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Neuigkeiten Politik

Wenig Beteiligung der Bürger bei der Bürgerbeteiligung

Donnerstag, 21. Juni 2012 | Text: Wassily Nemitz | Bild: Tamara Soliz

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Die Bahntrasse markiert die Grenze – ganz offiziell, hier endet der Stadtbezirk Innenstadt und beginnt der Stadtbezirk Rodenkirchen – und darüber hinaus lassen sich auch Unterschiede in der Mentalität der Bewohner feststellen.

?Jüngstes Beispiel dafür war eine Veranstaltung zur „frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung“ an einem Neubauprojekt in Bayenthal: Ein Investor möchte das ehemalige Gelände des Bundesverbandes der Industrie (BDI) am Gustav-Heinemann-Ufer neu nutzen.? Auf Einladung von Rodenkirchens Bezirksbürgermeister Mike Homann (SPD) waren etwa vierzig Bürger im Forum für Fotografie erschienen, um mit städtischen Vertretern und dem Investor sowie seinen Architekten über die Planungen zu diskutieren. Wirklich kritische Punkte wurden jedoch gar nicht angesprochen.??

 

Zunächst erläuterten Herr Makrutzki vom Stadtplanungsamt sowie Frau Remmert-Stuckmann vom Münchner Investor Tauton mithilfe der zuständigen Architekturbüros, was genau auf dem Gelände vorgeplant wurde:? Zum einen soll das Hochhaus, derzeit äußerlich durch braune Fassadenelemente und orange verspiegelte Scheiben zu erkennen, umgebaut werden und durch sieben weitere Gebäude rundherum ergänzt werden.? Das auf einem Nachbargrundstück befindliche Haus der Zürich-Versicherung soll abgerissen werden.?

 

Visualisierung des Städtebauliches Planungskonzept „Gustav-Heinemann-Ufer 84“, Architektur Büros Astoc und JSWD, Köln.

 

Das neue Areal soll den Vorstellungen des Investors zufolge zu einem Großteil zum Wohnen genutzt werden: Nur ein Komplex, der direkt an das Gustav-Heinemann-Ufer grenzt, soll als Bürogebäude genutzt werden. Für die restlichen Flächen ließen sich Büroflächen an der Stelle „nicht mehr vermarkten“, hieß es seitens der Investoren zur Begründung.?

Die Architekten der Büros JSWD und ASTOC erläuterten, dass ihnen an der Erhaltung des Charmes gelegen sei, den das Hochhaus derzeit ausstrahle. So soll die geschwungene Form des Baus erhalten bleiben, während die Fassade vollständig umgestaltet wird: unter anderem sollen Balkons installiert werden. Die Größen der Wohnungen sollen bereits bei 50 Quadratmetern beginnen. Für den Umbau ist eine weitgehende Entkernung notwendig. Außerdem sollen die umfangreichen Sicherheitsschleusen am Eingang entfernt werden, die nach einem Anschlag der RAF Anfang der 80er Jahre dort installiert wurden.??

 

Weite Teile des Geländes sollen mit einer Tiefgarage versehen werden, deren drei Ein- und Ausfahrten am Rheinufer, an der Oktavianstraße und an der Schönhauser Straße liegen sollen. Groben Berechnungen eines Gutachters zufolge sollen die Belastungen durch den Verkehr nur unwesentlich steigen. Im Vergleich zu den Zeiten, in denen der BDI noch in dem Gebäude residierte, sei die verkehrliche Belastung sogar höher gewesen, behauptete der Gutachter.?

Von den 78 Bäumen, die auf dem Gelände vorhanden sind, sollen sechs erhalten bleiben, der Rest wird gefällt. Allerdings sollen gemäß der Baumschutzsatzung, die entsprechende Ersatzpflanzungen fordert, 141 neue Bäume gesetzt werden, 50 davon auf dem Grundstück. Die Flächen zwischen den Gebäuden sollen als Grünfläche ohne Verkehr eingerichtet werden, außerdem sind zwei Kinderspielplätze geplant.??

 

Soweit, so gut. Dann hatten die Bürger das Wort. Mithilfe eines Fragensystems, bei dem die Anwesenden ihre Fragen zunächst auf Zettel schreiben mussten, sie anschließend aber selbst wieder präsentierten, äußerten sie ihre Bedenken.?

Wirklich harsche Kritik wurde aber nicht vorgetragen: Ein Mann beklagte sich über den grundsätzlich schlechten Zustand des Stadtteils und über ein verwildertes Grundstück, das an sein Haus grenze. Was das jetzt mit dem Projekt des Investors zu tun hatte, bleibt wohl sein Geheimnis. Eine Bürgerin äußerte Bedenken zu den entstehenden Verkehrs-Belastungen, sie als Anwohnerin könnte sich gestört fühlen. Außerdem wies sie darauf hin, dass der Verkehr an der Rheinuferstraße (36 000 Fahrzeuge täglich) ihrer Auffassung nach grundsätzlich zu stark sei.?

Der ehemalige Stadtkonservator, Dr. Ulrich Krings, beklagte, dass die Fassade des Hochhauses nicht erhalten werde. Diese „Anmutung des eleganten Gebäudes“ sei „erhaltenswert“ und spiegele einen ganz besonderen Zeitgeist wieder. Für diese Auffassung hatte die zwischenzeitlich erschienene Leiterin des Stadtplanungsamtes, Anne-Luise Müller, nur ein Lächeln übrig. ?Der Investor hingegen betonte, er habe die Fassade erhalten wollen, was jedoch nicht möglich gewesen sei, da sie zum einen asbestbelastet und zum anderen korrodiert sei.

 

??Dann war die Fragerunde fast schon beendet. „Kann ich mir kaum vorstellen, dass schon alle Fragen geklärt sind“, sagte Bezirksbürgermeister Homann etwas konsterniert. Dann kam doch noch jemand – und fragte, wenn auch nur ganz am Rande, das erste Mal etwas wirklich Bedeutendes: „Soll denn da sozialer Wohnungsbau entstehen?“. Soll nicht, damit gaben sich alle zufrieden und gingen nach Hause. Das war dann die Anregungen der Öffentlichkeit. Es wäre verwunderlich, wenn die Investoren aus diesem Abend wirklich noch etwas an ihrem Konzept ändern würden – denn wirklich grundlegend kritisiert wurde nichts.?

 

Was ist denn mit sozialem Wohnungsbau? Mit umweltfreundlichen Baumaterialien? Mit energetischen Gebäuden? Mit Solar-Panelen auf dem Dach? Danach fragte niemand. Jenseits der Bahntrasse, in der Südstadt, wäre eine Veranstaltung wie diese undenkbar gewesen. Dort wäre es wahrscheinlich, Erfahrungen mit anderen Projekten zeigen es, zu einer wahren Kampf-Veranstaltung mit hitziger Diskussion gekommen. Nicht nur über verwilderte Grundstücke in Bayenthal und die Erschließung durch einen neuen Fußweg. Hier, in Bayenthal, schien es den Bürgern eher um ihre eigenen Belange und Nachteile, die für sie durch das Projekt entstehen könnten, zu gehen und weniger um das, was kommt. Soziale Durchmischung im Stadtteil war gar kein Thema.??

 

Tauton-Geschäftsführerin Remmert-Stuckmann, Bezirksbürgermeister Mike Homann und Herr Niermann (v.l.).

 

Nach der Veranstaltung sagte Rodenkirchens Bezirksbürgermeister Mike Homann im Gespräch mit „Meine Südstadt“, dass es sicherlich auch seinem Wunsch entspreche, sozialen Wohnungsbau zu fördern. Allerdings sei das aus Kostengründen nicht möglich. „Wenn Sie hier das Zehnfache für eine Wohnung zahlen, ist klar, dass sozial Schwächere eher in die Außenbezirken gedrängt werden“.?

Was die neuen Wohnungen, übrigens sowohl für Vermietung als auch Verkauf, kosten sollen, konnte Tauton-Geschäftsführerin Remmert-Stuckmann noch nicht sagen: „Dafür ist es zu früh.

 

“??Wer trotz oder gerade wegen der eher mauen Öffentlichkeitsbeteiligung seine Anmerkungen und Wünsche zu dem Projekt einbringen möchte, kann das bis zum 03.Juli 2012 gegenüber dem Bezirksbürgermeister des Stadtbezirks Rodenkirchen, Mike Homann, tun. Die Adresse:? Hauptstraße 85, 50996 Köln oder per Mail an Mike.Homann@Stadt-Koeln.de

Text: Wassily Nemitz

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