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Kultur

Von Leichen und Goldfischen

Mittwoch, 15. März 2017 | Text: Reinhard Lüke | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Feras Fayyad (32) wuchs in einem Dorf in der Nähe von Aleppo auf. Wegen seiner filmischen Dokumentationen über die Oppostion gegen den syrischen Diktator Assad wurde er zweimal inhaftiert, bevor er aus seinem Heimatland fliehen konnte. Nach einem Film-Studium in Paris kehrte er heimlich nach Aleppo zurück, um gemeinsam mit seinem dänischen Ko-Regisseur Steen Johannessen über einen Zeitraum von drei Jahren die Arbeit des Syrian Civil Defense zu dokumentieren.

 

Die Organisation besteht aus ehrenamtlich arbeitenden Männern, auch „Die Weißhelme“ genannt, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, nach Bombardements Verletzte und oft auch nur Tote aus den Trümmern zu bergen. Im vergangenen Jahr wurden die „Weißhelme“ für ihre Arbeit mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet.

 

Der Film „Die letzten Männer von Aleppo“ porträtiert drei dieser Helden und ist schwer zu ertragen, sofern es um das Leid der Zivilbevölkerung geht. Auf der anderen Seite erzählt der in jeder Hinsicht souverän und durchdacht gedrehte Dokumentarfilm ohne Happy End von den Versuchen, sich auch in Zeiten des Krieges so etwas wie Menschenwürde und Humanität zu bewahren.

 

 

Ein zutiefst berührender, unbedingt sehenswerter Film fernab jeder schlichten Betroffenheits-Dramaturgie, der im vergangenen Jahr beim renommierten Sundance-Festival in den USA mit dem Preis für den besten Dokumentarfilm ausgezeichnet wurde. Mit Feras Fayyad sprach Reinhard Lüke am 1. März anlässlich der Vorab-Premiere des Films im Odeon, wo „Die letzten Männer von Aleppo“ auch ab heute zu sehen ist.

 

Meine Südstadt: Wie geht’s der Katze, die da in einer Szene schwer verletzt durchs Bild schleicht?

Feras Fayyad: Ich denke, sie ist okay. Es handelt sich bei ihr um eine von mehreren Katzen, die Khaled aus Trümmern gerettet und bei sich aufgenommen hat. Ich habe sie in den Film genommen, weil auch sie mir mit ihrer Verletzung wie ein Sinnbild für die Brutalität dieses Dauerbombardements erscheint und auch etwas über Khaleds Charakter sagt.

 

Sie ist also nicht ein Versuch, bei Zuschauern der westlichen Welt mit ihrer Liebe zu Haustieren für zusätzliche Emotionen zu sorgen…

Nein. Ein solches Kalkül hatte ich bei der Entscheidung, die Katze in den Film zu nehmen, definitiv nicht im Sinn. Solche Überlegungen sind mir bei meiner Arbeit völlig fremd.

 

Khaled wurde ja bereits vor Jahren durch ein Video, das ihn bei der Bergung eines kleinen Jungen zeigt, eine Art YouTube-Star. Wie wurde er zu einem der Haupt-Akteure Ihres Films?

Ich habe ihn in Aleppo kennengelernt und war zutiefst beeindruckt von seiner Unerschrockenheit, mit der er in Trümmern nach Überlebenden suchte und dabei sein eigenes Lebens aufs Spiel setzte. Und das, obwohl er sich gleichzeitig ständig um seine Familie sorgte und in Pausen während der Einsätze immer wieder mit seinen kleinen Töchtern telefonierte. Zugleich war er ein positiv Verrückter voller Lebensfreude, der zwischendurch den Krieg einfach ignorierte, in einer Feuerpause ein paar Goldfische kaufte und vor seinem Haus ein Teich anlegte. Wegen dieses in jeder Hinsicht außergewöhnlichen Charakters habe ich beschlossen, ihn zu einem der Haupt-Protagonisten des Films zu machen.

 

Wieviel Material haben Sie während der zwei Jahre in Aleppo gedreht?

Ungefähr 300 Stunden

 

Hatten Sie trotz widriger Umstände vor Beginn des Drehs an eine klare Vorstellung, wie der Film aussehen sollte?

Absolut. Weshalb wir auch große Auseinandersetzungen mit den Produzenten hatten, die sich einen eher kommentierenden Erklärfilm mit Experten-Statements und Ähnlichem gewünscht hatten. Und natürlich weniger Drehzeit, weil die immer Geld kostet. Aber am Ende konnten wir unsere Vorstellung zum Glück durchsetzen.

 

 

Auch ein Dokumentarfilm kommt ja nicht ohne Vorabsprachen mit den Beteiligten aus. Gibt es gescriptete Sequenzen in Ihrem Film?

Das nicht, und wir haben auch keine Szene nachgestellt. Aber natürlich waren wir immer im Gespräch mit den Protagonisten über ihre Vorhaben jenseits der Rettungseinsätze. Und da haben wir von Fall zu Fall entschieden, wo wir unbedingt mit der Kamera dabei sein wollten. So etwa, als Khaled erzählte, er wolle sich Goldfische kaufen. Das wollte ich unbedingt im Film haben. Und natürlich habe ich als Filmemacher vor Drehbeginn auch eine sehr konkrete Vorstellung davon, in welchen Einstellungen, Nahaufnahmen oder Totalen ich das Ganze einfangen möchte.

 

Ihr Film zeigt eindringlich die Schrecken des Krieges und den Kampf der Menschen ums nackte Überleben. Dennoch verzichten Sie auf Schockbilder von abgerissenen Körperteilen oder gänzlich entstellten Opfern…

Einen Film über die Schrecken des Krieges mit den entsprechenden Bildern zu machen, ist einfach. Die einschlägigen Motive lassen sich leicht und in Syrien derzeit fast überall finden. Aber ich wollte einen Film über die Fähigkeit machen, sich unter den katastrophalen Bedingungen etwas Menschlichkeit zu bewahren. Was ich zeigen wollte, waren nicht die Bomben, die alltäglichen Gräuel und die unendliche Trauer, sondern der unbedingte Wille dieser Männer, trotz alledem an Werten der Humanität festzuhalten. Zudem hat der Verzicht auf Schockbilder auch etwas mit Respekt vor der Würde der Opfer zu tun.

 

Gab es während ihrer Dreharbeiten überhaupt noch ausländische Journalisten in Aleppo?

Durchaus. Doch die waren in erster Linie damit beschäftigt, die klassischen Kriegsreportagen zu liefern, wie sie ihren Auftraggebern vorschwebten.

 

Die meisten der im Film zu sehenden Opfern sind Kinder…

Die meisten Opfer unter den Zivilisten in diesem Krieg sind nunmal Kinder, da sie sich nicht immer an Vorsichtsmaßnahmen halten und trotz aller Warnungen auf den Straßen spielen. Auf der anderen Seite waren Khaled und seine Mitstreiter über die Jahre so etwas wie Spezialisten für die Rettung von Kindern geworden.

 

Man sieht zwar hier und da Demonstrationen gegen Assad, aber ansonsten hält sich der Film mit politischen Statements und Analysen gänzlich zurück. Warum?

Weil ich den unzähligen Reportagen, die sich um diese Themen drehen, nicht eine weitere hinzufügen wollte. Mein Ziel war von Beginn an, einen Film über Menschlichkeit im Zeichen des Krieges zu drehen.

 

Herr Fayyad, vielen Dank für das Gespräch.

Text: Reinhard Lüke

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