Von Maurenköpfen und dem freien Willen
Sonntag, 11. September 2011 | Text: Kathrin Rindfleisch
Geschätzte Lesezeit: 2 Minuten
Alex hat ein Problem weniger. Das entlastet enorm und verschafft ihr morgens ganze fünfzehn Minuten. Zeit, sich nochmal umzudrehen und die entscheidende Energie für den Tag zu sammeln. Und schuld an diesem unglaublichen Wurmloch geschenktem Nichtstun ist ein T-Shirt, pardon, Pauls neues Lieblings-T-Shirt. Was er nur noch anziehen möchte.
Alex hat ein Problem weniger. Das entlastet enorm und verschafft ihr morgens ganze fünfzehn Minuten. Zeit, sich nochmal umzudrehen und die entscheidende Energie für den Tag zu sammeln. Und schuld an diesem unglaublichen Wurmloch geschenktem Nichtstun ist ein T-Shirt, pardon, Pauls neues Lieblings-T-Shirt. Was er nur noch anziehen möchte. Keine lästigen Diskusionen mehr vor dem Kleiderschrank, kein „Ich will aber“ und „Das ist doof“. Wunderbar.
Alex hat ein Problem mehr. Das nervt ganz schön und raubt jede morgens so glücklich abgerungene Energie. Paul hat ein neues Lieblings-T-Shirt, was er am liebsten gar nicht mehr ausziehen möchte. Und wenn ich sage, am liebsten, dann bedeutet das wirklich nie mehr! Nicht am Abend, nicht zum Sich waschen, nicht zum Es waschen. Anstrengend.
Neulich treffen wir uns zu den Vorbereitungen einer Hochzeit von Freunden. Als ich Paul in diesem T-Shirt sehe denk ich noch, wie clever von Alex, zum Rumtollen erst mal ein schmutziges Spielshirt an, für die Feier dann den schicken Anzug in der Tasche. Als Paul beim Jawort immer noch mit dem schon leicht bis mittelschwer vor Dreck stehendem T-Shirt herumspringt wird mir klar: Alex Problem ist ernst zu nehmen.
Paul sieht das selbstverständlich ganz anders. Voller Stolz überreicht er seiner Freundin Smilla sein Urlaubsmitbringsel. Smilla packt das Paket aus und ist entzückt: das gleiche T-Shirt wie Paul hat! Ich freu mich auch, über das Sardische Wappen auf Kinderbrust, gleichzeitig hoffe ich inständig, dass das T-Shirt nicht ebenfalls Besitz ergreift, von Smilla. Spontan denke ich, dann lieber ein fünfminütiges „Das.“ „Nein das.“ „Nicht das!“ „Das ist doch schön.“ „Nein.“ „Doch.“ „Nein.“ „Doch.“ „OK.“ am Morgen. Ich meine, gerade die Sardische Flagge vor Augen? Ein rotes Kreuz mit vier nach links gewandten Maurenköpfen mit kriegerisch anmutenden Haarbändern. Sicher nicht reizlos, diese Motiv, aber täglich auf vier rechte Maurenohren schauen, da fällt mir spontan Besseres ein.
Was den kleinen Personen mit den immer eigner werdenden kleinen Köpfen so alles einfällt, wissen wir nicht. Und das bringt jeden Tag neue Überraschungen. Wie gut! Auch, wenn das Dinge sind, die nicht zwingend unseren ureigenen Vorstellungen entsprechen. Oder gerade deswegen. Schließlich züchten wir uns keine kleinen Mini-Mes, die allein so denken, aussehen und handeln sollen, wie wir. Und wenn das bedeutet, dass wir mal zwei (oder auch drei) Wochen Maurenköpfen beim noch dunkler werden zuschauen müssen, oder Prinzessinnen als Einkaufsbegleiter mit in den ALDI nehmen, inkl. Schleier und Krone, dann ist das so. Dass ihnen bewusst ist, dass ihre Ideen und Einfälle vom allgemein Üblichen Abweichen, dass gesteh ich den Kindern dabei in jedem Fall zu. Schließlich hat Paul mitbekommen, dass wir uns alle extra raus geputzt haben für die Hochzeitsfeier (sein Vater hat sich sogar in einen Anzug geschmissen, ein völlig ungewohntes Bild!). Und auch Smilla sieht, dass sie zwischen Käsekühlung und Klopapier die einzige rosa-gewandete Glitzerkleidprinzessin ist. Zwei irgendwie schräge Erwachsene sind, da bin ich mir sicher, nicht zu erwarten. Zwei, nicht selbstbewusste Erwachsene, die ihren Kopf nicht durchsetzen können wohl eher, verwehrt man ihnen gerade jetzt, in der Phase der Charakterbildung, das Durchsetzen ihres Willens. Zumindest ab und an. Und dann, wenn`s nicht total daneben ist. Wir machen doch schließlich auch, was wir wollen.
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