Wie fahrradfreundlich ist Köln?
Dienstag, 8. April 2014 | Text: Jörg-Christian Schillmöller | Bild: Tamara Soliz
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Auftakt der Bürgerbeteiligung für ein neues „Radverkehrskonzept“ in der Innenstadt. Radfahren in Köln: Das ist vielleicht nicht mehr so anstrengend und gefährlich wie vor 20 Jahren, aber noch immer eine Herausforderung – wer den Chlodwigplatz einmal umrundet und es geschafft hat, erfolgreich und unversehrt abzubiegen, der kann sich vorstellen, was gemeint ist.
Jetzt hat die Stadt ein politisches Verfahren angestoßen – Stichwort Bürgerbeteiligung: Was muss passieren, damit das Radfahren komfortabler, sicherer und zukunftsfähig wird? Wo liegen die Schwachpunkte, die Gefahren? Was muss auf den Straßen getan werden?
Immerhin 100 Menschen finden sich ein an diesem ersten Abend in der Aula des Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums, darunter laut Bezirksbürgermeister Andreas Hupke auch Vertreter aller Fraktionen. Hupke nennt das Ziel der Stadt: Angesichts des zunehmenden Radverkehrs will man „der normativen Kraft des Faktischen Rechnung tragen“. Nach Hupke stellt dann der Fahrradbeauftragte der Stadt – Jürgen Möllers – erst einmal klar: Anders als das in einer der Pressemitteilungen geklungen hatte, gibt es noch kein Konzept. Richtig ist vielmehr, dass dieser Abend heute allein dem Sammeln von Ideen gilt. Die Innenstädter werden also nicht vor vollendete Tatsachen gestellt.
Schade nur, dass es fast zwei Stunden dauert, bis die Bürger auch wirklich zu Wort kommen – hier hätte sich wohl mancher gewünscht, dass Begrüßung, Radfahr-Werbefilm und die beiden Referate kürzer ausgefallen wären.
Die Fakten: Ein Jahr lang soll die Bürgerbeteiligung dauern, mit drei großen und zwei kleineren Abendveranstaltungen, bevor die Politik (die Bezirksvertretung) eine Entscheidung trifft. Modell ist der Stadtbezirk Lindenthal, der das Prozedere schon hinter sich hat. Die nächste „große“ Abendveranstaltung ist für den Sommer geplant, die dritte dann für den Jahreswechsel.
Ebenfalls auf der Bühne in der Aula: Vertreter von zwei Planungsbüros aus Köln, die sich seit Jahren mit urbanen Fragen und Verkehr befassen: das Büro VIA und das Planungsbüro Südstadt.
Für Letzteres tritt Franz Linder ans Mikrofon. Er nennt die bekannten Schwachstellen: Ein „Massenverkehr“ mit dem Rad ist, so wie die Straßen heute gestaltet sind, noch nicht möglich. Die vorhandenen Wege und Markierungen taugen nicht für schnelle Radler, und nebeneinander fahren kann man auch nicht. Seine Kernforderung: Gleichberechtigung zwischen den drei Gruppen Fahrrad/Fußgänger, Öffentlicher Nahverkehr und Auto.
Linder formuliert auch Wünsche: Zum Beispiel, dass es flächendeckende, sichere Rad-Lösungen gibt für Kinder ebenso wie für Senioren. Dass es mehr „Radschnellwege“ gibt, mehr Dienst-Fahrräder, und dass die Stadt stärker als „Lebens- und Bewegungsraum“ gestaltet wird.
Peter Gwiasda vom Büro VIA geht näher auf Köln ein und liefert aufschlussreiche Zahlen: Der Anteil der Fahrräder am Verkehr in der Kölner Innenstadt liegt bei 14 Prozent (in ganz Münster sind es 38 Prozent). Fußgänger machen in der City 31 Prozent aus, ebensoviel der öffentliche Nahverkehr. Bleiben 23 Prozent für die Autos. Interessant: In der Severinstraße liegt das Verhältnis von Rad zu Pkw inzwischen in dem Fenster von „201-300 Prozent“. Das bedeutet: Es fahren bis zu dreimal mehr Räder als Autos.
Und Unfallzahlen gibt es auch: In ganz Köln passieren ungefähr 400 Unfälle mit Fahrrädern im Jahr, zum Glück nur 13 Prozent mit Schwerverletzten. Und Peter Gwiasda sagt auch, welche Anregungen im Bürgerhaushalt stehen für die „Fahrradstadt“ Köln: Jeweils eine großräumige Nord-Süd- und Ost-West-Verbindung und Verbindungen von allen Stadtteilen in die Innenstadt. „Wie tickt der Kölner?“, fragt sich Gwiasda.
Die wichtigen Themen wiederholen sich: Welche Einbahnstraßen könnten noch geöffnet werden für den Radverkehr? Welche Infrastruktur muss man „optimieren“ oder neu schaffen?
Auch in der offenen Diskussion gibt es einige große Themen – neben den Einbahnstraßen geht es den Südstädtern zum Beispiel um die Severinsbrücke und die Frage, wie gut man als Radfahrer auf und über die Brücke gelangt. Oder die Severinstraße: Ist es den Autofahrern gut genug bekannt, dass sie für Radfahrer in beide Richtungen geöffnet ist? Über die Südstadt hinaus heißen die Themen dann „große Achsen“ (zum Beispiel Nord-Süd-Querung der Stadt mit dem Nadelöhr Rheinufer in Domnähe). Auch das Thema Unfallprävention wird genannt.
Ein Kritikpunkt zum Schluss: Ärgerlicherweise haben sich die Referenten im ersten Teil der Veranstaltung immer wieder in einer recht abgehobenen Fachsprache geäußert. „Benutzungspflicht“ fällt da als Wort – ohne dass gesagt würde, wofür das gilt. Mischverkehr, Schutzstreifen, MIV, es fallen viele komplizierte Wörter und Abkürzungen, so dass sich der Radverkehrskonzept-Laie (zum Beispiel der Autor) fragt, ob das der angemessene Auftakt für eine Bürgerbeteiligung ist. Aber noch gibt es ja weitere Veranstaltungen, in denen sich die Referenten in ihren Vorträgen vielleicht rhetorisch etwas näher an denen orientieren, um die es geht: an uns Kölnern.
Wer noch Ideen und Anregungen einbringen möchte, kann das bis Ende des Monats beim Fahrradbeauftragten tun – und zwar hier: fahrradbeauftragter@stadt-koeln.de.
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