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Sport

Weltmeister wurde ich in Hüsten, Köln und Caldonazzo

Freitag, 23. März 2018 | Text: Stefan Rahmann | Bild: Stefan Rahmann

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Falsche Bescheidenheit hat hier nichts, aber auch rein gar nichts zu suchen. Als dreifacher Titelträger laufe ich nämlich an dieser Stelle mit ganz breiter Brust auf. Die Körpersprache lässt nichts zu wünschen übrig. Jetzt kommt‘s: Weltmeister wurde ich in Hüsten, Köln und Caldonazzo. Und jetzt bin ich endlich da, wo ich mich mit sieben Jahren sah. Eine Hand am WM-Pokal. Na ja, so gut wie fast beinahe. Das Goldstück, das alle vier Jahre die Fußballweltmeister in die Höhe recken, macht nämlich einen Tag Station in unserm Veedel: Im Sportmuseum. Der Pokal ist so hoch wie ein handelsübliches Lineal lang, wiegt sechs Kilo und hat einen Materialwert von 120.000 Euro. Soviel kosten sechs Kilo Gold. Könnte man das hässliche Ding kaufen, Messi hätte das wohl längst getan. Kann er selbstverständlich nicht. Vor dem WM-Pokal sind bis auf die Gewinner alle gleich. Was haben Lionel Messi Superstar und ich, Ergänzungsspieler Thekenmannschaft, gemeinsam? Jedes Mal, wenn wir diesen Pokal sehen, gilt für uns beide: Nur gucken, nicht anfassen. Aber im Gegensatz zum argentinischen Kollegen habe ich schon drei Triumphe gefeiert. Am Fernsehen 1974 im sauerländischen Hüsten, 1990 in einer Wohnung an der Merowinger Straße, und 2014 im Urlaub in Caldonazzo im Trentino. Dort habe ich erst nach gutem Zureden von mir sehr nahe stehenden Menschen nach Spielschluss von einem mitternächtlichen Autokorso abgesehen. Danke noch mal. Unser italienisches Urlaubsdorf schlief nämlich schon bis auf den letzten Mann. Bestimmt aus Trotz. Die hinter dem Brenner waren ja schon in der Vorrunde rausgeflogen.

Kinder vor dem DFB-Fan-Bus.

Kinder vor dem Fan-Bus des Deutschen Fußball-Bundes.

Brause-Rummel im Sportmuseum

Im Sportmuseum ist die Präsentation des Pokals ein echter Brause-Rummel. Hier haben allerdings nicht die roten Bullen aufgefahren sondern der Mitbewerber, der den Brausemarkt schon länger mit Cola fett und mager beliefert. Schulklassen drängeln sich in nicht besonders langen Schlangen. Das Ganze ist ein bisschen Phantasialand. Bei Rolf aus Bergisch Gladbach ist die Vorfreude auf das Foto mit Pokal nicht ganz ungetrübt. Der 43-jährige FC-Fan leidet ja im Prinzip schon die ganze Saison, und jetzt auch noch das: Rolfs Frau hat ihm das falsche Trikot für das Foto eingepackt. Als Rolf das Nationalhemdchen aus dem Rucksack zieht, kriegt er einen Hals. Nur drei Sterne auf der Brust. Dabei haben wir doch seit Rio vier. Rolf greift zum Smartphone und wählt die Nummer seiner Gattin. Auf die Mailbox spricht er nicht. Der Kommentar in meine Richtung zu der Katastrophe kommt eher schmallippig daher: „Frauen.“ Mein Bild mit Cup gerät zu einer routinierten Angelenheit: Hinstellen, geknipst werden, raus ohne Applaus.

Ehrfurcht vor der Panzerglas-Vitrine

Vor dem Sportmuseum schweifen meine Gedanken in die Vergangenheit. Der Pokal und ich kennen uns ja schon länger. Das erste Mal gesehen haben wir uns vor den Sommermärchenwochen 2006. Rückblende: Damals standen der Pokal und ich in einem Saal im Cinedom. Er in einer Vitrine aus Panzerglas, ich in einer elend langen Schlange. Aber es war anders damals. Im Cinedom und insgesamt. Das hatte mehrere Gründe. Zuerst natürlich: Das ganze Prozedere der Pokal-Präsentation war deutlich erhabener. Der goldene Traum aller Kicker in der Öffentlichkeit – das kannte man vorher so nicht. Fast nur gestandene Männer in der Schlange, die sich der Vitrine ehrfürchtig näherten. Kein Kindergeschrei im Cinedom. Ehrer andächtige Stille. Der zweite Grund: Wir waren damals nicht Titelverteidiger. Nach der vernichtenden Klatsche kurz vor dem Turnier gegen Italien waren die Erwartungen an unsere Mannschaft 2006 denkbar gering. Kommen wir überhaupt ins Achtelfinale? Gegen die Giganten aus Costa Rica, Ecuador und Polen? Diese Frage wurde im Frühsommer ernsthaft diskutiert. Wir waren alle sehr bescheiden vor zwölf Jahren. Und drittens war das Turnier vor unserer Haustür. Keine Zeitverschiebung wie bei den Weltmeisterschaften vorher etwa in Japan, Südkorea und USA.

WM-Pokal im Sportmuseum

Meine Güte, ist der Pokal alt geworden. Wenn man nicht wüsste, dass er es ist…

Stürmische Liebe zum Berufshobby der Multimillionäre

Vor der Haustür hieß damals erstmals, dass plötzlich alle, wirklich alle, beteiligt sein wollten. Aus den mehr oder weniger kleinen Männerrunden, die bei den Turnieren vorher bei viel Bier über wenige Tore gejubelt hatten, wurde Public Viewing in größerem wenn auch immer noch kleinen Rahmen. Auch bei uns in Hinterhöfen, in den Kneipen und drumherum. Aus vielen überschaubaren Events im Veedel wurde ein gemeinschaftlich-friedlich-freundlich-nachbarschaftliches Südstadt-Event. Umsonst und draußen. Besonders bunt war das im Block natürlich nicht. Denn mit Schwarz-Rot-Gold waren die Farben für die meisten damals kaum verhandelbar. Neu war, dass viele in Landesfarben geschminkt waren und sauteure Original-Trikots der Nationalmannschaft trugen. Da staunten die Traditionalisten, und die Event-Fans übernahmen erstmals den Rundum-Sorglos-Support. Das hat sich bis heute nicht geändert. Fußball ist den neuen Fans eigentlich egal. Aber alle vier Jahre erwacht ihre kenntnislose aber stürmische Liebe zum Berufshobby der Multimillionäre in kurzen Hosen.

Panini-Sammler sperrten die Bismarckstraße

Unvergessen auch der Hype um die Panini-Bilder, der damals im Land hohe Wellen schlug. „Gottes Grüne Wiese“ organisierte während der WM eine Tauschbörse für Spielerfotos. Und war völlig überfordert. Am Ende saßen vor der legendären Fußballkneie hunderte junge und nicht mehr ganz so junge Sammler mitten auf der Bismarckstraße und versuchten, mit Hilfe der anderen ihr Album zu komplettieren. Die Straße war für Stunden unpassierbar. Hupende Autos wurden ignoriert. Um denen Platz zu machen, war das Tauschen einfach zu wichtig. Meinem Sohn und mir fehlte am Ende ein Spieler, um unser Album voll zu machen. Ich hätte viel gegeben, um das zu ändern. Auch die verzweifelte Suche auf der Bismarckstraße war vergeblich. Eine Bestellung bei Panini kam natürlich nicht in Frage. Und so blieb ein Feld im Sammelheft leer: Massamesso Tchangai aus Togo. Bis heute eine Fehlstelle in meinem Leben. Den Namen vergesse ich nie.

Engländer auf Dixie-Klos

Mindestens genauso unvergessen: England gegen Schweden auf dem Kirmesplatz am Deutzer Hafen. 30.000 von der Insel forderten derart lautstark Gottes Schutz für die Königin, dass einem die Härchen auf den Unterarmen steil gingen. Am Zaun zum Rhein standen 50 Dixie-Klos. Das Kölsch, das die Engländer intus hatten, musste ja irgendwo hin. Beim ersten Tor ihrer Mannschaft flogen die Klo-Türen auf und die Hälfte der Jungs jubelte, wie Gott sie schuf. Untenrum. Am Ende hatte England die Dächer der Dixies als Dancefloors entdeckt. Binnen Minuten schrumpften die Klos auf die Hälfte ihrer Original-Höhe. Was für ein Abend!

Elfmeterschießen mit Spickzettel

Und dann gab es da noch diese Parallelwelt, in die uns Sönke Wortmann den Blick weitete, nachdem alles vorbei war. „Wir sind immer in Bewegung. Wir sind immer da. Wir sind immer auf Tuchfühlung. Es geht darum zuzubeißen. Kontrolliert, höchst aggressiv – aber diszipliniert.“ Wer glaubt, das wir von „Meine Südstadt.de“ nach diesen Vorgaben für unsere Texte recherchieren, hat natürlich völlig recht. Die hochmotivierenden Sätze haben wir übrigens übernommen von einer Kabinenansprache des damaligen Bundestrainers Jürgen Klinsmann vor dem Viertelfinale gegen Argentinien. Die Älteren erinnern sich: Elfmeterschießen und Lehmann mit dem Spickzettel.

Irgendwas mit Fußball: Vielleicht Zuschauer

Aber zurück in die Gegenwart. Der Pokal wandert weiter durch die Republik und irgendwann im Sommer in die Hände eines Mannschaftskapitäns. Und wir? Wir gucken uns das alles im Fernsehen an und halten es mit dem ehedem überragenden portugiesischen Mittelfeldzauberer Deco: „Wenn ich nicht Fußballer wäre, würde ich irgendwas anderes mit Fußball machen. Vielleicht Zuschauer.“

Text: Stefan Rahmann

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