„Wie reden wir eigentlich miteinander?“ – Mal ganz sachlich über „Bunt im Block“
Dienstag, 20. März 2018 | Text: Stefan Rahmann | Bild: Stefan Rahmann
Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten
Nein, die Fetzen flogen nicht an diesem Abend in der Kirche des heiligen Maternus an der Alteburger Straße. Wer das erwartet hatte, wurde schon zu Beginn eines besseren belehrt. Es war ein betont sachlicher Austausch von Argumenten für und wider „Bunt im Block“, den Andreas Hupke moderierte. Unter dem Motto „Wie reden wir eigentlich miteinander?“ hatte der Bezirksbürgermeister eingeladen, die in Teilen emotionsgeladene Facebook-Diskussion über das geplante Nachbarschaftsfest im Veedel analog fortzusetzen. 150 Südstädterinnen und Südstädter waren gekommen, um zu diskutieren oder sich zu informieren. Thomas Schmeckpeper vom Organisationsteam erhielt als erster von Hupke das Wort, um „Bunt im Block“ vorzustellen.
Alle Forderungen der Kritiker erfüllt
„Unsere Idee war und ist ein Tag des guten Lebens in der Südstadt. Wir wollen den Stadtraum für die Anwohner erlebbar machen. Ohne Autos. Jeder ist aufgerufen, sich mit einer nachbarschaftlichen Aktion zu beteiligen. Eine Standgebühr wird nicht erhoben. Um unsere Kosten zu decken, suchen wir Sponsoren. Für die haben wir ein Sponsorenpapier geschrieben, das für große Aufregung gesorgt hat, weil wir darin eine Besucherzahl von 100.000 genannt haben. Wir haben einfach geschaut, wie viele Leute fußläufig aus der Südstadt und von drumherum das Nachbarschaftsfest erreichen können. Das sind 100.000. Das war dann unsere Antwort auf die wichtigste Frage der Sponsoren: ,Was ist die größtmögliche Zahl von Gesichtern?‘.“ Nach dem 11. im 11. im vergangenen Jahr sei das Sponsorenpapier, so Schmeckpepper, in die Öffentlichkeit gelangt und hätte für Unruhe und erste Proteste in der Südstadt gesorgt. „Da kam ein Schwall an Kommunikationsbedürfnis auf uns zu“, erinnerte sich Schmeckpepper. Mittlerweile habe man aber aus seiner Sicht alle Forderungen der Gegner von „Bunt im Block“ erfüllt. Alle Pläne und die Art und Weise der Finanzierung könne man auf der Internetseite des Festes einsehen. Es werde für die auf der Claudiusstraße geplanten Imbiss-Buden keine Alkohol-Konzessionen geben. Damit sei das Risiko von „Sauf- und Grölmeilen“ praktisch gleich Null. Es werde auch nicht außerhalb der Südstadt Werbung gemacht. Weder über Plakate noch sonstwie.
„15 gesperrte Straßen sind verdammt viel“
Eines war Schmeckpeper wichtig. Sollte „Bunt im Block“ Miese machen, würden er und seine Mitstreiter Till Riekenbrauk und Vincent Schmidt die privat übernehmen. Sollte man ein Ergebnis oberhalb der angestrebten „Schwarzen Null“ erreichen, werde man Initiativen aus der Südstadt unterstützen. Schwierigkeiten habe man allerdings, räumte Schmeckpeper ein, der Forderung der Kritiker nach „kindgerechten Toiletten“ nachzukommen. „Töpfchen“, rief einer aus dem Publikum und erntete Gelächter. Zum Lachen fand Kerstin Ziehe das alles nicht. Sie ist eine der vehementesten Kritikerin von „Bunt im Block“ und wurde von Hupke gebeten, ihre Sicht der Dinge darzustellen. Sie warf zunächst einen kurzen Blick in die Vergangenheit. Bei einem Treffen von Bürgern und Gewerbetreibenden in der Torburg Ende vergangenen Jahres sei man sich einig gewesen, dass zur Südstadt selbstverständlich kleine nachbarschaftliche Veranstaltungen sehr gut passen. „Aber keine Groß-Events mit 100.000 Besuchern. 15 gesperrte Straßen sind verdammt viel. Bei den Veranstaltern von ,Bunt im Block‘ ist von Festival-Charakter die Rede. Sponsorenpakete werden geschnürt. Nachbarschaft soll bei dem Fest gelebt werden. Wir in der Südstadt leben Nachbarschaft an 365 Tagen im Jahr. Schade, dass die Leute von ,Bunt im Block‘ nicht mit der IG Severinstraße und der ABC (Aktionsgemeinschaft rund um Bonner Straße/Chlodwigplatz e.V., Anm. der Red.) gesprochen und versucht haben, den Charakter der bestehenden Feste auf der Severinstraße und der Bonner Straße zu verändern.“ Die Gegner des Festes hätten mit massiven Protesten bis zur Informationsveranstaltung von „Bunt im Block“ im Januar im Baui gewartet. Nachdem dort ihre Kritik einfach „abgebügelt“ worden sei, sei man aktiver geworden, habe mittlerweile 1400 Unterschriften gegen das geplante Nachbarschaft gesammelt und die Initiative „Südstädter“ gegründet. „Wir wollen eine Plattform sein für Leute, deren Bedenken nicht gehört wurden“, erklärte Kerstin Ziehe.
Gegen die Ballermannisierung
„Wir sind ausdrücklich für Nachbarschaftsfeste. Wir sind nur gegen die Ballermannisierung der Südstadt. Warum macht Ihr das alles nicht erstmal kleiner und lasst es wachsen, wenn es ein Erfolg wird?“, wandte sich Ziehe an das Orga-Team von „Bunt im Block“ und fuhr fort: „Ich habe den Eindruck, die Südstadt soll ein Testgelände sein, und dieses Modell anschließend in andere Städte verkauft werden unter dem Motto ,Guckt Euch das an. So schön kann das bei Euch auch werden, wenn Ihr das kauft.‘“ Ausdrücklich wandte sich Kerstin Ziehe gegen Unterstellungen ihrer Gegner: „Uns zu unterstellen, wir verträten AfD-Interessen, ist absurd. Wir haben auch keine wie auch immer gearteten kommerziellen Interessen. Wir haben immer unsere Namen genannt und gesagt, wo wir stehen.“ Dazu erhielt dann auch das Publikum Gelegenheit. Und machte ausgiebig davon Gebrauch. Als erster meldete sich Stefan Fischer, Mitglied der Grünen in der Bezirksvertretung Innenstadt und wohnhaft in Deutz: „Der Tag des guten Lebens in Deutz war alles andere als eine Ballermann-Veranstaltung. Es war ein Tag, an dem es gelungen ist, viele Leute friedlich auf die Straße zu bringen, die sich sonst wahrscheinlich nie kennengelernt hätten.“
Empfehlung: Kleiner Runder Tisch
Dann äußerte sich Michael Kiefer als selbsternannter Präsident – „Ihr könnt sitzen bleiben“ – der Bananenrepublik: „Ich bin für keine Seite. Alle reden von Zusammenhalt. Aber wenn irgendeiner was plant, hagelt es sofort Kritik. Pioniere können und dürfen Fehler machen. Ich bin der Meinung, wir sollten auch mal jungen Leuten eine Chance geben. Nicht immer nur IG Severinstraße und ABC.“ Eine Südstädterin attestierte den Planern von „Bunt im Block“ „mindestens ungeschicktes Verhalten“. „Ihr konntet im Baui Euren eigenen Flyer nicht richtig erklären und dreht jetzt immer noch die gleiche Mühle. Übrigens: Nur weil man älter ist, entkräftet das ja nicht die Bedenken, die man gegen das Fest haben kann. Ich empfehle Gegnern und Befürwortern, sich mal an einen kleinen ,Runden Tisch‘ zu setzen und die Dinge zu klären. Wir, die alternative Szene, sollten besser miteinander kommunizieren können als wir das in den vergangenen Wochen getan haben.“ Siegfried Seliger nannte Zahlen: „1400 Leute haben gegen ,Bunt im Block‘ unterschrieben, 700 dafür. Die Mehrheit der Menschen hier will das Fest nicht. Ich persönlich brauche das auch nicht. Ich habe Kontakt zu meinen Nachbarn. Und wenn,Bunt im Block‘ stattfindet, haue ich ab. Wie am 11. im 11.“ „Mich haben die Unterschriftenlisten nicht erreicht“, sagte eine Anwohnerin vom Eierplätzchen: „Deshalb sind die für mich nicht repräsentativ.“ Sie plädierte energisch dafür, dass sich IG Severinstraße und die ABC endlich zusammenraufen sollten, um den Weihnachtsmarkt auf dem Chlodwigplatz wiederzubeleben. Und weiter: „Beim Längsten Desch und beim Fest auf der Bonner Straße kommen auch sehr viele Besucher nicht aus der Südstadt. Lasst uns doch mal was Neues wagen. Oder gibt es ab jetzt in der Südstadt nur noch Feste, die 2017 bereits etabliert waren?“
„Probiert es einfach mal“
Till Riekenbrauk meldete sich zu Wort und erinnerte daran, dass man die Fläche für „Bunt im Block“ bereits um ein Viertel verkleinert habe. Außerdem hätten die Organisatoren der Südstadt-Safari erklärt, dass sie ihr Event zugunsten des Nachbarschaftsfestes ausfallen lassen würden. „Nutzt das Angebot doch. Und es muss ja keiner“, appellierte er an die Anwesenden. „Das sind sicher nette und redliche Jungs, die da was vorhaben“, lobte Harry Steiger das Orga-Team, um dann zu kritisieren: „Ich habe keine Lust, dass das attraktive Umfeld der Südstadt vorgeführt wird. 100.000 Leute bei Festen auf der Severinstraße oder der Bonner Straße sind mir egal. Aber nicht bei mir mitten im Viertel.“ So vehement Gegnerin von „Bunt im Block“ wie vor einigen Wochen ist Barbara Moritz nicht mehr. „Ich glaube, es ist etwas dran, dass die Südstadt nach den Exzessen vom 11. im 11. traumatisiert ist. Aber wir unterhalten uns jetzt über die Kommerzialisierung des öffentlichen Raums. Und da ist der Längste Desch kommerzielle Scheiße. Da müssen die Händler aus dem Veedel bezahlen, wenn sie vor ihrem Laden Würstchen verkaufen wollen. Deshalb machen die nicht mehr mit. Und beim Fest auf der Bonner Straße verdient sich auch eine Event-Agentur dumm und dämlich. Südstadt-Safari? Gut, dass die weg ist.“ Moritz warf dem Team von „Bunt im Block“ dessen Vorgehen vor, das Fest von „oben nach unten“ geplant zu haben. Und zu groß. „Es ist wahnsinnig schwer, so viele Straße zu bespielen. Aber probiert es einfach mal. Besser wäre es gewesen, das Fest auf wenige Straßen wie zum Beispiel die Alteburger und Teutoburger Straße zu begrenzen.“
„Die Größe des Festes hängt einzig und allein von uns ab“
SPD-Ratsmitglied Karl-Heinz Walter brach eine Lanze für die etablierten Feste: „Es gibt im Vringsveedel viele einfache Leute, die den „Längsten Desch“ schön finden. Da muss man schon tolerant sein. Ich halte es übrigens für falsch, wenn hier die Events gegeneinander ausgespielt werden: Natürlich ist ,Bunt im Block‘ nicht der 11. im 11.“ Auch Walter hält das Nachbarschaftsfest für zu groß dimensioniert: „Bisher machen 20 Initiativen und Nachbarn Aktionen. Macht bei zwölf gesperrten Straßen 1,6 Aktionen pro Straße. Das Ganze hätte man lieber erstmal klein aber fein anlegen sollen und dann mal gucken, was draus wird. Ich habe übrigens keine Lust, an dem Tag Nachbarschaft zu zeigen. Das ist ja wie im Zoo. Dass da Leute von außerhalb gucken kommen: Schau mal, ein echter Südstädter. Sitzt vor seiner Haustür und macht Ikebana.“ Dazu Schmeckpeper: „Unser Konzept ist ja nicht, möglichst viele Aktionen auf engstem Raum zu haben. Kinder sollen auf der Straße spielen können. Die Bewohner des Seniorenzentrums am Oberländer Wall fahren in Rikschas durchs Veedel. Alles entspannt.“ Ein Anwohner der Trajanstraße fasste zusammen: „Die Größe des Festes hängt einzig und allein von uns ab. Wo nichts stattfindet, findet nichts statt.“
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