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Gesellschaft Politik

Willkommen Willkommenskultur!

Dienstag, 16. Dezember 2014 | Text: Judith Levold | Bild: Stefan Rahmann

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Die traditionelle und weltweit verbreitete Kultur, jemanden, der ankommt, willkommen zu heißen, ist plötzlich in aller Munde, sie soll entstehen, wachsen und Köln zu der gastfreundlichen und toleranten Stadt machen, die auch Flüchtlinge willkommen heißt und die OB Jürgen Roters in jeder Sonntagsrede heraufbeschwört.

Dass das teilweise schon passiert, und zwar jenseits der verwaltungsseitigen Unterbringungspflicht für Flüchtlinge, liegt an den Kölnern selbst: An vielen Standorten, wo Flüchtlinge leben, ob in Notunterkunft, Wohnheimen oder Hotels, haben sich Willkommensinitiativen aus der Nachbarschaft gebildet, die sich um alles kümmern, was die Kommune nicht hinkriegt: Begleitungen zum Arzt, zu Behörden, zu Anwälten, das Erteilen von Deutschkursen für Nicht-Integrationskurs-Berechtigte, Zugang zu Sportvereinen und Kontakt in die Stadtgesellschaft schaffen, das Besorgen von Winterkleidung undsoweiterundsofort… Vor allem aber das Begrüßen: mal Hallo sagen, sich interessieren für ein Schicksal hinter dem Kostenfaktor.

Diese Initiativen wünschen sich dringend städtische Unterstützung, wenigstens in Form einer zentralen Koordination, denn: sonst besteht die Gefahr, dass den Inis irgendwann die Puste ausgeht. Weder sind Ehrenamtler Traumaexperten, noch sprechen sie selbstverständlich Arabisch oder Romanes. Und welcher Anwalt bei Abschiebedrohung zu konsultieren ist, wo ein Arzt pragmatisch hilft – all´ das müssen die Willkommens-Kultur-Aktivisten aktuell selbst mühsam und zeitaufwändig recherchieren – auf Dauer nicht machbar, außer man ist gerade erwerbslos oder schon in Rente…

Dem soll jetzt teilweise Abhilfe geschaffen werden, indem Flüchtlingsrat und Freiwilligen-Agentur ein Zentrum für Willkommenskultur schaffen wollen. Wohlgemerkt ein Zentrum, keine Zentrale, in die man gehen könnte, nein, erstmal alles virtuell. Dafür haben sie sage und schreibe eine feste Stelle beansprucht, Kostenpunkt für Personal und Sachmittel: 80.000€ jährlich – die soll nach Vorstellung des Flüchtlingsrates die Verwaltung bereitstellen. Denn Flüchtlingsrat und Freiwilligenagentur haben nicht nur im vergangenen Jahr das MentorInnenprojekt aufgelegt, sie beraten auch wo sie können die Nachbarschaftsinitiativen, die sie mit Fragen geradezu bombardieren. Der Bedarf an Information für die Kümmerer aus den Reihen der Bürger geht aber weit über das hinaus, was der Flüchtlingsrat aktuell personell leisten kann. Und deshalb soll eine Stelle her. Mindestens. Langfristig.

„Das lässt ja nicht nach mit dem Zustrom an Flüchtlingen.“ sagt Claus Ulrich Prölß vom Flüchtlingsrat (Foto links), „und es werden sich auch noch mehr Initiativen zur Unterstützung von Flüchtlingen gründen – zahlreiche Standorte werden ja im kommenden Jahr erst neu eröffnet.“ fügt er hinzu.

Was denn genau das Zentrum für Willkommenskultur leisten wolle? „Wir beraten, koordinieren Hilfen, machen Fortbildungsangebote, stellen unser Wissen zur Verfügung, also quasi alles, was man in Sachen Interkultur, Übersetzungsdiensten, juristischer Unterstützung etc. wissen muss. Und wir vernetzen, entwickeln die Internetseite (zusammen mit der Gruppe WiSue, Willkommen in Sürth, Anm. der Red.), auf der alle Initiativen im Stadtgebiet kartiert sind und sich mit Ansprechpartnern und Infos in einem eigenen Bereich vorstellen können.“ Das klingt gut, denn dann muss nicht jede Ini eine eigene Homepage entwickeln…

 

Was er denn vom gemeinsamen Ratsantrag von Grünen, SPD, FDP und CDU halte, demnach die Bürgerämter erste Anlaufstelle für Willkommensinitiativen und die Mittel dafür auch bei den Bürgerämtern angesiedelt sein sollten? „Das ist einfach missverständlich formuliert gewesen, das ist so auch nicht gemeint. Gemeint ist, dass die Stadt den Flüchtlingsrat und die Freiwilligenagentur mit Mitteln unterstützt für eine Stelle, also jeweils eine halbe bei Freiwilligenagentur und bei uns, damit wir diese Arbeit für und mit Willkommens-Inis endlich bedarfsgerecht leisten können. Es wird wohl auch eher heißen: Forum für Willkommesnkultur.“ Keinesfalls wolle sich der Flüchtlingsrat in Verwaltungshierarchien eingliedern und das wollten auch die Initiativen nicht. 

Claus Ulrich Prölß meint: „Keiner will als Engagierter dem Bürgeramt untergeordnet sein, gleichwohl gibt es schon jetzt die Möglichkeit für die Nachbarschaftsinitiativen, bei den Bezirksbürgerämtern Unterstützung zu beantragen: etwa über die bezirksbezogenen Mittel.“ Davon könnte man zum Beispiel Dinge wie Flyer, Willkommensfeste oder Ähnliches finanzieren. Und ob die Verwaltung es mit der Unterstützung ernst meine, werde man im Februar sehen, dann nämlich, wenn die gerade in Arbeit befindliche präzisere Ratsvorlage dazu im Rat abgestimmt werden wird.

 

Die WillkommenInDerMoselstraße-Initiative hat zum aktuellen Ratsantrag eine eine Presseerklärung abgegeben.  

 

Mehr erfahren – Hintergrund

Presseerklärung der Nachbarschafts-Initiative Willkommen in der Moselstraße, 15.12.14

In einem gemeinsamen Dringlichkeitsantrag zur Unterbringung von Flüchtlingen in Köln wollen die Ratsfraktionen von SPD, CDU, Grünen und FDP in der kommenden Ratssitzung am 16.12.14 Weichen für die Arbeit der Kölner Willkommensinitiativen für Flüchtlinge stellen. Laut Antrag unterstützt die Verwaltung das Projekt „Zentrum für Willkommenskultur“ durch den Flüchtlingsrat und die Freiwilligenagentur.

Dies begrüßt die Bürgerinitiative „Willkommen in der Moselstraße“ ausdrücklich. Die Anbindung der Initiativen an den Flüchtlingsrat als unabhängige Stelle muss gefördert werden. Ebenso begrüßen wir, dass laut Antrag ein Unterstützungsbudget für die Vernetzung und Integration von Flüchtlingen und Anwohnern bereit gestellt werden soll und die Engagierten Beratungs- und Fortbildungsangebote erhalten sollen. Das alles sollte nach unserer Auffassung mit einem personellen Ausbau der
Koordinierungsstelle „Zentrum f. Willkommenskultur“ beim Flüchtlingsrat einhergehen. An diese könnten sich Willkommensinitiativen aller Standorte dann zentral wenden und unbürokratisch die erforderliche Hilfe bekommen. Etwa mit Übersetzungsdiensten bei Begleitungen von Flüchtlingen zu Arzt/Amt/Anwalt etc.
Nicht sinnvoll hingegen erscheint uns, den Bürgerämtern der Stadt Köln die Zuständigkeit für die lokalen Willkommensinitiativen zuzuordnen. Sie sollen laut Antrag „erste Anlaufstelle“ für die örtlichen Initiativen sein, deren Handeln jedoch oft extrem zeitnah erfolgen muss und sich nicht an das verwaltungsübliche Tempo anpassen kann. In dem Antrag wird zudem der Oberbürgermeister aufgefordert, zu prüfen, inwieweit die Bürgerämter auch Funktionen der Koordination und Beratung der Willkommensinitiativen übernehmen können, was diese bislang bereits
aufwändig selbst geleistet haben. Weiterhin soll das Unterstützungsbudget „dort“ bereit gestellt werden. Aus dem Antrag geht jedoch nicht hervor, ob diese Ämter zusätzliches Personal bekommen und wo so schnell qualifiziertes Personal gewonnen werden soll.

Es ist zu befürchten, dass der Verwaltung zusätzliche Aufgaben zugeschoben werden, ohne dass ihr die entsprechenden Mittel zur Verfügung gestellt werden und dass demzufolge die Verlangsamung der Prozesse zunimmt – was absolut kontraproduktiv wäre, da der Kontakt zwischen Willkommensinitiativen und Flüchtlingen von der herzlichen und persönlichen Spontaneität lebt und von der schnellen Reaktion auf die meist akuten Bedarfe und Notlagen der Flüchtlinge geprägt ist.

Unklar bleibt ebenfalls, welche konkreten Funktionen die Bürgerämter gegenüber den Willkommensinitiativen erfüllen sollen. Die Mittelvergabe über die Bürgerämter könnte faktisch einer Kontrolle der Stadtverwaltung über das bürgerschaftliche Engagement gleichkommen.

Die Bürgerinitiative „Willkommen in der Moselstraße“ hält eine reibungslose Zusammenarbeit zwischen der Stadtverwaltung und den Willkommensinitiativen für wichtig und notwendig. Eine Bürokratisierung und Kontrolle des bürgerschaftlichen Engagements durch die Stadtverwaltung lehnen wir ab. Wir fordern die Einrichtung und Finanzierung von Stellen zentral beim Flüchtlingsrat und bei den jeweiligen Willkommensinitiativen vor Ort, damit diese Form des ehrenamtlichen und bürgerschaftlichen Engagements weiter gedeihen kann.

Text: Judith Levold

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