Vom Recht, die Klappe zu halten…
Mittwoch, 9. Juli 2014 | Text: Judith Levold | Bild: Heiko Specht
Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten
spricht Südstadt-Filmproduzent Leopold Hoesch, und dass er davon gerne mal Gebrauch mache. Nämlich dann, wenn er spüre, dass er einen Redakteur (Auftraggeber) und einen Künstler (Regisseur) einfach mal machen lassen sollte. Wenn die gut klar kommen, hält man sich raus!
Dieser und andere Grundsätze haben ihm und seinem Regie führenden Partner Sebastian Dehnhardt mit ihrer 1999 gegründeten Broadview TV GmbH zu einer beachtlichen Anzahl erfolgreicher Filme verholfen. Im Kino wie im Fernsehen.
Meine Südstadt: Sagt Ihr von euch Wir machen Qualitätsfernsehen?
Leopold Hoesch: Was? Nö, wir machen Trash (grinst). Nein, ich denke schon, dass die Themen, die wir bearbeiten, mit zum Besten gehören, was man in Deutschland sehen kann. Ich glaube auch, dass es wichtig ist, zusätzliches Material verfügbar zu machen. Wir haben zum Beispiel drei Filme gemacht zum Thema Ausbruch des ersten Weltkrieges und dazu zusammen mit dem Kölner Stadt-Anzeiger einen aufwändigen multimedia Zeitungsartikel erstellt, im Netz und auf www.ksta.de.
Die Medien wachsen zusammen, in den USA sieht man das viel mehr. Und wir haben eben auch verschiedene Medien wie Texte, Fotos und Filmsequenzen als Hintergrundinfos zusammengestellt. Aber Du erreichst nach wie vor viele Menschen über’s Fernsehen, und da sind wir abonniert auf Primetime-Sendeplätze bei ARD, ZDF und Arte.
Derlei Selbstgewissheit scheint angemessen. Schon seit Jahren produziert Broadview TV anspruchsvolle Dokumentationen (www.broadview.tv), Kultur- und jüngere Zeitgeschichte(n) sind dabei thematische Schwerpunkte. Das Wunder von Bern, eine der ersten Hochglanz-Dokus aus dem Hause Hoesch&Co am Ubierring, liegt ihm besonders am Herzen. Das war die Stunde Null. Aber auch das ‚Drama von Dresden‘, eine aufwändige Doku über die Zerstörung der Elbstadt in den letzten Zügen des Zweiten Weltkrieges, ist eine seiner Lieblingsproduktionen. Schließlich gewann Broadview TV dafür den internationalen Emmy Award für’s weltweite Fernsehen der wichtigste Preis, vergleichbar mit dem Oscar für´s Kino.
Meine Südstadt: Wie schafft man es in die Primetime? Was ist Qualitätsfernsehen? Muss man was machen, was noch nie da war?
Leopold Hoesch: Wenn es über eine Sache schon dreißig Filme gibt, dann ist das Thema gut. Dann brauchst Du aber einen wirklich neuen Ansatz. Es gibt drei Möglichkeiten, eine gute Geschichte zu erzählen: einen spektakulär neuen Ansatz, einen sensationellen Fund – etwa nie gesehenes Material oder bislang unbekannte persönliche Aufzeichnungen – oder aber ein ganz neues Thema. Was die Gefahr birgt, dass es keinen interessiert. Und dann muss das alles natürlich gut produziert sein.
Meine Südstadt: Was spielt Geld für eine Rolle?
Leopold Hoesch: Im Prinzip kannst Du jeden Film für jedes Budget machen die Filme sehen dann eben unterschiedlich aus… Die Sendeplätze im Fernsehen sind ja fest budgetiert, da gibt es Summe X, und dann ist das Malen nach Zahlen. Bei Eigenproduktionen, wie etwa dem Kinofilm ‚NOWITZKI. Der perfekte Wurf‘ (der am 18. September in die Kinos kommt, Anm. der Red.) musst Du zuerst einen Verleiher finden, und dann kann man Förderungen beantragen…
Meine Südstadt: Wird es schwieriger, gute Filme bei den Sendern zu platzieren?
Leopold Hoesch: Ja, es wird schwieriger. Die Ansprüche werden immer höher, und die Budgets werden gekürzt. Wenn man anfängt als junger Produzent, wird man natürlich gelockt. So ein Budget sieht erst mal gut aus. Wenn man lebt wie ein Student, keine Kinder hat, dann passt das. Aber das ist keine Anordnung, wo Mittelstand entsteht. Und ein funktionierender Mittelstand ist unabdingbar für Nachhaltigkeit und auch Fortschritt im Filmgeschäft. Da werden noch Produzenten pleitegehen, denke ich. Man muss eben versuchen, andere Erlösquellen zu finden, etwa Auslandsvertrieb. Aber man kann davon kein Luxusleben führen, das steht in keinem Verhältnis zu dem Arbeitseinsatz und dem Risiko, das man als Produzent trägt. Trotzdem ist es ein schöner Beruf. Lebenslanges Lernen. Und immer interessante Menschen und Stoffe um sich.
Bei Broadview TV sieht es aktuell nicht nach drohender Pleite aus, im Gegenteil.
Etwa zehn Filme im Jahr produziert das Unternehmen, darunter 30, 60 und 90 Minuten lange, mit knapp fünfzehn MitarbeiterInnen und einem eingespielten Pool von Regisseuren/Autoren aus der ganzen Welt.
Schaut man sich die Produktionen in 2014 an, sind da Erfolg garantierende Alleinstellungsmerkmale: Der seltsame Herr Gurlitt (ARTE) etwa zeigt einen anderen Blick auf das Geschehen rund um die im Privaten aufbewahrte riesige Kunstsammlung des Sohnes von Kunsthändler Hildebrand Gurlitt, als den, den die aktuelle Berichterstattung angeboten hat.
Die Dokumentation Breath of Freedom (ARTE, MDR, Smithsonian Channel USA und Filmstiftung NRW), am 2. Dezember bei Arte zu sehen, beschäftigt sich erstmals mit den Erfahrungen US-amerikanischer GIs, die 1944 zu Kriegsende nach Deutschland kamen, um das Land von Rassismus zu befreien und die das als Angehörige einer Armee taten, in der Rassismus gelebte Praxis war. Wenn Leopold Hoesch darüber spricht, gerät er ins Schwärmen.
Der Film fasst ein zeitgeschichtliches Thema an, das so nie betrachtet wurde. Wir begleiten diese GIs wirklich von 1944 an bis zur zweiten Amtseinführung von Barack Obama, haben Zeitzeugen wie Colin Powell oder den Bürgerrechtler John Lewis im Film. Die Befreiung der KZs hat den GIs die Augen geöffnet und die schwarze Bürgerrechtsbewegung mit geprägt. Wir wollen mit solchen Filmen auch gedankliche Prozesse anregen!
Und dann ist da ja noch das Highlight 2014, der Kinofilm `Nowitzki. Der perfekte Wurf´. Am 16. September wird er im Beisein des Basketball-Superstars im Kölner Cinedom Premiere feiern. Er zeigt, ähnlich wie bereits die Broadview TV-Kinoproduktion Klitschko aus dem Jahr 2011, spannende Einblicke in das Leben und die Aufstiegsgeschichte eines internationalen Sport-Stars, besonders jenseits seines Status als Sportidol. Showlike, nah dran und geistreich montiert. Leopold Hoesch bezieht sich manches Mal auf die USA, etwa wenn er über Erfolg spricht.
Es ist ja hier in Deutschland anders als in Amerika so, dass es kein Star-System gibt. Wenn Du Erfolg hast, turned das eher ab, Du giltst dann als aufwändig und teuer.
Keineswegs also verkauft Hoesch -in der Firma verantwortlich für neue Projekte- den Sendeanstalten oder Verleihern seine Filme im Schlaf, auch wenn er unter anderen Preise wie den Emmy oder den Deutschen Fernsehpreis im Regal stehen hat. Beim nächsten neuen Projekt musst Du wieder genauso hart kämpfen. Aber, so fügt er hinzu: Ich wollte immer ein eigenes Unternehmen, und ich wollte immer Filme machen!
Die internationalen Emmys…
…sind für das internationale Fernsehen das, was der OSCAR für’s Kino ist. Nicht zu verwechseln mit den US-Primetime-Emmys, für die am 10. Juli 2014 die Nominierungen bekannt gegeben und die im August verliehen werden.
Die internationalen www.iemmys.tv bepreisen dagegen TV-Produktionen außerhalb der USA und zeichnen damit Qualitätsfernsehen in verschiedenen Sparten wie bester Schauspieler, beste Comedy, beste Serie etc. aus. In gut achtzig Jurysitzungen weltweit wird derzeit beraten, bis es dann im November heißt The Winner is…. Eine dieser Jurysitzungen findet jedes Jahr in Deutschland statt, genauer gesagt in der Kölner Marienburg. Im Juni trafen sich dort Jurymitglieder aus der Film- und Fernsehbranche wie Schauspieler, Programmchefs, Redakteure, Moderatoren und Comedians. Gastgeber für die größte Jurysitzung und abendliche Gala ist Emmy-Preisträger und Academy-Botschafter Leopold Hoesch von Broadview TV.
Programmaustausch ist Kulturaustausch man kann seine Kultur kaum besser im Ausland vorstellen, als wenn man sein Fernsehprogramm dort zeigt. meint der Kölner Filmproduzent. Schauspielerin Suzanne von Borsody, auch Jurymitglied, betonte am Rande der abendlichen Gala, wie spannend es sei, zu sehen, wie andernorts Geschichten erzählt würden, wie in anderen Kulturkreisen gedreht und auf was da geachtet werde dies zu sehen, sei inspirierend.
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