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Kultur

„Wir machen kein Spaß-Theater!“

Donnerstag, 22. Februar 2018 | Text: Alida Pisu | Bild: Susebee

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Gerade erst gab es beim Amoklauf eines Jugendlichen an einer Schule in Florida 17 Tote, noch ist nicht ganz klar, ob der Täter Mitglied einer rassistischen Vereinigung war. Klar aber ist, dass derlei Anschläge oft rassistisch motiviert sind und es gibt sie auch nicht erst seit gestern: 1995 etwa tötete im österreichischen Oberwart eine Rohrbome vier Roma, die eine Tafel mit der Aufschrift „Roma zurück nach Indien“ wegrücken wollten. Das Anfassen der Tafel löste den Zünder der Bombe aus, die vier Roma wurden buchstäblich zerrissen. Zwei Jahre später wurde der Attentäter Franz Fuchs verhaftet. Bis dahin hatte er insgesamt 25 Briefbomben verschickt und 2 Rohrbomben explodieren lassen.

Roman plus Theaterstück gleich Zigeunerschnitzel

Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek setzte sich in ihrem Theaterstück „Stecken, Stab und Stangl“ mit dem Verbrechen in Oberwart auseinander. Sie behandelt darin nicht nur das Attentat selbst, sondern auch den medialen Umgang damit. Stefan Horvath, Vater eines der Toten, verarbeitete seinen Schmerz über das Fürchterliche in dem Roman „Katzenstreu“. Theaterstück und Roman dienen zusammen als Vorlage für das Stück „Zigeunerschnitzel“, das im Theater Der Keller zu sehen ist. Meine Südstadt sprach mit Regisseurin Nada Kokotovic über die Inszenierung.

Meine Südstadt: Wenn man den Begriff „Zigeunerschnitzel“ hört, könnte einem als Fleischliebhaber das Wasser im Mund zusammenlaufen. Mehr Gedanken macht man sich nicht. Warum der Titel „Zigeunerschnitzel“?

Nada Kokotovic: Genau das ist der Grund. Du hörst „Zigeunerschnitzel“, und es ist egal.

Wigeunerschnitzel - Theater Der Keller

Meine Südstadt: Und dann sitzt man da und wird mit vier toten Zigeunern konfrontiert, die auch egal sind. In Ihrem Stück bereitet eine Schauspielerin Zigeunerschnitzel zu, man sieht sie vorbereiten, panieren, braten, servieren. Aber das sind alles nur Einschübe, denn die eigentliche Handlung dreht sich ja um die Opfer von Oberwart, die wie Müll auf der Erde liegen. Diese Verquickung wirkt sehr bizarr.

Nada Kokotovic: Ja, es ist provokativ und bizarr. Und es unterstützt diesen Antiziganismus, der tausend Jahre existiert. Das war meine Absicht.

Meine Südstadt: Jelinek zieht eine Linie von den Konzentrationslagern, in denen auch Roma und Sinti ermordet wurden, bis nach Oberwart. In Oberwart handelte ein Einzeltäter, Franz Fuchs. Was muss im Kopf und in der Seele eines Menschen vorgehen, damit er zu solchen Taten fähig wird?

Nada Kokotovic: Es ist Hass. Heute ist das 22 Jahre her, aber sehen Sie keine Parallelen mit der heutigen Zeit? Es ist nichts Neues. All die Hassprediger und die Politik, die das unterstützt, und nicht „Nein“ sagt. Zum Beispiel die Flüchtlinge. Es sind Menschen wie wir und die Presse kommentiert das auf ihre Art und Weise. Genau das hat Jelinek in ihrem Stück thematisiert, wie die Presse in Österreich mit diesen Tatsachen damals umgegangen ist. Ob jetzt Wettervorhersage oder vier Tote – Ist egal, ist einfach nur eine Info. Und weil Herr Osman im Stück mitspielt und weil er ein Rom ist und dazu mein Mann, und weil wir seit dreißig Jahren zusammen sind, bin ich eben schon dreißig Jahre meines Lebens mit dieser Tatsache konfrontiert.

Wigeunerschnitzel - Theater Der Keller

Meine Südstadt: Im Stück geht es auch um die Menschen, die indirekt von einem Attentat betroffen sind. Wie Stefan Horvath, dessen Sohn ermordet wurde. Auch sein Leben wurde zerstört, aber er muss weiterleben.

Nada Kokotovic: Das ist auch immer eine Art Tod und das ist schrecklich. Wir werden da mit ewigen Fragen konfrontiert, auf die wir eigentlich keine Antwort haben. Wir können nur konfrontieren, aber Lösungen können wir nicht liefern. Das ist seit dem griechischen Theater bis heute so. Stefan Horvath ist ja Schriftsteller. Ich hatte gelesen, dass er letztes Jahr in Österreich den PEN-Preis (PEN, internationaler Autorenverband, d. Redaktion) bekommen hat für „Katzenstreu“. In dem Roman beschreibt er die ganzen bösen Sachen und daraus habe ich Texte für das Stück genommen.

Wigeunerschnitzel - Theater Der Keller

Meine Südstadt: Die Frau im Stück ist…?

Nada Kokotovic:…Elfriede Jelinek. Sie hat sofort auf die Geschehnisse reagiert und das Stück 1996 geschrieben. Es ist nicht in Österreich, sondern im Thalia Theater in Hamburg aufgeführt worden. Sie hat verboten, dass der Text in Österreich gespielt wird. Man hat ihr dort ihre Kommentare und Texte sehr übelgenommen. Sie ist auch heute noch die meist gehasste Person in Österreich.

Meine Südstadt: Viel Feind, viel Ehr! Wenn das Stück zu Ende geht, sind auch die Zigeunerschnitzel fertig gebraten. Die Schauspielerin bietet sie den Zuschauern an: „Möchte Jemand Zigeunerschnitzel“? Ich konnte keines probieren, denn es wäre mir – nach diesem Abend – im Hals stecken geblieben.

Nada Kokotovic: Wir machen kein Spaßtheater.

„Zigeunerschnitzel“ mit dem Theater TKO, am 26. und 27. Februar 2018
Regie, Dramaturgie, Choreographie: Nada Kokotovic
Darsteller: Katharina Waldau, Nedjo Osman, Zejhun Demirov
Theater Der Keller, Kleingedankstr. 6, 50677 Köln

Text: Alida Pisu

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