Wo die wilden Tiere wohnen
Sonntag, 16. Dezember 2012 | Text: Wassily Nemitz
Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten
Zwei Uhr morgens in Kgautšwane: Ein VW Polo mit Kapstädter Kennzeichen rollt aus dem Gelände des Development Centers. An Bord: Tanja, eine ehemalige Stufenkollegin von mir aus der Kaiserin-Augusta-Schule, vier ihrer Mitfreiwilligen und ich. Wir schließen das Einfahrtstor hinter uns wieder ab, den Schlüssel sollen wir bei der Security der anliegenden Klinik abgeben. Die beiden Männer haben es sich in ihrer Bude gemütlich gemacht und schnarchen friedlich. Ich klopfe, einer von ihnen kommt verschlafen heraus, nimmt den Schlüssel an und legt sich wieder hin. Wir fahren los. Tanja sitzt am Steuer, es ist stockdunkel, außer uns ist niemand auf der unbefestigten Dust Road unterwegs. Die Strecke ist nur zu erahnen, ab und an kracht es verdächtig am Unterboden des neuen Mietautos. Nach 14 Kilometern die vermeintliche Erlösung – wir biegen auf die Teerstraße R 36 ab.
Zwei Uhr morgens in Kgautšwane: Ein VW Polo mit Kapstädter Kennzeichen rollt aus dem Gelände des Development Centers. An Bord: Tanja, eine ehemalige Stufenkollegin von mir aus der Kaiserin-Augusta-Schule, vier ihrer Mitfreiwilligen und ich. Wir schließen das Einfahrtstor hinter uns wieder ab, den Schlüssel sollen wir bei der Security der anliegenden Klinik abgeben. Die beiden Männer haben es sich in ihrer Bude gemütlich gemacht und schnarchen friedlich. Ich klopfe, einer von ihnen kommt verschlafen heraus, nimmt den Schlüssel an und legt sich wieder hin. Wir fahren los. Tanja sitzt am Steuer, es ist stockdunkel, außer uns ist niemand auf der unbefestigten Dust Road unterwegs. Die Strecke ist nur zu erahnen, ab und an kracht es verdächtig am Unterboden des neuen Mietautos. Nach 14 Kilometern die vermeintliche Erlösung – wir biegen auf die Teerstraße R 36 ab.
Unser Ziel ist der 140 Kilometer entfernt liegende Krüger-Nationalpark. Um fünf Uhr sollen wir dort sein, ein Guide wird uns am Numbi Gate abholen. „You can start at half past three“, hatte uns Mama Clara am Abend zuvor geraten. Das war meinen Besucherinnen aber zu knapp – sie kennen die Umgebung nicht, und nachts auf der unbefestigten Dust Road sind Geschwindigkeiten jenseits der 30 schwer machbar. Sie sollten Recht behalten: Kaum sind wir auf die Panorama-Route Richtung Graskop abgebogen und den ersten Berg hochgefahren, hängt auf einmal eine Wolke über der Straße, die Sicht beträgt weniger als 50 Meter und wir müssen mit 30 Km/h und eingeschalteter Warnblinkanlage fahren. Es ist gespenstisch, kaum jemand ist unterwegs, auf einmal taucht ein Moped vor uns im Nebel auf, wir überholen, der Fahrer blinkt mit der Lichthupe. Wir fahren weiter. 50 Kilometer geht es durch den Nebel, wir kommen um viertel nach Fünf am Numbi Gate an. Mit einer Fläche von 20.000 Quadratkilometern zählt der Krüger-Nationalpark zu den größten Wildnis-Schutzgebieten Afrikas. Er wurde 1898 unter Federführung des Präsidenten der damaligen Republik Transvaal, Paul Kruger, errichtet. Während es zu Beginn noch zahlreiche Diskussionen um Jagdberechtigungen und die genaue Nutzung des Parks gab, ist es heutzutage zumindest offiziell unumstritten, dass es sich um einen Nationalpark mit dem Ziel, Wildbestände zu erhalten und zu fördern handelt.
Tanja und ihre Kolleginnen hatten sich im Vorfeld viele Gedanken darüber gemacht, was sie im Park anziehen müssen, um sich vor Mücken zu schützen. Jetzt sehen sie aus wie Mitglieder einer Sekte – alle bekleidet mit weißen Leinenhemden und weißen Hosen. Unser Tour Guide wartet schon an seinem umgebauten Toyota Land-Cruiser. Seine erste Frage: „Why are you all wearing White?“ Lachend erzählt er uns, dass es tagsüber am besten sei, möglichst dunkle Klamotten zu tragen. Letzten Endes sei es aber egal, denn: „You only have to worry about Mosquitos from Sunset to Sunrise!”. Alle Mädels rennen postwendend zur Toilette und ziehen sich um.
Unser Tourguide heißt Mike Miles, ist Weißer, etwa Mitte Fünfzig und interessierte sich schon immer für Tiere in freier Wildbahn: „I worked until ten years ago in the computer industry“, erzählt er, „but I got bored there.“ Er begann zunächst als Hobby, Tiere zu beobachten und mit Fachleuten zu sprechen. Dann begann er, bei der Safari-Firma zu arbeiten. Seitdem fährt er beinahe jeden Tag Gruppen durch den Park; beantwortet die gleichen Fragen und erklärt jedes Tier aufs Neue. Routine ist ihm trotzdem kaum anzumerken; er erweckt den Eindruck, sich auch selbst an der Beobachtung der Tiere zu erfreuen.
Ich selbst kannte die „Big Five“ des afrikanischen Kontinents bisher nur aus dem Zoo, in freier Wildbahn hatte ich sie noch nie gesehen. Als dann das erste Mal am Fenster ein Elefant auftaucht, ist das schon etwas Besonderes – „du bist jetzt wirklich in Afrika“, denke ich. Ganz dem Touri-Klischee entsprechend hält jeder von uns Kameras aus dem Auto und fotografiert alles, was sich bewegt. In einem Geländewagen, der uns entgegenkommt, sind die asiatischen Touristen technisch noch weiter – sie fotografieren gleich mit iPads, selbst unser Auto ist ihnen ein Foto wert.
Insgesamt sind wir elf Stunden im Park unterwegs; einmal geraten wir in eine Elefanten-Herde. Ich merke, dass Mike etwas nervös wird und versucht, schnell wieder dort heraus zu kommen. „Otherwise they will make a Sandwich out of us“, gibt er zu verstehen. Entgegen häufigen Annahmen sind Elefanten in bestimmten Situationen alles andere als ungefährlich; schlechte Erfahrungen mit Wilderern haben ihr Verhältnis zum Menschen belastet.
Am nächsten Abend treffe ich auf einer Grillparty von weißen Farmern einen Jäger, der sich besonders auf die Jagd von wilden Tieren spezialisiert hat – einzig ein Elefant und ein Nashorn stehen noch auf seiner Liste. So treffen zwei Welten aufeinander – auf der einen Seite engagierte Naturschützer, die die abnehmenden Bestände von Nashörnern schützen wollen; auf der anderen Seite Farmer wie dieser, die nur aus Egoismus wertvolle Tierbestände vernichten möchten. Das ist gewöhnungsbedürftig.
Wir haben Glück und sehen vier der fünf „Big Five“, einzig der Leopard macht sich nicht bemerkbar. Zu Beginn der Tour hatte sich Mike Miles erkundigt, ob wir Vorlieben oder Interessen hätten – „Lions!“, antwortet eine meiner Tour-Kolleginnen. „Of course“, meint Mike, „everyone wants to see the lions!“ Und tatsächlich – an einer Straße haben es sich drei Löwen-Männchen gemütlich gemacht und ruhen sich aus; 20 Stunden am Tag liegen sie nur herum. Um sie herum haben sich fünf Autos positioniert, alle auf die beste Sicht aus. Denn: Die oberste Regel im Krüger-Park ist – Nicht aussteigen! So sitzen wir, mit zwei Unterbrechungen, elf Stunden am Stück im Safari-Auto. Wenn davon meine Mutter Wind bekommt, wird sie sich einen Besuch im Krüger-Park bei ihrem Besuch hier sicherlich noch zweimal überlegen.
Es war das erste richtige Touri-Event, das ich in Südafrika mitgemacht habe – fremdschämen für peinliche Outfits anderer Reisender inklusive. Meine Kolleginnen hatten sich zu Beginn der Tour mit ihren Sekten-Outfits auch etwas lächerlich gemacht (sagen sie selbst) – Tanja fragt Mike, den Tour-Guide, was er am Anfang bei unserem Anblick gedacht habe: „That he is a lucky guy with five girls in the car“, meint er und weist auf mich.
Um sechzehn Uhr sind wir zurück am Numbi Gate. Wir verabschieden uns von Mike, packen das Auto und fahren los. Ein Apfel, den ich am Morgen im Auto hatte liegen lassen, würde nun locker als Bratapfel durchgehen. Dann geht es drei Stunden zurück, insgesamt haben wir also 17 Stunden im Auto zugebracht. Meine Besucherinnen kann das nicht schrecken – am nächsten Tag geht es für sie an die Küste, dann sind sie wieder 11 Stunden unterwegs. Morgens werden sie dann zumindest etwas mehr Zeit haben – denn um ihre Outfits müssen sie sich dann keine Gedanken mehr machen.
Alle Fotos Wassily Nemitz
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