Von Rhode Island zum Kölner Karneval
Mittwoch, 22. Januar 2014 | Text: Aslı Güleryüz | Bild: Tamara Soliz
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Als die US-Amerikanerin mit italienischem Migrationshintergrund, Victoria Riccio, sich in Europa und einen Kölner verliebte, war ganz klar: Sie musste nach Köln ziehen! Nicht nach Paris, London oder Rom! Nein, Köln musste es sein. Warum, erfahrt Ihr im Text.
In den USA studierte Victoria Riccio die schönen Künste und erhielt ihren Abschluss Bachelor of Arts. Aus Neugierde wollte sie nach Europa. Nachdem sie in einer typischen 10-Tage-Touri-Packet-Reise im Schnelldurchlauf fünf europäische Länder kennengelernt hatte, war es um sie geschehen. Sie hatte sich in Europa verliebt! Zurück in der Hauptstadt Washington D.C., wo sie derzeit wohnte, lernte sie über eine Freundin nun auch noch einen Europäer kennen. Victoria erinnert sich lachend zurück und erzählt in perfektem Deutsch mit einem unverkennbar amerikanischen Akzent die Geschichte: Eine Freundin rief eines Tages an und lud mich und ein paar andere Freundinnen ein, ein paar europäische Gaststudenten kennen zu lernen. Wir hatten alle keine Lust, weil wir auf dem Balkon saßen und Margaritas tranken. Sie hat aber so lieb gefragt, dass wir uns überreden ließen. Ja, und dann lernte ich diesen blonden, blauäugigen Deutschen kennen. Für mich war er sehr exotisch. Und ich für ihn. Wir verliebten uns und ich besuchte ihn in Köln. Und auch Köln eroberte Victorias Herz: Wir waren viel in der Südstadt unterwegs und ich mochte es gleich: das Stadtleben gefiel mir, es gibt ein Stadtzentrum, man kann viel zu Fuß gehen und muss nicht immer zur Mall fahren wie in Amerika, es gibt viel auf einem kleinen Fleck, viele Sprachen werden gesprochen, es gibt viele Kulturen an einem Ort, die alten Gebäude gefielen mir, die Märkte, das tägliche Einkaufen auf dem Markt, nicht wie in Amerika, wo alles nur tief gefroren gekauft wird. Und so zog Victoria bald darauf nach Köln: Ich habe immer seitdem in Köln gelebt. Nun schon mehr als zwanzig Jahre! Ich fühle mich als Kölnerin.
In Köln entdeckte sie auch ihre Berufung: die Bühne! Sie hatte bereits in Amerika Schauspiel- und Gesangsunterricht genommen. Sie entschied sich schnell: Ich wollte jetzt nur Künstlerin sein. Köln ist eine sehr gute Stadt dafür, so etwas aufzubauen. Es gab nur ein Problem: Wie sollte sie als Amerikanerin mit starkem Akzent Schauspieljobs kriegen? Das war schwierig. Doch Victoria ist eine Pragmatikerin: Sie konzentrierte sich also auf Gesang. Man muss erfinderisch sein als Künstlerin sagt Victoria. Und lernte eine Pianistin kennen, mit der zusammen sie amerikanische Jazzlieder in einem Restaurant am Rudolfplatz sang. So lernte sie auch viele Künstler in Köln kennen.
Probe der Immisitzung: „Wir schauen, was ist in dem Jahr hier und auf der Welt passiert“/ Foto: Jassin Göllmann
Und dann kam der Karneval. Das Feiern auf der Straße und in den Kneipen der Südstadt gefiel mir sehr. Fremde Menschen hatten viel Spaß zusammen. Das fand ich super! erzählt Victoria. Eine Gruppe von Künstlern traf sich regelmäßig und entwickelte die Idee einer Multi-Kulti-Karnevalssitzung: die Immisitzung wurde geboren. Eine Sitzung über das Zusammenleben verschiedenster Kulturen, mit all seinen Spannungen, Konflikten und auch aberwitzigen Situationen sollte auf die Bühne. Die Gruppe von 15 Künstlern und Kreativen aus aller Welt stellte 2010 zum ersten Mal die Immisitzung auf die Beine. Eine Bereicherung für die Kölner Karnevalslandschaft. In Form einer Nummernrevue im Stil einer Kabarettshow, findet sie nun im fünften Jahr im Bürgerhaus Stollwerck statt. Köln aus den Augen von Zugezogenen, mit viel Tanz und Musik, wird auf der Bühne dargeboten. Die Sketche entwickelt das Ensemble selbst und dabei geht es sehr selbstironisch mit den Integrations-Themen um.
Doch zum künstlerischen Überleben reicht die Immisitzung noch lange nicht. So ist Victoria den Rest des Jahres viel mit ihrem Ensemble Alpcologne in Deutschland und anderen europäischen Ländern unterwegs: Die Musik stammt von Alphörnern und ich singe italienische, englische und deutsche Lieder. Wir machen Weltmusik und Jazz, erklärt Victoria. Außerdem bestreitet sie mit Schauspiel, Gesang und als Sprecherin ihren Lebensunterhalt. Auch für Kinder hat sie ein Schauspiel mit szenischem Theater und Musik entwickelt.
Ihre Liebe zu Köln hat sich seit dem ersten Tag vertieft: Ich bin herzlich willkommen geheißen worden. Ich bin unheimlich dankbar, in Köln leben zu können. Die Stadt bietet mir als Künstlerin und Mensch so viel. Natürlich gibt es auch Probleme hier. Ich bin nicht blind oder naiv. Aber das Schöne überwiegt.
Die Immisitzung feiert in dieser Woche Premiere. Victoria hat als Gründungsmitglied des Ensembles musikalisch und bei der Entwicklung der Sketche der diesjährigen Show aktiv mitgewirkt: Das Motto ist immer das gleiche: Jeder Jeck ist von woanders. Wir schauen, was ist in dem Jahr hier und auf der Welt passiert? Dieses Jahr ist die Moderation neu. Katja Solange, unsere bisherige Präsidentin, ist nicht mehr auf der Bühne dabei. Myriam Chebabi sagt, als Brasilianerin habe sie keine gute Erfahrungen mit Präsidenten und wolle die Moderation daher anders machen. Sie ist Mimmi I., unsere brasilianische Jungfrau. Nach Ende der letzten Show setzen wir uns zusammen und beginnen, die nächste vorzubereiten. Denn: nach der Show ist vor der Show. Dann tragen wir Themen zusammen und entwickeln die Sketche. Seit zwei Monaten proben wir.
Das diesjährige Ergebnis all´der Vorbereitungen, könnt Ihr in 19 Vorstellungen im Bürgerhaus Stollwerck sehen. Die Premiere findet am Donnerstag, 23. Januar, um 20:11 Uhr statt. Weitere Termine findet Ihr hier.
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