„Weil ich ein Cyborg bin. “ – techNOlimits
Montag, 18. Juni 2018 | Text: hmkw.de | Bild: hmwk.de
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Mit diesem Geständnis eröffnete WDR-5 Moderator Wolfang Meyer das Podiumsgespräch zum Thema technische Prothetik im Deutschen Olympia und Sportmuseum. Mensch oder Maschine – das war hier die Fragestellung. Aber wieso behauptet jemand von sich, ein Cyborg zu sein? Klingt irgendwie eher nach Fantasy-Kino-Streifen – isses aber nicht. „Ich trage eine Smartwatch. Damit bin ich doch eigentlich schon ein Cyborg,“ behauptete Meyer. Aber macht das Nutzen technischer Hilfsmittel Menschen zu mehr als Menschen? Zu Mischwesen „zwischen lebendigem Organismus und Maschine“, wie das Internetlexikon Wikipedia Cyborg definiert? Werden in Zukunft Menschen eigene Körperteile aufgeben, um sich mit Technik zu „verbessern“?
Unter dem Titel „Prothese – Antithese“ diskutierten zuletzt sechs Experten im Olympiamuseum, im Rahmen der Ausstellungseröffnung „techNOlimits“. Über die neuen Möglichkeiten, seine eigenen körperlichen Grenzen mit Technik zu überwinden und sich selbst zu optimieren oder zu modifizieren.
Nicht nur Experten im fachlichen Sinne kamen zu Wort, sondern auch „Erfahrungs-Experten“: Drei der Diskutanten tragen selbst moderne Prothesen, um den Verlust von Gliedmaßen zu kompensieren.
Körperteile stylen wird wie Haare färben
Im Laufe der Diskussion stellte sich die Frage, ob man in Zukunft eigene, gesunde Körperteile aufgeben wird, um sie durch Technik zu ersetzen.
Als Sprecherin der Cyborg e.V. in NRW hat E. Nerdinger schon einiges in Sachen-Prothesen erlebt. „Bei meiner Recherche fand ich ein Video über einen Tätowierer aus den USA, der eine spezielle Armprothese trug, die gleichzeitig eine Tätowiermaschine war. Also speziell für die Ausübung seines Berufes angefertigt wurde“, erzählte sie. „Bei vielen Menschen ist die Möglichkeit einer technischen Verbesserung von Körperfunktionen schon im Bewusstsein. Für eine spezielle Tätigkeit oder auch alleine des Looks wegen, so dass das Modifizieren des Körpers in diesem Sinne so normal werden kann wie Haare färben“, prognostizierte sie. Doch Frau Nerdinger selbst trägt keine Prothese – und traf mit ihrer Aussage auf Widerspruch.
„Das Original ist eine Nummer besser.“
Besonders T. Weidig – selbst Träger einer Unterschenkel-Prothese und Marathonläufer vertrat hier eine klare Ansicht:
„Wir müssen die Prothesen als Hilfsmittel nehmen. Wir driften ab, wenn wir Prothesen als etwas Erstrebenswertes, wie von Spiderman und Co. ansehen. Wenn ich im Stadion laufe, finden die Kids das zwar cool. Aber es wird auch in Zukunft keine Prothese gebaut werden, die dem natürlichen Sprunggelenk oder dem natürlichen Knie nahekommt. Das Hilfsmittel nutze ich – aber das Original ist eine Nummer besser.“
Angst vor Hacking
Auch in Sachen Mikrochips etc. waren sich Experten und Publikum einig, dass nicht ausschließlich eine positive Entwicklung zu erwarten ist,
„Der Außenminister der USA ließ sich seinen Schrittmacher entfernen, aus Angst vor einem Terroranschlag. So weit ist es gekommen,“ eröffnete Prof. Dr. Wagener die Diskussion über Mikrochips, die z.B. in das menschliche Gehirn eingesetzt werden sollen, um Handicaps zu beheben. Weiter sagte er: „Die Angst vor Fremdkontrolle und Hacking ist absolut real.“
Aber nicht nur bei den Experten. Auch für die Zuschauer ist eine „potentielle Fremdbestimmtheit durch Großkonzerne, wie Google oder Facebook, die maßgeblich an solchen Entwicklungen beteiligt sind“, Grund zur Angst. Und Grund zur Ablehnung solcher Technik.
„Ich bin doch keine Maschine! Ich bin ein Mensch aus Fleisch und Blut!“
Passend zur Diskussion baumelten diese und viele weitere Aussagen ausgedruckt über den Köpfen der Besucher des Deutschen Olympia und Sportmuseums in Köln. Die Podiumsdiskussion gab es anlässlich der Ausstellung „techNOlimits“ vom 9.-22. Juni 2018 – sie beschäftigt sich künstlerisch mit neuen technischen Möglichkeiten von Prothesen-Einsatz.
Die Verschmelzung von Technik und Körper steht hier im Fokus. Gemeint sind also nicht nur chipgesteuerte Arm- oder Beinprothesen – sondern auch hochmoderne Mikrochips und Implantate zur Gesundheitsoptimierung.
Mit Bild-, Video- und Ausstellungsmaterialien wird die ganze derzeitige Welt der technischen Prothese ausgebreitet.
Tanzende Kunst
Die Ausstellung ist eine Kooperation mit der DIN A 13 tanzcompany und Barnes Crossing.
Seit 1995 tanzen in der DIN A 13 tanzcompany Mitglieder mit und ohne Handicaps zusammen, manche mit Prothesen statt Gliedmaßen. Genau das macht sie aus.
Die Company machte sich unter der künstlerischen Leitung von Gerda König einen Namen, vor allem durch ihre choreographische Auseinandersetzung und der Inszenierung „anderer Körper“. Für „techNOlimits“ haben sie bei der Eröffnung und Podiumsdiskussionen Ausschnitte ihrer Performance gezeigt. Doch auch im Öffentlichen Raum, wie neulich auf der Schildergasse in der Kölner Innenstadt, machen sie mit ihren Tanzeinlagen auf sich und ihre Botschaften aufmerksam.
Gemeinsam setzen sich die Organisationen für die künstlerische Entwicklung von mixed-abled Tanz in NRW ein. Grundstein für diese Zusammenarbeit bot das Kulturfestival „Sommerblut 2018“.
„Sommerblut“
Die 17. Ausgabe des Sommerblut Kulturfestival hatte in diesem Jahr als Themenschwerpunkt den KÖRPER. Und wie immer griff das Festival für „Multipolarkultur“ dabei die verschiedensten Kunstformen auf. Ob mit Tanz, Theater, Musik, Comedy oder Ausstellungen – überall kamen mixed-abled-Teams zum Einsatz, gemischte Gruppen von Künstlern, bei denen der Umstand, ob sie gehandicapt sind oder nicht, nicht im Vordergrund stand. Klar, dass Rolf Emmerich, Leiter des Kulturfestival Sommerblut, auch unter den Gästen der Diskussion im Olympiamuseum saß.
Podiumsgespräch: Claudia Breitenbach, Kim Cremer, Gerda König, Elle Nerdinger, Prof. Dr, Andreas Wagener, Thomas Weidig
Moderation: Wolfgang Meyer
Diese Veröffentlichung entstand in Zusammenarbeit der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft und der Redaktion von meinesuedstadt.de. Text: Nora Goldschmidt & David Zielen Bild: David Zielen
Hier erfahren Sie mehr zu unserer Kooperation mit der HMKW.
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