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Kultur

Warten im Velourskostüm

Mittwoch, 10. Dezember 2014 | Text: Alida Pisu | Bild: Joe Knipp

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Es sind immer die schmerzlichsten, aber auch die intensivsten und schönsten Geschichten, die von denen erzählen, die anders sind. Und sie hat ihr Anderssein zu spüren bekommen: die kleine Monique, das jüdische Kind, im 1940 von den Deutschen besetzten Frankreich: „Anderssein in den Blicken der Leute zu lesen, macht aggressiv.“

 

Musste sie sich als Kind noch vor den Nazis verstecken, um zu überleben, so hatte sie Jahrzehnte später keinen Grund mehr, sich für ihr Anderssein zu verstecken. Ganz im Gegenteil, avancierte sie doch in den 60er und 70er Jahren unter ihrem Künstlernamen Barbara zu einer Ikone des Chansons. Hierzulande wurde sie nie so bekannt wie die Grande Dame Juliette Gréco, obwohl eines ihrer berühmtesten Stücke in Deutschland entstanden ist und eine deutsche Stadt besingt. Aber davon später mehr.

Im Theater am Sachsenring entfaltet Aurélie Thépaut „Die ganze Welt der Barbara“. Man fühlt sich mit ihr auf Anhieb zurückversetzt in die Zeit des Existenzialismus, eines Jean-Paul Sartres, einer Simone de Beauvoir und lauscht ihrer Stimme, wie sie erzählt und singt. Ist es wirklich ihre Stimme, die singt? Momente lang scheint Thépaut mit Barbara zu verschmelzen, wenn sie den Mund öffnet, im Hintergrund jedoch die einfach nur als wunderschön zu bezeichnende Stimme der Barbara zu hören ist. Dieser Eindruck wird konsequent gebrochen, Thépaut setzt ihre eigenen Akzente, schnörkellos, unprätenziös und mit beeindruckender Intensität und Konzentration. Sie tut auch gut daran, denn die Kopie des Originals bleibt doch immer nur Kopie.

Wie war sie denn nun, die ganze Welt der Barbara? Allemal ungewöhnlich, das darf man nach einem Abend mit ihr sicher sagen. Denn es bedarf schon einer beachtlichen Lebensleistung, von einem verfolgten jüdischen Kind zu einer gefeierten Künstlerin zu werden, die eine Brücke zwischen ehemals verfeindeten Völkern zu schlagen vermochte.

Natürlich war sie wie alle Menschen auch. Sie hat geliebt, ihre große Liebe Hubert erwies sich als rasend eifersüchtig. So eifersüchtig, dass ihm selbst ihr Klavier ein Dorn im Auge war. Ihr geliebtes Klavier, das sie zum ständigen Begleiter erklärte, als sie es irgendwann leid war, auf kaputten Klavieren zu spielen,. Sie zeigte sich eigenwillig genug, um auf Hubert zu verzichten und sich dem Los, als singende Frau zu leben, ganz und gar hinzugeben.

Im Nachtzug durch Städte zu reisen und sich dabei vorzustellen, was die Leute gerade so machen und dass sie diese Leute irgendwie beschützen könne, auch das liebte sie. Ebenso wie die Stunde der Stille, die dann kommt, wenn die Bühne aufgebaut ist, Licht und Technik stehen und sie, schon im Velourskostüm, auf ihren Auftritt wartete. Dieses Schweben zwischen Freude und Angst, diese Energie, die auszuhalten ist, die man aber auch braucht für die Expression, für die Darstellung, für die Hingabe.

Was sie überhaupt nicht liebte, war das Nachkriegsdeutschland. Und so weigerte sie sich lange, der Einladung eines Göttinger Theaterdirektors zu folgen. Zu tief waren die Wunden der Vergangenheit, und zu viel Schmerz hatten sie hinterlassen. Als sie sich dann doch überwinden konnte, weigerte sie sich, aufzutreten. Warum? Weil statt des versprochenen Flügels NUR ein Klavier auf der Bühne stand, da die Klavier-Transporteure streikten.

 

Der verzweifelte Theaterdirektor musste vor ausverkauftem Haus um Geduld bitten und als das Konzert schließlich doch beginnen konnte, „trugen zehn blonde Burschen um 22.00 Uhr einen Stutzflügel auf die Bühne, den sie bei einer alten Dame ausgeliehen hatten“, so Barbara.

Das Konzert wurde zu einem Triumph, Barbara verlängerte ihr Engagement und trug bei ihrem letzten Konzert ein „Göttingen“ – Chanson vor, in dem sie singt von Menschen, die Hermann, Helga, Fritz und Franz heißen, von den Märchen der Brüder Grimm, von blonden Kindern und von den wunderschönen Rosen, die in Göttingen blühen. Es wurde zu einem der populärsten Chansons in Frankreich, Barbara sang es am Ende jedes Konzerts.

Man kann nicht dankbar genug sein für die Andersartigen! Unter ihnen finden sich auch immer Mutige, die sich selbst überwinden und Mauern niederreißen können. Vielleicht deshalb, weil ihre Andersartigkeit sie nicht alltägliche Erfahrungen hat machen lassen. Zu danken ist auch Joe Knipp (Regie) für das „Aus der Versenkung holen und in den Fokus stellen“ der Chanson-Sängerin Barbara. Sie hat es verdient! Last but not least: Aurélie Thépaut hat sich den herzlichen Applaus für ihre amüsanten Erzählungen zwischen Tragik und Triumph und für die musikalischen Einlagen mehr als verdient.

 

Nächste Termine:
11., 12., 13. Dezember 2014.

Theater am Sachsenring

Sachsenring 3

50677 Köln

 

Text: Alida Pisu

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