Literatur, eine inklusive
Mittwoch, 3. April 2019 | Text: Desiree Gorges | Bild: Desirée Gorges
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Wenn der FC Köln, Dynamo Dresden und ein Ritter in einem Kampfgarten aufeinandertreffen, dies dann über den Kölner Zoo zu einem Plüschlöwen samt Käfig und Handtasche führt und das Königspaar die gerettete Beziehung mit einem Restaurantbesuch feiern kann, klingt das auf jeden Fall nach Friedrich Schiller. Oder besser gesagt, nach einem ausgesprochenen: Remix.
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Privatpraxis für Physiotherapie Frauke StöberBei der lit.COLOGNE Veranstaltung Remix! oder Wie ich die Welt seh´, ging es genau darum: um Klassiker der Weltliteratur wie Schillers Handschuh, die von jungen Menschen mit so genannten Lernschwierigkeiten neu interpretiert wurde und damit Einblick in ihre Denke ermöglichten. Von der Idee waren nicht nur die MacherInnen der lit.COLOGNE schnell überzeugt. Auch der Zuspruch der BesucherInnen ließ nicht lange auf sich warten. „Nach vier Stunden war die Veranstaltung ausverkauft“, verriet Programmmacherin Eva Schuderer zum Auftakt der Lesung den ZuschauerInnen, die eine Karte für diesen Abend am 25. März im Comedia Theater hatten ergattern können. Und auch die Stimmung, die sich schon bei der Lesung der ersten drei Remix-Texte einstellte, hätte nicht besser sein können. Abwechselnd lasen die SchauspielerInnen Carina Kühne, mit Down-Syndrom, und Benno Fürmann, ohne Down-Syndrom… Durch den Abend geführt hat WDR2-Moderatorin Sabine Heinrich.
Von der Schreibwerkstatt auf die Bühne
Das heiße Ding der Literaturwelt, wie Eva Schuderer die Lesung zuvor betont vollmundig eingeordnet hatte, ist Teil der Veranstaltungsreihe Inclusion Infusion. Der Kölner Verein mittendrin e.V. hat sie ins Leben gerufen, um Kulturveranstaltungen für Menschen mit Behinderungen stärker zu öffnen. Daraus entstanden sind verschiedene Kooperationen mit KünstlerInnen, VeranstalterInnen und etablierten Festivals, in diesem Jahr zum ersten Mal mit der lit.COLOGNE. „Es geht um die Vielfalt, auch auf der Bühne“, beschreibt Tina Sander von mittendrin e.V. das Ziel dieser Reihe, die neben barrierefreiem Zugang zu Veranstaltungen auch die Übersetzung der Inhalte in Gebärden- und Schriftsprache umfasst.
Der weltliterarische Remix, an dem sich das litCOLOGNE-Publikum im Comedia Theater über 90 Minuten lang erfreuen durfte, ist das Werk von insgesamt neun jungen AutorInnen mit so genannten Lernschwierigkeiten. Unter Anleitung des Kölner Poetry Slammers Florian Cieslik haben sie in einer Schreibwerkstatt an zahlreiche Neuinterpretationen gearbeitet, die mit viel Witz, Tiefgang und Überraschungsmomenten die ZuhörerInnen in ihren Bann zogen. Neben persönlichen Interessen wie Fussball, Märchenwelten oder Metallica wurde der Bezug der AutorInnen zu Köln in nahezu allen Texten deutlich. So ging es bei der Neuinterpretation von Werken des Schriftstellers David Mitchell neben Horror und Knast um Meisterwerke wie Bücher, Lehrer und dabei vielfach auch um Köln, das wahre Meisterwerke wie den Dom oder seine verkehrstechnische Infrastruktur hervorgebracht hat – und natürlich auch den Karneval, Kölsch und die Brings, von denen Autorin und Aktivistin Natalie Dedreux ihr Faible für das Schottenmuster übernommen hat. Die letzte Infusion Remix-Literatur-Runde führte dank Dieter Wellershoffs „Pan und die Engel – Ansichten von Köln“ in die Südstadt, wo der 2018 verstorbene Schriftsteller lange lebte. Die Inspiration der Remix-AutorInnen reichte hier gleich für eine ganze Reihe von Texten unter den Titeln Südstadt I-IV und mehr.
Spaß bei der Arbeit
Dass alle Beteiligten mächtig Spaß bei diesem Projekt hatten, war zu spüren, sei es bei den charmant und spannend vorgetragenen Texten von Carina Kühne und Benno Fürmann oder den quirligen Reaktionen der AutorInnen, die sich in der ersten Reihe über die Live-Darbietung ihrer Werke freuten. „Es war eine sehr gute Arbeitsatmosphäre. Sehr lustig und amüsant“, bestätigte Jungautor Samuel Kress im Gespräch mit Sabine Heinrich den Eindruck. Auch Kollegin Miriam Fervers war begeistert und bedankte sich bei ihrem „Lehrer“ Florian Cieslik dafür, dass er ihr das Texteschreiben beigebracht und sie korrigiert habe „damit das dann auch gelesen werden kann.“ Florian Cieslik hat ebenfalls viel für sich aus dem Projekt mitgenommen: „Ich habe gelernt, dass es gut ist, auch mal weniger vernunftbasiert und erwachsen an Dinge ranzugehen, einfach mal ein bisschen unvernünftiger zu sein.“
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Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg – DPSG KölnDass am Ende des Abends sage und schreibe 27 wortgewaltige Remix-Texte nebst Originaltexten zu Gehör gekommen waren, mag sich im ersten Moment nach so einer Unvernunft anhören, hat aber gute Gründe: „Es waren viele kurze Texte dabei“, gibt Florian Cieslik zu bedenken und erklärt, dass dies oftmals einfach besser funktioniert habe, als den AutorInnen in der Schreibwerkstatt pauschal Seitenlängen vorzugeben. Die geballte Anzahl an Texten hat auf jeden Fall repräsentiert, was die Veranstaltung auf die Bühne bringen wollte: Die ganze Vielfalt. Das Publikum hatte hörbar Spaß und dankte mit großem Applaus. Zum Abschluss ergriff noch Autorin Rose Berlik spontan das Wort und bedankte sich bei Benno Fürmann mit einem selbstgemalten Bild für das Lesen ihrer Texte.
Wie es mit den Werken der neuen AutorInnen weitergeht, steht zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht fest. Tina Sander und Florian Cieslek sind sich aber sicher, dass es zu einer Veröffentlichung kommen wird.
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