Von wahrer Kunst und echten Geistern
Montag, 24. Oktober 2011 | Text: Kathrin Rindfleisch
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Ich möchte ein Tabu ansprechen. Nicht ganz uneigennützig, versteht sich, habe ich doch festgestellt, dass die Dinge leichter werden, sind sie erst mal aufgeschrieben.
Ich werfe Bilder von Smilla weg. Bilder, die sie selbst gemalt und mir dann geschenkt hat. Puh, jetzt ist es raus. So richtig besser geht´s mir allerdings noch nicht. Vielleicht sollte ich noch dazu erwähnen, dass die Produktivität meiner Tochter den Oberförster leicht bis mittelschwer unter Druck setzt, kommt er doch gar nicht hinterher mit dem Baumfällen, so schnell wird neues Papier benötigt.
Ich möchte ein Tabu ansprechen. Nicht ganz uneigennützig, versteht sich, habe ich doch festgestellt, dass die Dinge leichter werden, sind sie erst mal aufgeschrieben.
Ich werfe Bilder von Smilla weg. Bilder, die sie selbst gemalt und mir dann geschenkt hat. Puh, jetzt ist es raus. So richtig besser geht´s mir allerdings noch nicht. Vielleicht sollte ich noch dazu erwähnen, dass die Produktivität meiner Tochter den Oberförster leicht bis mittelschwer unter Druck setzt, kommt er doch gar nicht hinterher mit dem Baumfällen, so schnell wird neues Papier benötigt.
Es gibt also eine beachtliche Ansammlung an Zeichnungen, Gemälden und Skizzen. Und waren das in ihrer frühen Phase abstrakte Farbkompositionen, entwickelt sie nach und nach ihren Stil aus hin zu figürlicher Malerei. Ein Banause nun, der Regenbögen, Prinzessinnen, oder gar angsteinflößende Monster der Farbe Blau vorziehe, in Kombination mit Lila und Grün. Böse Zungen gar würden von einem Kritzelbild sprechen und dabei völlig verkennen, dass das Eine aus dem Anderen erwächst, der Wert eines Bildes sich also nicht aus seiner Erkennbarkeit ermisst.
Unabdingbar für einer beachtlichen Sammlung wie der meinen nun ist die profunde Selektion und da sind wir wieder bei dem Ausgangstabu: ich werfe Bilder von Smilla weg. Und mache dies in Hinblick auf all die malerischen Weiterentwicklungen, Bastelarbeiten und Schreibübungsblätter, die da noch kommen werden. Und aus Mangel an Lagerfläche. Klingt logisch, find ich, wieso habe ich dann aber trotzdem ein ungutes Gefühl beim Entsorgen eines Mama-das-habe-ich-für-Dich-gemalt-Bild ins Altpapier? Oder bei der Verschonung meiner Lieblingsmotive, Monster und Männlein und damit die anderen Bilder abwerte?
Smilla sieht in jedem ihrer Bilder eine tolle Geschichte und gibt ihnen einen Wert, allein, weil sie sie extra für jemanden malt. Da komm ich mit meiner Bewertungsnummer daher und entscheide einfach, was gut ist und was nicht. Woher ich das hab, ist mir schon klar, so funktioniert unsere Welt. Andauernd werden wir beurteilt und weil wir´s nicht anders kennen, beurteilen auch wir ständig. Das ist, denkt man mal darüber nach, äußerst anmaßend, engstirnig und dumm. Weil wir mit unserem Maß der Dinge daran gehen und dabei die Beweggründe und Gefühle desjenigen ignorieren, der das Bewertete gemacht hat.
Ich bin immer froh, wenn mir jemand den Spiegel vorhält und besonders wirksam ist das, wenn Smilla selbst das macht. Sie hatte mir ein Bild gemalt, Kritzelkratzel – meine Bewertung. Ein Flugzeug, Wolken und der Mond – ihr Motiv. Ganz offiziell und stolz überreicht sie mir das. Ich bedanke mich zwar, bin aber nicht wirklich aus dem Häuschen, sehe ich weder ein Flugzeug, noch eine Wolke, geschweige denn einen Mond. Das Bild noch in der Hand haltend, sehe ich in dem Moment auf dem Boden liegend ein Bild, das mich sofort anspricht. Ein Männlein ist darauf, so groß, dass es das komplette Blatt einnimmt und mit einem solchen Grinsen, dass ich unweigerlich auch grinse. Die Hände zwei Bälle mit jeweils ein paar Strichfingern, vorwitzig strahlende Augen und mit einem derart leichten Strich gemalt, ich hätte schwören können, dass ein Erwachsener diese Männlein gemalt hat, auf keinen Fall aber meine kleine Smilla, die mir gerade noch vier Striche für ein Flugzeug vormachen wollte.
Auf die Frage hin, wer denn dieses tolle Männlein gemalt habe, sagte sie dann zu meiner Überraschung allerdings „Ich“. Ich hab das wirklich nicht glauben können und hab immer wieder nachgehakt – und damit ihr Flugzeugbild abgewertet – schließlich habe ich daraus nicht so einen Heckmeck gemacht. Smilla hat das wohl gemerkt und mich dann auch ganz schön blöd dastehen lassen: Nach meinem Vierten „Nein, sag mal, wer hat das Bild gemalt?“ kam ein ganz trockenes „Ich Mama. Hier war doch kein Geist im Zimmer, sondern nur Du und ich.“
Ich glaube ja, die Kleinen haben ganz viele Geister in sich, die die tollsten Dinge machen. Babysachen und schon furchtbar große. Das ist wunderbar, hält keiner Wertung stand und lässt uns jeden Tag wieder mit Überraschung auf unsere Zwerge blicken.
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