einfach integriert wird, sich sein Getränk aus dem Kühlschrank holt, weil sonst gerade keiner Zeit hat. Dann ist er der Hausfriseur und nicht der Friseur im Haus.?

 

Der Hausfriseur, und das erzählt er während Mutter Catharina reingeht, um die Farbe unter den Alupäckchen auszuwaschen, ist er auch in der Demenz-WG am Barbarossaplatz. Auch hier geht es um Vertrauen und darauf, sich einzulassen auf die Bedürfnisse seiner Kunden, die in diesem Fall sehr speziell sind. Ein harmlos beginnender Schwatz über die Vergangenheit kann bei so manch einem Demenzkranken zu emotionalen Erinnerungen führen. Holger Klima findet mit seiner unkomplizierten Art hier wie da den richtigen Ton, erzählt und hört zu, schneidet konzentriert Haare und kennt nebenbei noch die beiden Schildkröten der Familie Mostert. Na ja, schließlich ist er auch alle 10 bis 12 Wochen im Haus und das seit 8 Jahren, die Vertrautheit zwischen der Familie und ihrem Friseur Holger hängt wohlig wabernd in der Luft.

 

So, nun ist auch Anton fertig und testet seinen praktischen Sommerschnitt gleich mal im Spiel. Der in erster Linie praktisch denkenden Mutter, gefällt dann auch die allein für sie reservierte Föhn-Viertelstunde, bevor die Familie ihr Abendprogramm startet. Und während Holger seine mobile Haircut-Black-Box öffnet, um Föhn und Bürste hervorzuholen, erzählt er, das er eigentlich immer etwas vergisst und das ganz gut sei. „So habe ich wenigstens einen Grund, wiederzukommen…!“ Dass er das ernst meint, nimmt man ihm sofort ab, ich habe selten einen so gut gelaunten Menschen bei seiner Arbeit gesehen. Und so kann sie nur strahlen, Catharina mit den Sommerhighlights im Haar und der glücklichen Gewissheit, einen unter anderen Umständen stressigen Termin erfolgreich und völlig entspannt hinter sich gebracht zu haben. ?Pünktlich zum Style Finish stürmen die Kids rein und rufen: „Heute machen wir Salagne!“ Schade, dass an dieser Stelle nicht nur Holgers Job zu Ende geht, sondern auch meiner.

 

Auf eine Lasagne mit Frischfrisierten hätte ich mächtig Lust gehabt…

Text: Kathrin Rindfleisch

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