Vom Pinguin, der ein Affe war und anderen Erwartungsunstimmigkeiten
Samstag, 12. März 2011 | Text: Kathrin Rindfleisch
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Ich sag mal so: Dass letzte Woche zum ersten Mal seit Bestehen dieser Seite nichts zu lesen war von den Zwergen, ist am Ende auch nur eine folgerichtige Konsequenz aus einem Ausnahmezustand namens Karneval. Nicht, dass die Mutter zu viel gefeiert hätte – mitnichten! –, allein die Kinder, über die zu schreiben die wöchentliche Herausforderung ist, waren wohl versorgt ausquartiert. Nicht da.
Ich sag mal so: Dass letzte Woche zum ersten Mal seit Bestehen dieser Seite nichts zu lesen war von den Zwergen, ist am Ende auch nur eine folgerichtige Konsequenz aus einem Ausnahmezustand namens Karneval. Nicht, dass die Mutter zu viel gefeiert hätte – mitnichten! –, allein die Kinder, über die zu schreiben die wöchentliche Herausforderung ist, waren wohl versorgt ausquartiert. Nicht da. Im Karnevals-Exil. Veilchendienstag erst wieder im Kamelle-Land, ging es für sie dann aber wieder gleich so kinder-wunder-wahnsinnig zu, dass nun alle, die Karneval vermissen, eine Woche nach Rosenmontag nochmal so richtig melancholisch werden können. Oder hämisch.
In den letzten Wochen – ich erwähnte es bereits – waren die großen Fragen des Lebens ja bestimmt von dem einzig alles Entscheidendem, dem Was-will-ich-werden. Punkt zwei auf der Liste der saisonal bedingten Alltagsabwechsler war die Frage: „Werden die Bollerwagen für den Karnevalsumzug bis Dienstag fertig?“. Da wurde gebastelt und heiß geklebt, Pappmaché gekleistert und kräftig getackert. Selbst die Oma wurde eingespannt, und es verging eigentlich kein Tag, an dem nicht mindestens einmal kurz dem da nahenden Großereignis gedacht wurde. Dass wir im Zug durch die Südstadt laufen, und zwar als Pinguin, daran ließ Smilla von Anfang an keine Zweifel – allein die Vorstellung darüber degradierte jeden Spielplatzbesuch zu einer zu ertragenden Nummer zwischen dem piefigen Hier und Jetzt und dem Großereignis Südstadtzoch. Wir würden Kamelle rufen – und schmeißen! Dafür wurde kräftig gesammelt und sich sogar von dem ein oder anderen Tierchen aus eigener Stofftierhaltung getrennt. Smilla und Paul schmissen im Geiste die dollsten Dinge in jubelnde Kinderhände, die Mutti verteilte im Geiste Strüßjer und Bützjer an jubelnde Cowboys und Piraten.
Und immer dann, wenn die Vorstellung am schönsten ist, macht die Realität den dicksten Strich durch jede Rechnung. Die Strecke vom Kindergarten bis zur Zugaufstellung am Martin-Luther-Platz ist ein Zehn-Minuten-Marsch. Nach Minute Eins an wollte Smilla nur noch auf den Aaaarm! Nach Minute Eins von zehn Minuten und einer Stunde Zugweg. Und in dieser Minute Eins wurde mir schlagartig klar: Vergiss Strüßjer, vergiss Bützjer, das hier wird kein Spaß.
Eine Kinderwagenorganisation samt einer Aufstellung am Zugbeginn später dann der nächste Coup: Smilla (aus Rabenmutternot heraus geboren seit Rosenmontag tatsächlich ohne Windel, Mutti hatte nicht genug eingepackt für`s Karnevals-Exil) musste mal. Café Sur, Schlange, mir wird bange. Nebenan im Friseursalon eine Party mit Sektchen und Häppchen. Nichts wie rein dort, denn ein nasser Affe (ja, ganz richtig, ein Affe, kein Pinguin) ist kein guter Affe. Die freundlichen Herrschaften in Karnevalslaune verteidigten ihr Klo ganz meisterlich und nur dem Erbarmen Einer im Raum, in Begleitung sämtlicher Augen rollend, war zu verdanken, dass der Affe trocken blieb und die Mutti bei Zugstart noch zumindest einigermaßen nervlich in der Spur war. Ich wollte die Pipi-Kacka-Themen ja eigentlich weitestgehend aus dem Programm nehmen. Dieser wundersame Auftakt in Sachen Klogeschichten allerdings lässt mich befürchten, dass zu diesem Thema noch die ein oder andere Unglaublichkeit nur darauf wartet, uns mal wieder eines Besseren zu belehren.
Eines Besseren belehrte uns dann auch der Zoch, denn statt jeder Menge Kamelle, lachender Kinder und bützender Mütter, gab`s nach den ersten hundertfünfzig Metern schon eine schallende Werf-nicht-so-viel-Kamelle-sonst-reichen-die-nicht-aus-Schelte, Affe Smilla („Du siehst aber gar nicht aus wie ein Affe!“) heulte ohne Unterlass, und die Mutti überkam ein Gefühl absoluter Überforderung. Aus hundert Kehlen gleichzeitig die freundlich bestimmte Aufforderung, doch bitte Kamelle! Zu schmeißen, die Arme, die sich einem, nach Süßem reckend, in den Weg werfen, alle befriedigen wollen, zu viel schmeißen, Kind trösten, den Kinderwagen in den für`s Proviant rammen…Hiiiiiielfe!!!! Ich muss hier raaaauuuuus!!!!!
Wochenlanges Planen, dauerndes Besprechen, ehrliches Drauf-Freuen, das große Erwartungsmonster Südstadtzug findet nach nur knapp zehn Minuten Zugweg sein jähes Ende auf dem Bürgersteig. Hinter den Kamellefängern. Zurück bleibt eine wieder beruhigte Smilla, eine Mutter, die ab jetzt keine Erwartungen mehr an etwas hegen möchte (nie mehr!) und das Verständnis für nicht strahlende Rosenmontagszugler. Paul allerdings fand`s klasse, der ist im nächsten Jahr auf jeden Fall wieder dabei, dat ist priima!
Ja, und eigentlich nicht erwähnenswert, aber dennoch eine Zeile wert: Die übriggebliebenen Kamelle wurden am Ende selbst gegessen. Wie gut, dass wir so sparsam waren…
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