„We should all be feminists”
Donnerstag, 5. September 2019 | Text: Jasmin Klein | Bild: Judith Levold/Jasmin Klein
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Seit 25 Jahren ist der Bayenturm nun schon der: FrauenMediaTurm. An einem warmen Augustsonntag gab es deshalb einen Festakt im Turm und drumherum bei schönstem Sonnenschein, mit Reden, Turm- und Bibliotheksführungen, Lesungen feministischer Texte, Gesang und jeder Menge Kölsch.
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Severinstorburg – Tor zum VringsveedelFestakte beginnen ja immer mit dem offiziellen Teil. Und so begrüßte eine aufgekratzte Moderatorin Katja Lavassas in breitestem Kölsch die Politikerin Elfi Scho-Antwerpes, Gastgeberin Alice Schwarzer, Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner (die später auch noch viele Interessierte durch den Turm führte) und Quotenmann a.D. Fritz Schramma, der für die verhinderte OB Reker eingesprungen war.
Die drei geladenen Gäste durften für jeweils drei Minuten auf die Bühne und ihre Glückwünsche aussprechen. Sie beteuerten, wie sehr sie sich darüber freuten, dass es diesen Turm gebe und versicherten Alice Schwarzer, wie wichtig ihre Arbeit und eben auch das feministische Archiv seien. Henriette Reker ließ das durch Herrn Schramma auch noch extra ausrichten: Reker unterstütze Schwarzer IMMER!
Zeitschriften aus zwei Jahrhunderten
Die öffentliche Bibliothek des FrauenMediaTurm (FMT), deren 25. Geburtstag Anlass zur Feier war, belegt die beiden oberen Stockwerke des Turms. Knapp 29.000 Exemplare der Sammlung feministischer Zeitschriften aus fast zwei Jahrhunderten sind auf der Hängegalerie aus Stahl untergebracht.
Alice Schwarzer betrat die Bühne und erklärte, wie sie überhaupt auf die Idee kam, ein Archiv mit feministischen Schriften zu gründen: Als eine von vielen jungen Frauen habe sie in den späten Sechzigern, frühen Siebzigern gedacht, dass sie zu den ersten gehöre, die sich für die Emanzipation und die Gleichberechtigung einsetzten. Mit Erstaunen musste sie aber feststellen, dass es schon viele Frauen in den Jahrhunderten zuvor gab, die das, teils unter Einsatz ihres Lebens, getan hatten. Deshalb gründete sie 1984 das Archiv, das seit 1994 im Bayenturm beheimatet ist.
„Damit Frauen die Geschichte ihrer Emanzipation kennen, auf die sie stolz sein können! Und damit die jungen Frauen sich auf die Schultern ihrer Pionierinnen stellen – und weiterblicken.“
Feministische Texte aus zwei Jahrhunderten
Aus einer vorbeifahrenden Fahrradrikscha schallte Michael Jacksons „Beat it!“ durch die Gästeschar. Karikaturistin Franziska Becker, langjähriges Emma-Teammitglied, kam hinter der Bühne hervor und setzte sich zu ihren Kolleginnen auf die Bank vor dem Turm.
Gerade rechtzeitig, denn nun wurden feministische Schlüsseltexte aus über zwei Jahrhunderten vorgelesen. Hedwig Dohm, Virginia Woolf, Simone de Beauvoir… bekannten und weniger bekannten Autorinnen wurde hier eine Stimme verliehen; in diesem Fall die Stimmen von Anka Zink, Cordula Stratmann und Lola Klamroth, alles Kabarettistinnen bzw. Schauspielerinnen, sowie die von drei „straight white males“: Verleger Helge Malchow, Jurist Jürgen Wilhelm und Andreas Wolter, Kölner Bürgermeister.
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Café Kult – hier ist der Name ProgrammUnd während KellnerInnen kranzweise Kölsch zwischen den Tischen durchschleppten, ertönten Pamphlete, Weisheiten und Erkenntnisse durch den Rheinauhafen: Von der Frauenrechtserklärung von Olympe de Gouges, die dafür 1793 auf dem Schafott landete, „wider das verkochte und verbügelte Leben der Frauen“ von Louise Dittmar 1849, bis zur Rede vor der UN-Vollversammlung 2014 von Emma „Hermine“ Watson: „Warum ich Feministin bin“.
Alice Schwarzer saß neben einem kleinen Mädchen, das den Texten anscheinend aufmerksam zuhörte, und lächelte es immer wieder liebevoll an. Als Olympe de Gouges Satz von 1791 erklingt „Die Frau ist frei geboren“, applaudierten beide.
Gemütlicher Teil mit Rock
Irgendwann waren alle 18 Texte, die man für 2€ am Bücherstand auch kaufen konnte, gelesen, aber das Kölsch noch längst nicht versiegt. Und so betraten Elli Erl, Tina van Wickeren und die Stefan Knittler Band die Bühne. Denn zum Kölsch gab es jetzt auch den Rock, nicht das Kleidungsstück, sondern die Musikrichtung. Und so ging geht der große Festakt in den gemütlichen Teil über.
Was allerdings erstaunte: Obwohl es im Internet von jungen Netzfeministinnen nur so wimmelt, waren wenige von ihnen beim Festakt zu sehen. Erkennen sie nicht, wie wichtig es ist, auch und gerade im analogen Leben präsent zu sein? Gemeinsam zu feiern, sich zu vernetzen, und die Frau und das Team zu feiern, das unermüdlich und ohne Angst sich für die Rechte der Frauen einsetzt, unabhängig von Herkunft und Religion?
Mut und Zuversicht schöpfen
Auch wenn es vielleicht in Deutschland auf den ersten Blick nicht so aussieht: Der Weg in eine Welt, in der Frauen die gleichen Rechte wie Männer haben, ist noch sehr lang. Die Aktualität der vorgetragenen, feministischen Texte aus den Jahren 1791 bis 2017 zeigt, wie drängend das Thema immer noch ist und vielleicht noch lange bleiben wird. Das Archiv ist nicht nur wichtig, um als zentrale Aufbewahrungsstelle zu fungieren. Es soll als Quelle dienen, um aus den zusammengetragenen Schriften zu lernen, eigene Handlungen abzuleiten und aus dem Mut und der Zuversicht zu schöpfen, die die Frauen in den letzten Jahrhunderten bewiesen haben.
Ganz im Sinne der Überschrift, die zugleich Titel eines Vortrags der nigerianischen Autorin Chimamanda Adichie aus Nigeria ist, und aus dem beim Festakt gelesen wurde.
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