„Wir haben unsere eigene Burg!“ – Eine Chronik des Baui im Friedenspark
Dienstag, 21. August 2018 | Text: Calle Virnich | Bild: Oliver Köhler
Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten
Fort, Mensa, Finanzamt, Abstellkammer
Ein Blick weit in die Vergangenheit, ins preußische Köln, einer riesigen Festungs- und Garnisonsstadt: Im heutigen Friedenspark entsteht 1830 die „Rheinschanze“, die in den 1840er Jahren zum „Fort I“ mit 40 Geschützen ausgebaut wird und bis zu 400 Mann Besatzung beherbergt. In den 1880er Jahren übernimmt es den „Ehrentitel“ „Erbgroßherzog Paul von Mecklenburg“ (übrigens Schwiegersohn des preußischen Königs Friedrich Wilhelm III) vom inzwischen aufgegebenen Fort IV im Volksgarten. Bereits vor dem Ersten Weltkrieg verliert aber auch das Fort I seine militärische Funktion, die gesamte Anlage wird 1914 ebenfalls zu einem Park umgestaltet. Das alte „Reduit“, Kernbau des Forts, dient bis 1934 als Mensa der 1919 wiedergegründeten Kölner Universität. Zwischen 1939–1945 steht auf dem Dach des Reduit vorübergehend eine Flagstellung, nach dem Krieg ist im Innern einige Zeit eine Außenstelle des Finanzamts zu Hause. Und als Jahre später die BISA aktiv wird, nutzt das städtische Grünflächenamt das Gebäude als Abstellkammer.
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Privatpraxis für Physiotherapie Frauke Stöber„Das ist unser Adler!“
1927 errichten Veteranenverbände auf dem Dach ein Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs, den allseits bekannten großen Adler. Schirmherr ist Reichspräsident Paul von Hindenburg, der dem Park damals seinen Namen gibt. Künftig finden hier Gedenkveranstaltungen statt – und diese Tradition wird auch nach 1945 fortgeführt: bis zum Volkstrauertag im November 1971, als die BISA den Soldatenverbänden zuvorkommt, unter dem Motto „Kinderfest statt Heldenverehrung“ ein eigenes Fest veranstaltet und so die Kranzniederlegungen zum „Heldengedenktag“ verhindert. Der Baui hat damit seit seinen Anfängen in den Soldatenverbänden und anderer konservativer Kreise seine schärfsten Gegner. Diesen Konflikt hat die Wiking-Jugend mit ihrem Anschlag 1984 instrumentalisiert. Die 1985 erfolgte Umbenennung des Hindenburg- in Friedenspark, damals vor allem eine Idee der Kinder und Jugendlichen, ist ein wichtiger und längst überfälliger Schritt. Und vielleicht haben die Kinder und Jugendlichen überhaupt die beste Lösung: „Unsere Kids freuen sich riesig über den Adler, das ist deren Adler“, erklärt David Thorausch. Für die jungen Leute hat das Denkmal eine ganz andere, positive, rundherum friedliche Bedeutung.
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Erst nach dem Anschlag der Wiking-Jugend zieht das Jugendzentrum ins „Reduit“, zunächst von der Stadt geduldet, dann gerne gesehen: Die neuen Nutzer kümmern sich künftig um den Erhalt der denkmalgeschützten Gebäudes im Innern, die Stadt ums Äußere. Seit 1988 gibt es endlich eine Heizung! Man glaubt sich endlich am Ziel, als Anfang der 1990er Jahre erhebliche Kürzungen im Sozialbereich und damit wieder einmal das Aus drohen. Mit großem Engagement der Bürgerinitiativen, Eltern und Jugendlichen kann 1993/1994 der Baui gerettet werden. 1998 schließlich wird der Baui Teil der neu gegründeten „Jugendzentrum Köln gGmbh“, in der die Stadt Köln und die Jugendhilfe Köln e.V. zusammenarbeiten. Jetzt hatte man die Stadt endgültig im Boot und „konnte Rücklagen bilden“, erklärt David Thorausch: ein nicht unwesentlicher Faktor, denn nicht nur der Betrieb, auch Wartung und Erhalt der alten Gemäuer sind sehr kostenintensiv. Die Gründung der „Jugz“ kommt gerade zur rechten Zeit, denn der Umbau der Rheinauhafens mit Luxusappartements und „ersten Adressen“ weckt alte Verlustängste.
Eine wichtige Ressource der Südstadt
„Jugendarbeit hat wenig Lobby“, weiß David Thorausch. Aber er weiß auch, dass „wir hier im Stadtteil etwas Besonderes haben“ und ist zuversichtlich, dass die Einrichtung heute relativ sicher ist. Hier herrscht ein bestimmter Geist, jeder ist willkommen, „egal wie er aussieht oder wo er herkommt“. Hier ist immer etwas los, und die Kinder und Jugendlichen entscheiden mit, was gemacht wird, ob Flohmarkt, Feste, Feiern oder Ferienfreizeit. Schließlich ist es ihr zweites Zuhause: „Wir haben unsere eigene Burg!“ Und diese Haltung wird von Generation zu Generation weitergegeben: Viele Honorarkräfte, die heute hier arbeiten, kennen den Baui aus ihrer eigenen Kindheit – wie Teamleiter David Thorausch selbst. Das Thema „Gentrifizierung“ geht natürlich auch nicht am Baui vorbei, denn die Südstadt heute ist nicht mehr die der 1970er oder 1980er: Nicht nur die steigenden Mieten sind für viele ein Problem, auch der Kaffee ist teuer geworden. Viele Menschen im Veedel haben große Schwierigkeiten, ihr bürgerliches Niveau zu halten, und zum Beispiel eine Ferienfreizeit zu bezahlen. Darum gibt es seit 1993 den Förderverein Baui e.V..
„Das interessante hier sind die Kinder und Jugendlichen“
Der Baui lebt von den Kindern und Jugendlichen, die ihn gestalten und lebendig halten. Von Ihnen war hier wenig die Rede. Viele sind hier groß geworden und haben „unterm Adler“ einiges erlebt. Erzählt doch gerne Eure Erlebnisse im und um den Baui! Was war das größte was Ihr dort gebaut habt, habt ihr eine Kinderbande gegründet und wie hieß sie? Was war Euer bester Streich? Eure Geschichte(n) erzählen wir hier auf Meine Südstadt.
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