Weiter online – statt total offline
Donnerstag, 7. Januar 2021 | Text: Karen Piontek | Bild: Karen Piontek
Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten
„Es läuft besser als gedacht, aber ich hoffe trotzdem, dass wir bald wieder mit Präsenzunterricht starten können!“ Mit dieser Einschätzung spricht Ulrike Schopf vom Tanzquartier aus der Südstadt wohl vielen ihrer Kollegen und Kolleginnen aus der Seele.
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Ralph Ley – SteuerberaterGemeint ist die Umstellung vieler Trainingsangebote von Präsenz- auf Onlineunterricht. Denn in persona darf seit Beginn des Lockdowns, spätestens aber seit Verschärfung der Kontaktbeschränkungen, zumeist nicht mehr getanzt, musiziert oder trainiert werden. Im Tanzquartier werden daher seit November alle Kurse für Erwachsene und Kinder online angeboten. „Ich hatte meine Zweifel, insbesondere was den Platzbedarf und die Motivation der Schüler angeht“, gibt Schopf zu. „Aber auch die Kinder haben den Online-Unterricht sehr gut angenommen und viele Eltern sind dankbar, dass wir dadurch etwas Struktur in den Lockdown-Alltag bringen“, freut sich die Tanzpädagogin. Um das zu ermöglichen, hat das Tanzquartier sowohl beim technischen Equipment als auch den Trainingsmethoden aufgerüstet. „Wir mussten uns neue Strategien ausdenken, um die Schüler in ihren jeweiligen Umgebungen anzuleiten,“ erklärt Schopf. Das Korrigieren der Tanzhaltung hingegen funktioniere auch online sehr gut. Sogar beim Ballett.
Ähnlich fällt die Bilanz von Heike Sakowski, Leiterin des SprachHauses in der Overstolzenstraße aus. Als Bildungseinrichtung klassifiziert, hätte das SprachHaus den November über zwar noch Präsenzunterricht abhalten können, doch fast alle Kurse wurden auch im Lockdown light bereits online angeboten. „Die Kurse hier zu unterrichten hätte eigentlich nur Nachteile gehabt“, findet Sakwoski. „Wir hätte die Personenzahl extrem reduzieren müssen, hinter den Masken hätte man kaum etwas verstehen können, und das Ganze wäre als reiner Frontalunterricht geendet.“ Mit der Umstellung auf Online-Kurse hingegen zeigt sich die Sprachtrainerin zufrieden. „Bei einigen Schüler/innen sehen wir online sogar eine höhere Präsenz. Zum einen, weil An- und Abreise wegfallen, aber auch, weil viele sich seit Beginn der Pandemie in größeren Gruppen nicht mehr wohl gefühlt haben.“ Wer zuhause keinen geeigneten Rückzugsort hat, kann zudem die Räumlichkeiten des SprachHauses nutzen, um sich von dort online zuzuschalten. Und auch für das Institut bieten sich Vorteile. „Wir könen jetzt mehr Kurse parallel veranstalten, denn virtuell gibt es keine Raumnot“, sagt Sakowski. Daher könne man sich auch vorstellen, Online-Kurse post-Corona als Zusatzangebot beizubehalten. Einzig die technische Ausstattung der Teilnehmer/innen bleibe eine Herausforderung. Insbesondere in den Kursen für Flüchtlinge fehle es oft an Geräten, mit denen die Schüler/innen an den Online-Kursen teilnehmen können. „Wir freuen uns daher über jeden, der uns seine alte Möhre spendet. Außer sich mit dem Internet verbinden, muss der Laptop oder das Smartphone auch nicht mehr viel können!“, beteuert die Leiterin des SprachHauses.
Lieber offline statt online
Doch das Online-Format funktoniert nicht überall gleich gut. Im Musikhaus Süd wurde daher im November auch weiterhin überwiegend auf Präsenzunterricht gesetzt. „Wir haben im ersten Lockdown online unterrichtet und können das auch jetzt bei Bedarf anbieten, aber, wo es geht, haben wir versucht, den Präsenzunterricht aufrechtzuerhalten“, schildert Klavierlehrerin Monika Böhmer. Mit der Verschärfung der Beschränkungen droht nun erneut der vollständige Wechsel in die virtuelle Probe. Vor allem den fehlenden persönlichen Kontakt zu den Schüler/innen sieht Böhmer dabei als klaren Nachteil. „Ich habe jetzt erst realisiert, wie wichtig die indirekte Kommunikation für den Lernerfolg ist. Gesten, gemeinsames Lachen, dass man mal etwas vormacht oder einen Rhythmus zusammen klatscht – all das fällt online meist weg.“ Böhmer sieht daher die Motivation vieler Schüler/innen zunehmend schwinden. Und auch für sie und ihre Kollegen/innen stelle das Online-Format zusätzliche Anstrengungen dar. „Man hockt den ganzen Tag vor einem kleinen Bildschirm und muss sich sehr viel mehr konzentrieren, um genau zu verstehen, was gespielt wird. Das führt schnell zu Rücken-, Kopf- und Augenschmerzen“, erzählt Böhmer.
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Klemmer-Roth: Bestattungen und Trauerbegleitung in der SüdstadtFür Körpermanager Erik Randrianarisoa und sein Team gestaltet sich die Umstellung auf Online-Kurse noch schwieriger. Bei den Fitness- und Gesundheitsexperten ist ein Großteil der Angebote weggefallen. Maßgeblich dafür ist die fehlende Nachfrage. „Viele Kunden sitzen eh schon den ganzen Tag zuhause, da wollen sie nicht auch noch vorm Laptop Sport machen, sondern gehen lieber draußen laufen“, erzählt Randrianarisoa. Bei den Kursangeboten in Firmen komme noch hinzu, dass viele Teilnehmer sich beim Trainieren, insbesondere vor Kollegen/innen, nicht ins heimische Wohnzimmer schauen lassen wollen. Und auch für die Trainer stellen sich online Herausforderungen. „Wir können nur noch verbal korrigieren. Wer länger dabei ist, kann das kompensieren, aber für Anfänger ist es schwierig.“ Ähnlich geht es auch Sebastian Marx von der Hundeschule Süd. Trotz Klassifikation als Bildungseinrichtung war bereits im November kein Präsenzunterricht mehr erlaubt. „Das versteht keiner, insbesondere weil unser Unterricht größtenteils draußen stattfindet und die Ansteckungsgefahr somit wirklich gering ist“, beklagt Marx. Online-Unterricht ist für den Hundertrainer jedoch keine echte Alternative. „Es braucht einfach den persönlichen Kontakt mit dem Tier“, findet Marx. Um ihre Kunden auch in der jetzigen Situation ein wenig unterstützen zu können, bieten Marx und sein Team Notfallbetreuung per Telefon an und verteilen Hausaufgaben. „Einige Hundebesitzer schicken uns dann Videos, die können wir analysieren und Feedback geben.“
„Viele hören auf!“
Die Lockdown-Verlängerung lässt sowohl Marx als auch Randrianarisoa daher sorgenvoll in die Zukunft schauen – trotz finanzieller Unterstützung durch den Staat, die allen Einrichtungen zusteht, denen der reguläre Unterrichtsbetrieb derzeit untersagt ist. „Mal abgesehen davon, dass wir von dem Geld noch nichts gesehen haben, der kurzfristige Umsatzverlust ist das kleinere Übel“, findet Körpermanager Erik Randrianarisoa. Vielmehr befürchtet er, dass viele Kunden langfristig wegbrechen. „Wir können derzeit nicht akquirieren und es hören überproportional viele Kunden auf. Das lässt sich auf die Dauer schwer kompensieren.“ Den Verlust von Kunden fürchtet man auch im Tanzquartier und dem Musikhaus Süd. Ein paar Schüler/innnen sind schon abgesprungen. „Es fällt ja nicht nur Präsenzunterricht weg, sondern auch Feste oder Konzerte“, so Klavierlehrerin Monika Böhmer. Die Vorspiele, für die normalerweise die ganze Musikschule zusammen kommt, seien für viele Schüler/innen das Highlight des Jahres. „Langfristig ist es online einfach nicht das Gleiche und vor allem das gemeinsame Miteinander lässt sich auf die Dauer nicht kompensieren.“
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