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Kultur

Willkommen im Hotel zur zärtlichen Miezekatze

Montag, 22. Oktober 2012 | Text: Stephan Martin Meyer | Bild: Meyer Originals

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Wer in diesen Tagen ins Theater der Keller geht, kann die Diskussion um die Zukunft des Traditionshauses nicht umgehen. Davon ist der Besucher einer Aufführung nicht ausgenommen, die als „vielleicht letzte Premiere“ des seit 1955 existierenden Hauses angekündigt ist. Die Insolvenz droht. Der Insolvenzverwalter prüft im laufenden Monat die Finanzen und wie ein Damoklesschwert schwebt das Ende einer Ära über der Kleingedankstraße.

Dennoch haben die Schüler der angeschlossenen Schule des Theaters nun die Gelegenheit, ihr über drei Jahre hinweg sich angeeignetes Wissen und Können unter Beweis zu stellen. Der Abschlussjahrgang 2013 bringt „Floh im Ohr“ auf die Bühne. Und er meistert die Herausforderung unter erschwerten Rahmenbedingungen mit Bravour.

Die Handlung des Stücks ist schnell erzählt: Raymonde Chandebise unterstellt ihrem Mann Victor-Emmanuel, fremd zu gehen. Also lockt sie ihn mittels eines fingierten Liebesbriefes einer Unbekannten in ein stadtbekanntes Etablissement. Der Ehemann glaubt an eine Verwechslung und schickt seinen Freund Tournel zum Treffen. Damit nimmt das Schicksal seinen Lauf.

Die obere Bühne des Theaters ist nicht besonders groß. Und wenn neun engagierte Menschen in wechselnden Rollen die Bretter bevölkern, dann kann der Zuschauer nur hoffen, dass sie nicht auch noch jeweils mehrere Rollen einnehmen. Aber das tun sie natürlich in diesem Stück. Um wenigstens den Raum ein wenig größer zu machen, wird kurzerhand der Gang neben den Zuschauern bespielt. So kommen auch die phantasievollen Kostüme von Svenja Gassen gut zur Geltung.

Die Inszenierung unter der Regie von Jan Langenheim und der Dramaturgie von Felizitas Kleine zieht sich zu Beginn ein wenig in die Länge. Doch mit dem Auftritt Maxim Mumbers als rassigem spanischem Macho hält mit einem Schlag neues Leben im Saal Einkehr. Ab sofort knallt und schreit es auf der Bühne, die Verwechslungen nehmen an Absurdität zu und spätestens zur Pause weiß der Zuschauer nicht mehr genau, ob er nicht selbst längst Teil des wahnwitzigen Slapsticks geworden ist: Die Schauspieler öffnen den hinteren Bühneneingang, der zum Innenhof führt, und schenken dort Wodka-Bowle mit Gurken (laut Intendantin PiaMaria Gehle die beliebteste eines Internetkochportals) und Schnaps aus und verkaufen warme Brezeln. Gleichzeitig lädt die untere Bühne bereits zum Betreten ein: Maxim Mumber schleudert Messer auf eine rotierende Holzscheibe und wettet um Tequila. Die Bühne wird vergrößert, indem einfach beide Bühnen des Hauses bespielt werden.

Der zweite Akt auf der unteren Bühne lebt vom Chaos im Hotel zur zärtlichen Miezekatze, dem Etablissement, in das die unbekannte Briefschreiberin bat. Die Schauspieler wechseln die Rollen und Kleider in rasendem Tempo, alle Türen, Auf- und Abgänge werden unentwegt benutzt. Die Figuren des Stücks verwechseln sich, lösen sich auf und erscheinen neu. Geschlechtergrenzen fallen der Komik zum Opfer. Wie langweilig wäre es auch, wenn eine Puffmutter von einer Frau gespielt würde. Der dritte, versöhnende Akt des Stückes ist den Sparzwängen zum Opfer gefallen – so wollen es die Regie und Intendanz zumindest vermitteln. Die Szenen werden lediglich während des Applauses angedeutet.

Besondere Erwähnung verdient Natascha Manthe, die in der Doppelrolle des Monsieur Chandebise und des Hoteldieners Poche brilliert. Und auch Nesrin Adloff als Cousin des Hausherrn mit vortrefflichem Sprachfehler und faszinierender Mimik muss hervorgehoben werden. Inga Lessmann übernimmt im zweiten Teil des Stücks unter anderem den Part eines Erzählers, der eine ganz eigene Wirklichkeit vor dem imaginären Auge der Zuschauer auferstehen lässt. Und Julius Schleheck spielt nach der Pause die Rolle der altgedienten Puffmutter im Hotel zur zärtlichen Miezekatze, der man ohne weiteres ein ausschweifendes Leben abnimmt. Marius Fahl gebührt unter anderem großer Respekt dafür, sich in ein hautenges Pannesamt-Kostüm mit Fledermausflügeln stecken zu lassen und damit ungehemmt über die Bühne zu schweben, während Victoria Klimmeck desgleichen als vermeintlich gehörnte Ehefrau im Biene-Maja-Outfit tut. Mira Koziol tritt mit einigen artistischen Einlagen in den Vordergrund und David Schulze nimmt sich der Doppelrolle als Arzt und frauenfixiertem Bewohner des anrüchigen Hotels an.

Stehende Ovationen honorieren die gelungene Premiere der Abschlussklasse.

Das Schicksal der Schüler der Schule des Theaters im Theater der Keller ist offen. Noch im September sind elf Elevinnen und Eleven aufgenommen worden, um die 3 ½ jährige Ausbildung zu absolvieren. 36 Schüler lassen sich zur Zeit in vier Jahrgängen in der Schule des Theaters ausbilden. Aber ihre Ausbildung ist eng mit der Zukunft des Theaters verknüpft. Räumlich und strukturell sind Schule und Theater eng verzahnt. Die Verwaltung der Schule wird von der Verwaltung des Theaters getragen. Die gesamte Technik gehört dem Theater. Die Schule selbst hat keinen einzigen Scheinwerfer. Zudem steht in den Ausbildungsverträgen der Schüler, dass sie auf der Bühne des Theaters spielen werden. Die Schule und das Theater sind zwar zwei separate Unternehmen, die sich praktisch jedoch nicht unabhängig voneinander betrachten lassen. Die Schule kann nicht ohne die Räume und die Strukturen des Theaters existieren, während das Theater von der Energie der Schüler profitiert, die nicht nur bei den Abschlussstücken auf der Bühne stehen.

Und aus den bisherigen Absolventen ist richtig was geworden. Ehemalige Schüler der Schule des Theaters sind beispielsweise Hella von Sinnen, Til Schweiger, Max Schautzer, Heiner Lauterbach, Gudrun Landgrebe, Annette Frier und Michael Degen. 

 

Weitere Termine für Floh im Ohr:
23./ 24. Oktober 2012
07./ 08./ 13./ 14./ 15. November 2012
jeweils 20 Uhr

Theater der Keller
Kleingedankstr. 6
50677 Köln
 

 

Mehr über das Theater der Keller erfahren Sie im „Stellt euch vor“ von Asl? Güleryüz.

Text: Stephan Martin Meyer

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