Von Robotern, neu gewonnenen Freiheiten und kleinen Überraschungen
Mittwoch, 15. September 2010 | Text: be süd
Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten
Ich liebe Überraschungen! Sie auch? Ich meine keine Überraschungspartys nach dem Motto ÜBERRASCHUNG! Die eingereiste Familie steht vor der Tür, und du hast die Überreste der spontanen Party gestern Nacht nicht aufgeräumt (wer liegt eigentlich auf dem Sofa?) ÜBERRASCHUNG!
Ich liebe Überraschungen! Sie auch? Ich meine keine Überraschungspartys nach dem Motto ÜBERRASCHUNG! Die eingereiste Familie steht vor der Tür, und du hast die Überreste der spontanen Party gestern Nacht nicht aufgeräumt (wer liegt eigentlich auf dem Sofa?) ÜBERRASCHUNG! Die GEZ steht vor der Tür und möchte für Radio und Fernsehen, die du noch nicht angemeldet hast (wollte ich wirklich morgen machen!), Geld kassieren. Nein, diese Art Überraschungen kann man sich schenken. Ich liebe die kleinen aber feinen, unerwarteten (Überraschungen sind immer unerwartet… Hallo?! Wach werden! Entschuldigen Sie mich bitte…), die einem der Tag schenkt. Zum Beispiel, wenn Regen angesagt ist und der Tag einen mit blauem Himmel und Sonnenschein begrüßt! Oder wenn einem beim Einkaufen eine Blume geschenkt wird, wenn der Mensch von DHL die fünf Stockwerke hochrennt, um dir lächelnd ein Paket zu übergeben. Wenn man eigentlich den Tag schon mal wieder verplant hat, wie vergangenen Samstag und …. Warten Sie, ich fange von vorne an.
Nach mehreren Regentagen hintereinander weckte uns die Sonne am besagten Samstag auf. Ich hatte mich zum Grillen verabredet, wollte vorher meine Kolumne schreiben, einkaufen gehen und endlich die Wohnung auf Vordermann bringen. Die Sonne lockte mich raus. Ich war schnellen Schrittes zu REWE unterwegs, schaute weder nach links noch nach rechts, denn ich war auf Automatik, kennen Sie das? Wie ein Roboter bewegte ich mich durch die Südstadt, hatte mein Ziel fest im Blick, als ich dann über einen Hund stolperte, wo kam der denn her? Dieser kleine Unfall (der Hund blieb unverletzt) weckte mich auf. Was mache ich denn eigentlich? Wieso habe ich ihn nicht gesehen? Stopp! Ich laufe geraden Blickes vorbei an Menschen, Blumen, stolpere über Hunde und bekomme nichts von meiner Umgebung mit. Schande über mich! Meine Schritte verlangsamten sich, ich schaute nicht nur nach vorne, auch nach links und rechts, und was sah ich? Ich sah andere Südstädter, die geraden Blickes, hektisch, zielstrebig ihr Ziel, sei es die Bäckerei, die Arbeit, die Haltestelle anvisierten. Wie Roboter liefen sie fast über mich drüber (ich war jetzt langsamer unterwegs) und dann einfach weiter, ohne Entschuldigung zu sagen. NEIN, ich mache nicht mit! Bremsen! Da lief mir schon wieder einer in den Rücken rein. Mit mir nicht! Ich drehte mich sofort um und lief ziellos und mit dem Gedanken im Kopf, man könne nicht wie ein Roboter durchs Leben gehen, in die andere Richtung.
Es gehört wohl zu unserer guten, soliden, deutschen Kultur, den Tag zielstrebig zu (ver)planen. Man schreibt eine TO DO Liste und arbeitet sie ab, man ruft bei Freunden an und fragt nach einem Termin, um Kaffee trinken zu gehen. Einfach spontan vorbei gehen, nein nicht bei uns. Wir sind doch nicht in Spanien! Meistens ist man in Eile (das Wort Stress habe ich aus meinem Vokabular gestrichen, seitdem geht es mir viel besser!) Wo bleiben die kleine Überraschungen, die ich so liebe? Die Spontanität, die das Leben so lustig machen? Es reicht mir, ich schmeiße meine TO DO Liste in den Müll (ich werde schon nicht verhungern). Meine Kolumne (ehrlich, wer will bei diesem schönen Tag und mein neu gewonnenen Freiheit wieder in die Wohnung zurück? Ich bin schließlich gerade von meinem Roboter-Dasein geweckt worden!) kann ich auch später schreiben. Die Grillparty? Mal schauen.
Und was hat der Tag mir alles gebracht? Ich lief Richtung Baui und sah viele Menschen, die nicht auf „Automatic“ waren. Wo gehen sie alle hin? Nichts wie hinterher. Angekommen im Hof vom Baui, wurde ich angenehm überrascht. Die Holzhütten waren neu gestrichen oder mit schönen (ja, es gibt schöne) Graffitis „besprayed“ (Jargonsprache). Es gab „half pipes“ (wieder Jargonsprache) mitten auf dem Platz aufgebaut, und die coolen Jungs machten ihre Tricks. An einer Stelle standen zwei Südamerikaner, die T-Shirts mit ihren super „Designs“ für 5 Euro druckten (wenn man sein eigenes T-Shirt mitbrachte). Ok, gleich flitze ich nach Hause und lasse mir ein T-Shirt bedrucken! Eine Bühne wurde vor der Treppe aufgebaut, es gab Quiche Lorraine, Cheddar Kräuter Scones, leckere Süßigkeiten aus Südamerika. Auf einer hoch gebauten Holzhütte hatten zwei ein „Museum der Absurdität“ aufgebaut, detailtreu, liebevoll gemacht. Eigentlich kam mir alles sehr liebevoll vor. Eine Band fing an zu spielen. WO bin ich gelandet? WER sind sie? Wieso wusste ich nicht, dass sie hier sind?
Ich bin zufälligerweise auf dem Come Together Festival gelandet, wo man kein Eintritt bezahlen muss und es viel zu sehen gibt. Es wird von vier Jungs organisiert. Man hörte Spanisch, Französisch, Englisch, Deutsch. Die vier haben ihre „Cliquen“ eingeladen und alle haben aus eigener Initiative was gemacht. Sei es Essen, Kunstinstallationen, Musik… Es gab kein Geld, dafür Sie haben es einfach gemacht.! Es erinnerte mich ein bisschen an eine Zeit, die längst vorbei ist. Die Zeit, in der „Make Love, not War“ angesagt war. Ich war bei den, ich nenne sie „New-Age Hippies“ angekommen. Hier gab es keinen Roboter, hier war keiner in Hektik! Das ist für mich „Südstadt Flair“! Die Stimmung war toll! Ich ließ meine Grillparty sausen und verbrachte unendlich schöne Stunden bis 20:00 Uhr. Da kam das Ordnungsamt. Steif standen sie da mit einem Schrieb in der Hand. In Robotersprache sagten sie: „Sie dürfen nur bis 20 Uhr feiern! Machen Sie die Musik aus, sonst gibt es eine Strafe wegen Ruhestörung! Die Party ist vorbei!“.
„Die Party ist vorbei!“ ÜBERRASCHUNG! Ich bin doch nicht im Ausland. Ich bin in Deutschland. Und? Hier haben wir Regeln und eine TO DO-Liste und, und, und…..
Das ComeTogether Projekt ist auch demnächst mit der Instalation Livingroom bei der plan 10 zu sehen.
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