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Gesellschaft

Wein, Weib, kein Gesang: Winzer zu Gast im Rheinauhafen und am Südstadion

Mittwoch, 15. August 2018 | Text: Reinhard Lüke | Bild: Oliver Köhler

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Als ich vor Monaten erstmals vernahm, die Kölner Weinwoche würde vom Rheinauhafen auf den Platz am Südstadion umziehen, hielt ich das für einen Witz. Schließlich ist die Brache am Bahndamm, auf der regelmäßig Flohmärkte stattfinden und im Herbst ein Zelt für die Oktoberfest-Sause aufgeschlagen wird, nun wirklich kein Ort, an dem man sich freiwillig für ein Gläschen Rebensaft niederlassen würde. Zudem staubt es dort bei Trockenheit wie Hölle und bei Regen steht man unversehens im Matsch. Kommt noch hinzu, dass es so gut wie keine Anbindung an den ÖPNV gibt und mit zufällig vorbei flanierender Laufkundschaft auf dieser tristen Meile auch nicht zu rechnen ist. Weinwoche am Südstadion – wer veranstaltet denn sowas?
Weinfest am Südstadion

Weinwoche im Hafen nicht mehr erwünscht

Joseph Nieke. Der Mann mit Firmensitz in Duisburg betreibt solche und ähnliche Märkte quer durch die Republik und war in den letzten fünf Jahren auch für die durchaus erfolgreiche Weinwoche im Rheinauhafen verantwortlich. Und natürlich, so erklärt Nieke am Telefon, sei er nicht freiwillig umgezogen. Vielmehr hätte ihn die Rheinauhafen Verwaltungsgesellschaft (RVG), die die Veranstaltungen auf dem Areal genehmigt, im November letzten Jahres wissen lassen, dass seine Weinwoche nicht mehr erwünscht sei. Man habe andere Pläne.

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Woraufhin Nieke sich nach eigenem Bekunden zunächst beim Schokoladenmuseum und dann beim Mediapark vergebens um einem alternativen Standort bemüht hat. Am Ende blieb ihm das Südstadion. Und der Unternehmer hat versucht, das beste aus der Misere zu machen. Ausgedienten Kunstrasen aus einem holländischen Stadion verlegen lassen und weiße Pavillions aufgestellt, unter denen sich auch bei Regen sitzen lässt. Nein, Anwohnerproteste, so Nieke habe es in all den Jahren im Hafen nicht gegeben. Sehe man mal von einem einzigen notorischen Querulanten ab, der da ständig gegen alles Sturm laufe.

Gläser mussten gekauft werden

Warum man die Weinwoche auf dem Harry-Blum-Platz trotzdem nicht mehr wollte, lässt sich den Berichten über eine Pressekonferenz der RVG Anfang des Jahres entnehmen. Da war viel von Niveau die Rede und dass man mit anderen Veranstaltungen ein besseres Publikum anlocken wolle. Dafür war Niekes Weinwoche mit ihrem gemischten Publikum und eher volkstümlichem Charakter, wo die Frau Schmitz auch schon mal zum lieblichen Tropfen von der Mosel griff, offenbar nicht mehr chic oder stylisch genug. So fand denn am vergangenen Wochenende mit dem „Weinfest am Rhein“ im Hafen erstmals eine Weinsause, beziehungsweise ein Event für die vermeintlich gehobenen Ansprüche statt. Das Ambiente hatte man mit diversen hölzernen Sitzgelegenheiten und ein paar Liegestühlen aufgehübscht und ausgeschenkt wurde nicht aus Anhängern sondern in „Cabanas“.

Weinfest im Rheinauhafen

Man könnte auch Bretterbuden sagen, aber das klingt entschieden weniger nach Lifestyle. Die Winzer kamen diesmal nicht mehr nur aus Deutschland sondern aus verschiedenen europäischen Weinbauregionen. Was dem Volk, das da am Wochenende in Massen einfiel, relativ gleichgültig gewesen sein dürfte.

Stylisches Leergut

Bei meinem Besuch am Freitag so gegen 21 Uhr fielen mir schon in der Dreikönigenstraße die vielen Menschen auf, die mit leeren Gläsern in der Hand offenbar auf dem Heimweg waren. Aber schließlich waren die Weinfreunde gezwungen, erstmal für 2,50 Euro ein Behältnis zu erwerben, in das sie sich dann zu Preisen zwischen 3 und 6 Euro ein Schlückchen Wein (0,1l) einschenken lassen konnten. Was man eine unverschämte oder clevere Geschäftsidee nennen kann. Der Betreiber verdient am Glasverkauf und spart obendrein die Kosten fürs Spülen.

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Aber wie auch immer, das Konzept ging offenbar auf. Es war brechend voll und das Publikum war auffallend jung (so um die 30), weiblich und offenbar gut bei Kasse. Viele Paare und andere Kleingruppen hatten zu den Gläsern gleich eine oder mehrere Flaschen gekauft, weil sie offenbar wenig Lust verspürten, sich für jeden Schluck in die langen Schlangen vor den Buden einzureihen. Entsprechend stand auch schon reichlich Leergut herum. An Glas-Container hatte man offenbar nicht gedacht. Bei Regen wäre die Sause mangels Überdachungen aber womöglich komplett ins Wasser gefallen und von Reaktionen der Anwohner war bislang auch noch nichts zu hören. Aber wer kurz vor Beendigung des Ausschanks um 22 Uhr noch ein, zwei Flaschen erstanden hat, wird das Gelände damit kaum umgehend verlassen haben.
Die Veranstalter zeigten sich in ihrer Bilanz jedenfalls überaus zufrieden. Und ein paar Euro Gewinn werden da auch wohl angefallen sein. Was ja für die RVG auch nicht uninteressant sein dürfte. Schließlich ist die städtische Häfen und Güterverkehr Köln (HGK) an der Gesellschaft lediglich mit 26 Prozent beteiligt, während der große Rest von der privaten Vonovia Immobilien Treuhand gehalten wird. Und die möchte im Rheinauhafen offenbar nichts mehr sehen, was kaum Gewinn abwirft oder zumindest nicht imagefördernd ist. So wurden die Trödelmärkte auf dem Treskow-Platz ebenso gestrichen wie der Büchermarkt entlang der Uferpromenade. Stattdessen will man am kommenden Wochende dem toten Areal durch betreutes Picknick Leben beziehungsweise Lifestyle einhauchen.

Gentrifizierung der Freizeitkultur

So vollzieht sich parallel zur Gentrifizierung des Viertels erwartbar auch die der Freizeitkultur. Sollen die normalsterblichen Südstädter eben am Südstadion ihren Wein trinken. Joseph Niekes war mit dem Auftakt seiner Weinwoche auf dem tristen Gelände auch überaus zufrieden. Und auch einiger meiner Bekannten sprachen von gutem Besuch und netter Atmosphäre bei Weinen zu moderaten Preisen und ohne Glas-Verkauf. Bei meiner Visite am frühen Montagabend verloren sich wenig überraschend nur wenige Menschen auf dem Kunstrasen. War halt Montag, Regen drohte und dann spielte auch noch der FC. Aber das mit dem Zuspruch kann ja noch werden. Die Weinwoche am Südstadion hat noch bis zum 19. August täglich geöffnet.

Text: Reinhard Lüke

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