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Südstadt

„Wer den Kopf in den Sand steckt, verbrennt sich den Arsch“

Montag, 28. März 2022 | Text: Evelyn Maria Denda | Bild: Maf Räderscheidt

Geschätzte Lesezeit: 7 Minuten

Künstler:innen und die Südstadt – eine Verbindung, die uns immer wieder spannende Geschichten von Menschen aus dem Veedel beschert. Meinesuedstadt hat mit Maf Räderscheidt, erfolgreiche Malerin und Autorin gesprochen. Über ihre Beziehung zur Südstadt, ihren Verlust durch die Jahrhundertflut letztes Jahr in der Eifel, ihren größten Wunsch, ihre Kunst, und wie wichtig es ist, die eigenen Überzeugungen nie aufzugeben.

Meine Südstadt: Was verbinden Sie mit der Kölner Südstadt und können Sie einen persönlichen Lieblingsort ausmachen?
Maf Räderscheidt: Die Kölner Südstadt ist für mich superwichtig. Sie ist für mich ein Stück Vergangenheit. Und auch ein Symbol des Sich-Aufstellens. Vom Student:innen-Leben hin zum Künstler:innen-Leben, umgeben von besonderen Menschen fernab der kleinbürgerlichen Spießigkeit. Besonders gerne erinnere ich mich an das echte alltägliche Miteinander, das es heute leider vielerorts nicht mehr gibt.

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Ich wollte von Baby an Malerin werden. Die einzige Kunstschule, die von meinem Kölner Zuhause aus erreichbar war, waren die Kölner Werksschulen am Ubierring. Und kaum, dass ich mit Bussen und Bahnen fahren konnte, habe ich mich nach der Schule immer mit der Straßenbahnlinie 16 zum Ubierring aufgemacht. Dort habe ich mich gerne in ein kleines Eiscafé gesetzt und die Leute bewundert; besonders interessant waren natürlich die Kunststudent:innen. Schon da hatte die Südstadt ein ganz besonderes Flair. Das Veedel war zu der Zeit noch ein Nachtjackenviertel – nicht schick, sondern eher heruntergekommen und dennoch originell. Da herrschte das Lebensgefühl der späten 68er-Generation. Und dann durfte ich selbst in die heiligen Hallen der Kunstschule treten – das war für mich mein Leben.

Später habe ich in der Alteburger Straße 7 nicht nur einen Laden und eine kleine Wohnung gehabt, sondern auch eine kleine Halle, wo viel Kunst produziert wurde, auch Fotografen ansässig waren und vieles andere mehr. Dort habe ich zusammen mit meinem kleinen Hund, den ich aus Venedig gerettet habe, viele spannende Geschichten erlebt. Mit ihm bin ich immer im heutigen Friedenspark spazieren gegangen. Das war mein Lieblingsort, wo ich immer nette Menschen getroffen habe. Von dort sind wir dann zur Eisenbahnbrücke spaziert; das war zweimal am Tag meine Welt. Dort habe ich auch viele wüste Begegnungen gehabt. Und als ich dann meinen schwarzen Gürtel in Karate hatte, bin ich bewusst mit tiefem Dekolletee dort entlang spaziert – einsetzen musste ich meine Karatekunst dennoch nie.

Landschaft / Bild: Maf Räderscheidt

Die Südstadt ist für Sie ein großes Stück Vergangenheit. Wie ist Ihr Verhältnis heute zur Südstadt?
Heute ist das Verhältnis wieder sehr gut. Es gab einen Einbruch meiner Südstadtliebe, als mein toller Vater Johann Räderscheidt, selbst Maler, verstorben ist. Köln ohne meinen Vater war nicht mehr so wie zuvor. Und auch die Südstadt hatte sich sehr verändert; so gab es einige meiner früheren Lieblingsorte, wie auch das Lieblings-Frühstückscafé mit dem geliebten Blaubeermüsli, nicht mehr. Und überall zugeparkte Straßen.

Die Stadt meiner Galerie, Werkstatt, meines Archivs und Ateliers war dann Gemünd, leider in einem Tal gelegen, wenngleich auch in den Bergen. Dann kam im vergangenen Jahr die Jahrhundert-Flut, bei der ich fast alle meine Werke verloren habe. Genau zu der Zeit hat sich meine Tochter entschieden, aus Berlin zurück nach Köln zu kommen. Sie wohnt jetzt auf der anderen Seite der Eisenbahnbrücke. Und oft stehen wir gemeinsam auf der Brücke, schauen auf die Südstadt und ich erzähle Geschichten aus der Südstadt. Wenn man so eine kleine Südstadtkraat ist wie ich – das legt man nicht ab.

Gibt es ein Erlebnis, das sie als erstes mit der Kölner Südstadt verbinden?
Neben vielen kleinen Alltagserlebnissen ist dies mein Karriereende in der Südstadt: Etwas über das ich nicht klagen möchte, sondern worauf ich rückblickend stolz bin.  Während meiner Zeit als Studentin habe ich meine feministischen Überzeugungen gewonnen. Mein Schlüsselerlebnis war, als ich als Meisterschülerin von Marianne Kohlscheen-Richter zusammen mit anderen Meisterschülerinnen festgestellt habe, dass wir im Gegensatz zu unseren männlichen Kommilitonen nie eine Ausstellung im Foyer der Schule ausgerichtet bekamen. Mit meinen Kommilitoninnen haben wir daraufhin die Gruppe „das freudige Ereignis“ gegründet, die aus 13 Künstlerinnen bestand – und letztlich das Recht auf eine eigene Ausstellung durchsetzen konnte. Zu Beginn der achtziger Jahre habe ich dann als Kreativ-Beraterin für die Zeitschrift Emma gearbeitet und durfte dort auch über Missstände in der Behandlung von Künstler:innen berichten. Einer meiner Berichte in der Emma führte schließlich zu einer Podiumsdiskussion am Ubierring, bei der ich nicht länger über mir bekannte herrschende Missstände in der Kunstszene geschwiegen habe. Dass dies das Ende meiner Karriere in der Südstadt bedeutete, bereue ich nicht. Denn ich möchte, dass alle Menschen, unabhängig von Gender und Herkunft, dieselbe Chance auf ein erfülltes Leben haben.

Wie nehmen Sie Ihre Überzeugung in Ihrer Kunst auf?
Künstler:innen haben Freiheit. Wer Freiheit hat, hat auch immer eine Verantwortung. Maler wird man nicht vom Weggucken und Malerin schon zweimal nicht. Ich sehe hin, bei Dramatischem genauso wie bei Schönem. Wer den Kopf in den Sand steckt, verbrennt sich den Arsch! Mein Großvater sagte immer: Maler, male, rede nicht. Und deshalb habe ich das Ziel, immer den Pinsel ähnlich wie die Kamera auf die Umstände zu halten und ihnen Ausdruck zu verleihen.

Farbkomposition von Maf Räderscheidt

Gab es ein Ereignis, mit dem Ihre Liebe zur Kunst erwacht ist?
Ich bin in einer Malerfamilie groß geworden. Deshalb waren meine Eltern auch nicht so dankbar, dass auch ich Malerin werden wollte. Denn sie wussten, was mich erwartet und dass es gerade für eine Frau nicht immer einfach sein würde, sich zu behaupten. Aber ich war nicht von meinem Weg abzubringen. Malerei war und ist für mich das Hauptkommunikationsmittel. Und ich habe nie viel anderes gemacht, als gelesen und gemalt. Malen und Schreiben waren meine Welt. lch wollte gerne die nächste Michelangela werden. Meine Großmutter hat mir mit auf den Weg gegeben: Mit der Malerei ist es wie in einem Konvent: Entweder man macht es richtig, oder gar nicht. Du hast so wenige Chancen, also nutze die eine, die Du hast.

Wie würden Sie Ihre Kunst beschreiben?
Angefangen habe ich mit kleinen Kupferstichen und Radierungen. Mit ihnen hatte ich sehr ,sehr viele Ausstellungen, ich hab sie nicht gezählt, aber es sind mehrere 100 gewesen. Nach einigen Jahren habe ich mein Kunstkonzept hinterfragt, auch wenn meine Radierungen mit Ausnahme der Anfangswerke politisch engagiert waren – der Betrachter entdeckt hier schnell Atomkraftwerke oder homosexuelle Paare. Und die politische Motivation war es auch, mit der ich mich von den Radierungen hin zu Performances wandte. Mit meinen Kolleginnen habe ich dann angefangen, mit allem auf alles zu malen. Besonders gern erinnere ich mich an riesige Kohlezeichnungen, auf denen ich die Körpersprache von Frauen festgehalten habe. Von dort aus bin ich schließlich wieder zur Malerei gekommen.

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Spielt die Südstadt in Ihrem Kunstschaffen eine unmittelbare Rolle?
Auf jeden Fall konnte ich bis heute viel von dem Lebensgefühl der Südstadt mitnehmen. Nicht nur der Umgang mit den Kunststudent:innen hat mich beeinflusst, auch das Leben in der Südstadt an sich. Das war ein Miteinander, ein Sich-Reiben. Und dies hat auch die psychologisch-intellektuelle Seite meiner Arbeit geprägt – bis heute gelingt es mir Menschen einerseits zu schocken, und andererseits positiv zu beeinflussen.

Auch Sie sind bis heute von den Folgen der Flutkatastrophe des vergangenen Jahres betroffen. Hat die Kunst für Sie die Möglichkeit geboten, den Schrecken ein Stück weit zu verarbeiten?
Es war es eine unfassbare Katastrophe. Ich hatte keine Wahrnehmung, weil es keinen Strom, kein Netz, also weder Telefon noch Nachrichten gab, und wir völlig abgeschnitten waren. Danach kam die große Zeit, wo mir Kolleg:innen geholfen haben. Ich selbst bin über Nacht gealtert und ein ganz anderer Mensch geworden. Es hat mich zerrissen, denn ich habe kurz gesagt fast mein gesamtes Lebenswerk verloren. Dennoch waren die vielen Menschen, die in der Flut gestorben sind und die unzähligen zerstörten Existenzen noch viel schlimmere Erlebnisse. Für mich war klar, dass ich im Vergleich zu diesen Schicksalen keinen Grund hatte, mich zu bemitleiden.

Man gibt sich Mühe, wieder etwas aufzubauen. Und so sieht es auch in mir aus – ich versuche, mich wieder aufzubauen. Und letztlich ist es so, dass die Kunst trägt – Und ich habe weiter gemalt, obwohl ich eigentlich sterben und aufhören wollte. Damit möchte ich auch den vielen Menschen, die mir geholfen haben, etwas zurückgeben und ihnen zeigen, dass ich es wert war, an mich zu glauben. Als Künstlerin war ich es gewohnt, zu geben. Nun in der Rolle zu sein, etwas zu bekommen, ohne dass mein Werk hinter mir stand, hat mich ermutigt, weiterzumachen.

Maf Räderscheidt, umgeben von ihrer Kunst / Foto: privat

Sie haben im vergangenen Jahr auch Ihr neues Buch mit dem Titel „Die Nichtschwimmerin“ veröffentlicht. Verraten Sie uns etwas über Ihr neues Buch?
Es ist ein besonderes Buch – eigentlich ein Hexenbuch, denn es ist schon ziemlich alt. Lange Zeit habe ich das Buch immer wieder weggelegt, bis ich im vergangenen Jahr noch vor der Flutkatastrophe die Verlegerin vom Verlag Frauenzimmer getroffen habe, die das Buch sehr gerne angenommen hat. Im Mittelpunkt steht eine Künstlerin, die nicht schwimmen kann und Wasser als gruselig empfindet. Sie hat schließlich in der Kölner Südstadt die Begegnung mit einem Hochwasser und flieht von da auf einen Berg in Monschau, wo sie sich sicher glaubt. Abends zeichnet sie in ihr Skizzenbuch. Immer wieder, so dass sie dem Skizzenbuch nach und nach ihr Leben erzählt. Am Ende wird sie von einem Hochwasser und einem Peiniger aus der Vergangenheit eingeholt, sodass es schließlich zu einem tragischen Showdown kommt. Schauplatz ist ein altes Fachwerkhaus. Ein Haus, das es zunächst in der Fiktion gibt, bis ich es 1:1 als meine neue Bleibe nach der Flut in Schleiden entdeckt habe. Und so habe ich nicht nach dem Erlebnis geschrieben, sondern das Erleben kam nach dem Geschriebenen – das macht das Buch zu etwas Besonderem.

Abschließend – Ihr Herzenswunsch für das Jahr 2022.
Ich wünsche mir nur eines: Frieden für die Ukraine und die Welt. Der Glaube an den Frieden ist etwas, das die Welt umspannen muss – das hat auch die Friedensdemo gezeigt, die in der Südstadt ihren Ausgang genommen hat. Die Geschichte hat uns gezeigt, wie absurd Kriege sind. Mein einziger großer Wunsch ist es, dass dieser Krieg beendet wird.

Vielen Dank, Frau Räderscheidt, dass Sie sich neben dem Umzug in Ihr neues Bilderlager Zeit für uns genommen haben.

 

 

Text: Evelyn Maria Denda

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Kommentare

  • Hallo Manuela,

    meinen ie, von welchem Hersteller die Zelte sind? Das wissen wir nicht, gebaut wird die Zeltstadt derzeit von der Stadt Köln, betrieben dann weiter vom Sozialamt in Kooperation mit freien Trägern, die jedoch noch nicht feststehen. In der Messe betreibt das Ankunftszentrum zum Beispiel die Caritas, wer es hier sein wird, entscheidet sich in den nächsten Tagen. Mit freundlichen Grüßen Ihre Redaktion

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