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Gesellschaft

Weinanbau an der Severinstorburg – läuft!

Montag, 2. September 2019 | Text: Stefan Rahmann | Bild: Stefan Rahmann

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

„Es ist unglaublich!“ – Thomas Eichert steht im Weinberg am Chlodwigplatz und kann nicht glauben, was er soeben gesehen hat. „Ich habe gerade 126 Öchsle gemessen. Für einen August ist das sensationell“, jubelt er nach einem Blick durch das Refraktometer. „Das ist Trockenbeerenauslese. Danach kommt nur noch Eiswein.“

Landwirtschaft in absoluter Innenstadtlage

Sechs Sorten hat der Stadtwinzer im Schatten der Severinstorburg angepflanzt: Die Weißweine Solaris, Johanniter und Sauvignier gris, und die Rotweine Cabernet cortis, Monarch und Accent. Spitzenreiter in der Öchsle-Tabelle ist die Solaris-Traube. Die anderen fünf Sorten haben auch schon 90 Öchsle. 80 sind das Mindestmostgewicht, um Wein herzustellen. Eichert ist mit dem Saisonverlauf restlos zufrieden. Im zweiten Jahr hat er den Hügel auf der Südseite der Torburg, die laut Eichert „einzige als landwirtschaftlich nutzbar ausgewiesene Fläche in der Innenstadt“, gepachtet. Einen Euro zahlt er dafür pro Jahr.

Eigentlich hat der Stadtwinzer nicht damit gerechnet, schon in diesem Jahr Wein herzustellen. „Am Anfang dachte ich, das dauert drei oder vier Jahre bis zum ersten trinkbaren Tropfen.“ Doch auch die Hitze habe den Trauben nicht wirklich etwas anhaben können. „Ich habe Glück gehabt. Keiner meiner Weinstöcke hat zu Zeiten großer Hitze geblüht.“ Gießen musste er fast auch nicht. Und wenn doch, bekam er das Wasser auf dem kleinen Dienstweg. Denn dann hängt Cornelia Rademacher-Jülich, Pächterin der Torburg, einfach einen Schlauch aus dem Fenster. Nicht zuletzt dem erstklassigen Boden sei es geschuldet, dass er in den nächsten Tagen damit beginnen könne, die Trauben zu pressen.

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Alte Erde, gut gedüngt

Sehr alt sei die Erde, die ehedem zu dem Wall gehörte, auf dem die Stadtmauer stand. Hin und wieder findet man auch eine Scherbe aus römischer Zeit. Offensichtlich hat es der Bodenqualität nicht geschadet, dass der Hügel Session für Session an den tollen Tagen zum Hotspot der Wildpinkler wurde. In diesem Jahr übrigens nicht, wie der Stadtwinzer betont. Sein Verpächter, das Liegenschaftsamt, hat nach monatelanger Vorbereitung ein hüfthohes Zäunchen vor den Weinberg des Herrn Eichert gebaut. Der glaubt allerdings auch, dass die Narren aus Respekt vor seinem Wein ihre Geschäfte an anderen Orten abwickeln. Und hofft, dass das auch so bleibt. Er hat Verbündete: „Die unauffällige Pinkelrinne hinter einer grauen Metallwand hat sich besonders an dieser Engstelle bewährt. Der Toilettenwagen für die Mädels stand an einer anderen Ecke neben dem U-Bahn- Aufzug. Viel besser!“

Aber es gibt auch Anlass für Kritik: „Leider war der Weihnachtsmarkt eine optisch und logistische Katastrophe: Der überteuerte, mit Personal bestückte Toilettenwagen wurde wenig genutzt, leitete seine Abwässer über ein offenes Rohr in einen offenen Kanaldeckel und bändigte die rundherum entstehenden Pfützen mit Katzenstreu. Die Leute pinkelten direkt daneben auf die mächtigen Stromleitungen.“ Na ja, zumindest nicht zwischen die Weinstöcke.

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Aber Eichert erntet nicht nur Trauben, sondern auch Kritik. „Weinbau schön und gut, aber das mit dem Unkraut haben wir uns anders vorgestellt“, hat er im Liegenschaftsamt gehört. Das „Unkraut“ ist eine Dauerbegrünung aus 200 verschiedenen Pflanzen, die Insekten aller Art zum Verweilen einladen. Eichert hat schon 20 Bienen auf einem Quadratmeter gezählt. Aber der Stadtwinzer hat auch ein Problem. Bisher presst er im eigenen Wohnzimmer. Und da er sich noch um andere Weinstöcke in der Stadt kümmert, braucht er einen Raum zum Keltern. „Ideal wäre ein Erdgeschossraum in der Südstadt mit Strom und Wasseranschluss. Eine Garage oder ein Hinterhofgebäude. Idealerweise mit einem kühlen Keller darunter“, sagt Eichert. Und bezahlbar sollte das alles auch noch sein, denn er arbeitet ehrenamtlich.

Selbst saufen statt verkaufen

„Ich darf den Wein laut Pachtvertrag nicht verkaufen. Ich darf ihn nur selbst und mit guten Freunden trinken.“ Sein Freundeskreis ist in den vergangenen Monaten nicht kleiner geworden. Cornelia Rademacher-Jülich und Hülya Wolf, Wirtin der Kneipe „Torburg“ gegenüber vom Weinberg gehören schon viel länger dazu. Mit den beiden hat der Stadtwinzer ein ganz anderes Problem. Beide konkurrieren um den Titel der Weinkönigin. Doch der Winzer findet schon allein diesen Titel problematisch: „Der Kölner hat es ja nicht so mit der Monarchie. Mir schwebt da eher irgendwas Demokratisches vor.“ Welche Anwärterin dann am Ende das Rennen macht, ist völlig offen.

Der Weinanbau in der Südstadt hat Tradition. Bei einem Bauprojekt am Kartäuserwall entdeckte man einen Weingarten der Kartäusermönche. Auf einer Steintafel konnte man lesen, dass die Kartause 1556 ein Weingut nebst Haus, Stallungen, Kelter und Garten sowie drei Morgen Weingärten für 29 Gulden verpachtet hatte.

Alles über den Stadtwinzer verrät er Euch hier.

Text: Stefan Rahmann

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